Bahnstrecke Altshausen–Schwackenreute
Die Bahnstrecke Altshausen–Schwackenreute ist eine seit 1987 zwischen Pfullendorf und Schwackenreute abgebaute Strecke, die die Gemeinde Altshausen an der Bahnstrecke Herbertingen–Isny mit der Stadt Pfullendorf verbindet und früher bis in den heute nach Mühlingen eingemeindeten Ort Schwackenreute an der Bahnstrecke Radolfzell–Mengen führte. Seit 2019 wird die Verbindung Aulendorf–Pfullendorf als „Räuberbahn“ vermarktet, in Anspielung auf einen Räuber der Region des frühen 19. Jahrhunderts, den Schwarzen Vere.
Altshausen–Schwackenreute | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Streckennummer (DB): | 4551 (Altshausen–Burgweiler Strw) 4333 (Schwackenreute–Burgweiler Strw) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kursbuchstrecke (DB): | 754; 320b (1944) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 41,070 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenklasse: | CE (Altshausen–Burgweiler) C2 (Burgweiler–Pfullendorf) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Maximale Neigung: | 10 ‰ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Minimaler Radius: | 550 m | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Geschichte
Den westlichen Teil der Strecke von Schwackenreute nach Pfullendorf eröffneten die Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen am 11. August 1873. Am 14. August 1875 verlängerten die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen die Strecke bis Altshausen.
Die Deutsche Bundesbahn stellte am 26. September 1971 den Personenverkehr auf der Gesamtstrecke ein, so dass die Strecke nur noch im Güterverkehr bedient wurde. Am 29. Mai 1983 stellte die Deutsche Bundesbahn auch den Güterverkehr auf dem westlichen Abschnitt zwischen Schwackenreute und Pfullendorf ein und baute diesen Abschnitt Ende 1987 ab.[1]
Auf dem östlichen Abschnitt zwischen Pfullendorf und Altshausen gab es noch bis Juli 2002 nennenswerten Güterverkehr, unter anderem sorgte der Küchenhersteller Alno in Pfullendorf mit eigenem Containerterminal jahrelang für ein vergleichsweise hohes Verkehrsaufkommen.[1] Die formelle Stilllegung jenes Abschnitts erfolgte zum 31. August 2004, zu einem Abbau der Gleise kam es aber nicht, denn dieser Streckenteil wurde von einer kommunalen Interessengemeinschaft ab 2004 gepachtet. Lediglich die Gleisinfrastruktur des Bahnhofs Pfullendorf wurde im Sommer 2009 zurückgebaut; das Streckengleis von Altshausen endet seither vor dem ehemaligen Bahnhof an einem Prellbock.
Reaktivierung und jüngere Entwicklung
Auf Betreiben der Stadt Pfullendorf und der Gemeinde Ostrach wurde der erhaltene 25 Kilometer lange Abschnitt zwischen Altshausen und Pfullendorf 2009 reaktiviert[2][3] und steht seitdem als öffentliche Eisenbahn allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) diskriminierungsfrei zur Verfügung.[4] Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist die Stadt Pfullendorf.[5] Am 31. Juli 2009 und 1. August 2009 befuhren als erste planmäßige Züge mehrere Fahrradsonderzüge die Strecke nach Pfullendorf.[6]
Nach erfolgreichen öffentlichen Sonderfahrten am 12. September 2010[7] und am 11. Dezember 2010 zwischen Aulendorf und Pfullendorf wurde 2011 ein regelmäßiger Ausflugsverkehr aufgenommen: Inzwischen verkehrt der „Radexpress Oberschwaben“ von Mai bis Oktober an allen Sonn- und Feiertagen zwischen Pfullendorf und Aulendorf mit Unterwegshalten in Altshausen, Hoßkirch-Königseggsee (seit 2019), Ostrach Bahnhof und Burgweiler.[8] Damit wird erstmals seit Jahrzehnten wieder fahrplanmäßiger Personenverkehr auf der Strecke angeboten. Am Endpunkt beim Stadtgarten in Pfullendorf wurde hierfür ein einfacher Bahnsteig angelegt.
Sie darf mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h befahren werden. Im Bahnhof Altshausen gibt es Nebengleise und eine Ladestraße mit Anschluss an die zur DB Netz AG gehörende Bahnstrecke Herbertingen–Isny, in Ostrach gibt es diverse Nebengleise und eine Kopframpe und in Burgweiler besteht seit 2017 ein Lagerplatz mit Verlademöglichkeit am Streckengleis;[9] seit 2020 besteht in Pfullendorf Anschluss zur privaten Infrastruktur des ehemaligen Containerterminals (als „Rail Port“ für den Umschlag Schiene/Straße).[10] Zudem beabsichtigt ein auswärtiges Logistikunternehmen, in Ostrach ein neues Containerumschlagterminal zu schaffen.[11][12]
Im Sommer 2015 haben die Kommunen Pfullendorf, Ostrach und Altshausen die Bahnstrecke für 300.000 Euro von der DB Netz AG gekauft. Der Kaufpreis wurde im Verhältnis 37,5: 37,5: 25 Prozent aufgeteilt. Von den 25 Streckenkilometern verlaufen mehr als die Hälfte auf der Gemarkung Ostrach.[13]
Seit 2017 findet wieder planmäßiger Güterverkehr auf der Strecke statt, überwiegend mit Holzzügen nach/von Burgweiler und Altshausen, aber auch mit Kunstdüngerzügen.[14]
Seit 2018 wird die Strecke im Ausflugs-Personenverkehr ausgebaut: Die Haltepunkte wurden touristisch aufgewertet, in Hoßkirch 2019 ein neuer Haltepunkt am Seebad eingerichtet (Hoßkirch Königseggsee),[15] die Schrankenanlagen an den Bahnübergängen wieder in Betrieb genommen, die Fahrtage des Radexpress Oberschwaben (derzeit immer samstags, sonn- und feiertags von 1. Mai bis Mitte Okt.) verdichtet und touristische Begleitprogramme etabliert.[16] Das Konzept der seither als „Räuberbahn“ vermarkteten Strecke wurde 2019 durch zwei Innovationspreise des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg und des Tourismusverbands Bodensee ausgezeichnet.[17][18][19] Über 5.000 Fahrgäste nutzen die Ausflugszüge pro Saison.[20]
Auch das ehemalige Containerterminal in Pfullendorf ist seit 2020 wieder befahrbar. Von 1970 bis 2002 existierte auf dem damaligen Gelände der Firma Alno zunächst ein Anschlussgleis und später ein Containerterminal[21] mit Ausziehgleis und 6 Abstellgleisen, allerdings ohne Umfahrmöglickeit. Die Gleisanlagen wurden nach Stilllegung nicht abgebaut. Das Gelände wurde an die Holzwerke Rückerl verkauft, die seit Anfang 2020 die Anlage in Teilen wieder dem Güterumschlag zur Verfügung stellen. Auf der neu als „Rail Port“ bezeichneten Anlage ist wieder Güter-/Containerumschlag möglich. Wegen der fehlenden Umfahrmöglichkeit (früher wurde dazu der heute nicht mehr existierende Bahnhof Pfullendorf genutzt) muss ab dem letzten Bahnhof mit Umfahrmöglichkeit (Burgweiler) aber geschoben oder mit Sandwichbespannung gefahren werden.[22] Mitte September 2021 bediente der erste Güterzug mit Schnittholz aus Österreich das reaktivierte Containerterminal.[23]
Um für die Räuberbahn zu werben und die Kommunen beim Betrieb der Strecke zu unterstützen, hat sich 2021 ein Förderverein gegründet.[24] Für die Freizeitzüge zwischen Aulendorf und Pfullendorf wirken ehrenamtliche Helfer aus dem Förderverein dort als Lokführer und als Zugbegleiter mit.[25]
Literatur
- Peter-Michael Mihailescu, Matthias Michalke: Vergessene Bahnen in Baden-Württemberg. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0413-6, S. 146–148, 225.
Weblinks
- raeuberbahn.de – interaktives Freizeitportal für die Räuberbahn
- Eisenbahninfrastruktur für Personen- und Güterverkehr. In: Seite der Stadt Pfullendorf als Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen
- Hintergründe der Reaktivierung der Strecke. In: von-meissner.de
- Die Eisenbahn in Pfullendorf und Umgebung. In: schienenlasche.de
- Fotodokumentation der Strecke Schwackenreute-Pfullendorf-Altshausen. In: vergessene-bahnen.de. März/April 2008
Einzelnachweise
- Kurt Kleiner: Streckenmeldung. In: Schiene. Eisenbahn, Verkehrspolitik, Reisekultur. Nr. 2. Seyferth, 1987, ISSN 0932-2574, S. 60.
- Gunnar Flotow: Nach sieben Jahren rollte wieder ein Zug von Altshausen nach Pfullendorf (Memento vom 15. September 2012 im Webarchiv archive.today). In: Schwäbische Zeitung. 23. Juni 2009, abgerufen am 27. Mai 2017.
- Pfullendorf: Bahnstrecke hat wieder öffentlichen Status (Memento vom 11. Juli 2012 im Webarchiv archive.today). In: Schwäbische Zeitung. 31. März 2009, abgerufen am 27. Mai 2017 („Quelle: Schwäbische Zeitung vom 31. März 2009“).
- Reaktivierung einer Eisenbahnstrecke: Wieder Züge Altshausen – Pfullendorf. In: Eisenbahn-Kurier. Heft 10/2009, Freiburg i. Br. 2009.
- Eisenbahninfrastrukturunternehmen in der BRD. (Excel-Dokument, 90 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) Eisenbahn-Bundesamt, 6. Juli 2012, ehemals im Original; abgerufen am 26. Mai 2017 (keine Mementos). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Siegfried Volk: Pfullendorf: Bahnstrecke ist funktionstüchtig. In: Südkurier. 6. August 2009.
- Der Bodo-Erlebnistag am 12. September 2010. In: claudius-bernhard.de, abgerufen am 28. Mai 2017.
- Fahrplantabelle. (PDF; 39 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: bodo.de. 7. Dezember 2010, archiviert vom Original am 24. Dezember 2010; abgerufen am 19. September 2018.
- Stadt Pfullendorf: Unsere Anlagen für Ihren Güterverkehr: Bahnhöfe Altshausen, Ostrach, Burgweiler und Pfullendorf – Beschreibung der Lage, Gleise und Ladestraßen. Broschüre, Stand 6/2019 (Version 6). In: pfullendorf.de, abgerufen am 12. Nov. 2019 (PDF; 1,9 MB).
- railway.tools. Abgerufen am 2. Februar 2020.
- Siegfried Volk: Güterverkehr zwischen Altshausen und Pfullendorf rollt bald wieder. In: Südkurier. 30. Juni 2015, abgerufen am 27. Mai 2017.
- Siegfried Volk: Positives Signal für Güterzugverkehr in Ostrach. In: Südkurier. 23. Juli 2015, abgerufen am 27. Mai 2017.
- Siegfried Volk: Modellprojekt bietet für Ostrach viele Chancen. In: Südkurier. 4. Juli 2015, abgerufen am 27. Mai 2017.
- Sebastian Korinth: Bahnstrecke zwischen Altshausen und Pfullendorf soll attraktiver werden – Güterverkehr rollt inzwischen wieder. In: Schwäbische Zeitung. 22. April 2017, abgerufen am 12. November 2019.
- SWR-Beitrag vom 25. Juli 2019, abgerufen am 12. November 2019
- Julia Freyda: Großer Bahnhof für Räuberbahn. In: Schwäbische Zeitung, 27. Juli 2019
- Julia Freyda: Räuberbahn nimmt Fahrt auf. (Memento des Originals vom 20. September 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: schwaebische.de. 26. April 2018, abgerufen am 20. September 2018.
- Stadt Pfullendorf // ÖPNV Innovationspreis 2019. Abgerufen am 2. Februar 2020.
- Stadt Pfullendorf // Innovationspreis Bodensee19. Abgerufen am 2. Februar 2020.
- Räuberbahn in Oberschwaben: Erfolgreiche Saison geht zu Ende. 12. November 2019, abgerufen am 12. November 2019 (deutsch).
- private homepage: Vergessene Bahnen: Containerbahnhof Pfullendorf. Abgerufen am 11. Juni 2020.
- Stadt Pfullendorf - Regionale öffentliche Bahn Altshausen–Ostrach–Pfullendorf: Verzeichnis der Güter-Infrastruktur. Abgerufen am 11. Juni 2020.
- LOK Report - Baden-Württemberg: Erster Güterzug seit 19 Jahren in Pfullendorf. Abgerufen am 11. Januar 2022 (deutsch).
- Julia Freyda: Pfullendorf/Altshausen/Ostrach: Das Projekt Bürgerbahn rollt mit 29 Mitgliedern an. 20. Juli 2021, abgerufen am 23. Dezember 2021.
- Schwäbische Zeitung: Bad Saulgau: 1. Arbeitseinsatz des Förderverein Räuberbahn an der Strecke. 9. Dezember 2021, abgerufen am 23. Dezember 2021: „...konnte der Vereinsvorstand aber auch gleich über den Fortschritt bei der Personalgewinnung für die ehrenamtlichen Lokführer berichten.“