Auslandsstudium
Ein Auslandsstudium bezeichnet einen Studienaufenthalt von meist ein bis zwei Semestern in einem anderen Land als dem, in dem das Studium aufgenommen wurde und normalerweise auch abgeschlossen werden kann, aber zunehmend auch ein Studium, das vollständig in einem anderen Land als dem Heimatland des Studenten durchgeführt wird.
Ausmaße
An vielen Hochschulen in Deutschland ist es üblich, einen Teil des Studiums im Ausland zu verbringen. Nach einer Studie des Hochschul-Informations-Systems für das Wintersemester 2006/07 haben rund 23 Prozent der deutschen Studierenden einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt absolviert. Dabei waren 30 Prozent der Universitätsstudenten und 18 Prozent der Studenten von Fachhochschulen im Ausland. Etwa zwei Drittel der Studenten waren in Westeuropa, vor allem Großbritannien und Frankreich, 13 Prozent in Nordamerika und zehn Prozent in Ostmittel- und Osteuropa, vorwiegend Polen und Russland.[1]
In Deutschland fangen jährlich rund 58.000 ausländische Studenten ein Studium an.[2] Dazu kommen noch Studierende, die auch nur einen Teil ihres Studiums innerhalb von Austauschvereinbarungen hier absolvieren.
Motivation
Es gibt verschiedene Gründe, die bei einem Auslandsstudium eine Rolle spielen können. Es werden Einblicke in das eigene Studienfach von ausländischer Perspektive heraus gewährt. Die eigenen Fremdsprachenkenntnisse können verbessert werden. Man lernt ein neues Land und dessen Kultur kennen, bildet ein Netzwerk aus internationalen Kontakten aus, z. B. durch das Alumni-Netzwerk der ausländischen Hochschule, durch Studentenverbindungen wie die z. B. die Fraternities und Sororities angloamerikanischer Hochschulen und durch persönliche Kontakte. Zudem erwirbt man Auslandserfahrungen, die bei späteren Bewerbungen zum Tragen kommen. Ein Numerus clausus an deutschen Universitäten kann umgangen werden. Im Wettbewerb mit deutschen Hochschulen kann ein Vorteil aus den besser angesehenen Rahmenbedingungen und Studienangeboten im Ausland gezogen werden. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit einen zusätzlichen Studienabschluss (Doppeldiplom) zu erwerben, sowie den Wunsch nach Übersiedlung in das Gastland und einen Berufsstart im Ausland zu realisieren.
Im Nachhinein geben 90 Prozent der Teilnehmer des Erasmus-Programmes an, in ihrem Selbstvertrauen gestärkt worden zu sein.[3]
Möglichkeiten
Man kann im Ausland einerseits in einer Fremdsprache und andererseits auf Deutsch studieren. Viele Universitäten außerhalb des englischsprachigen Raums richten Studiengänge ein, die komplett auf Englisch durchgeführt werden, so dass es nicht mehr unbedingt erforderlich ist, die Landessprache des Gastlandes zu beherrschen, um dort zu studieren.
2004 wählten deutsche Studenten im Ausland zu etwa 30 % Deutsch als Unterrichtssprache, zu etwa 30 % Englisch, zu etwa 10 % Französisch und zu etwa 10 % Spanisch. 20 % entschieden sich für andere Sprachen. Die zunehmende Tendenz zum Auslandsstudium in deutscher Sprache hat folgende Ursachen:
- Immer mehr ausländische Universitäten richten deutschsprachige Studiengänge ein.
- Deutsche Studenten wollen den Vorlesungen besser folgen können.
- Deutsche Studenten wollen Klausuren im Ausland mit besseren Noten als bisher abschließen.
- Deutsche Studenten wollen an ausländischen Forschungsprojekten gleichberechtigt teilnehmen können.
- Durch Zulassungsbeschränkungen (Numerus clausus) an deutschen Universitäten konnte im Inland kein Studienplatz erlangt werden. Im Ausland war dagegen ein Studienplatz nach einem anderen Auswahlverfahren erhältlich (Beispiel: Medizin in Ungarn)
Mittlerweile gibt es außerhalb des deutschen Sprachraums über 700 deutschsprachige Studiengänge. Man findet sie in vielen Ländern, so zum Beispiel in Finnland, der Volksrepublik China, Ungarn oder den USA. Diese Studiengänge sind weitgehend unbekannt, obwohl sie angesichts der momentanen Bildungsdebatte eine herausragende Rolle spielen.
Die Angebote bieten deutschsprachigen Studenten die einzigartige Möglichkeit, weltweit Auslandserfahrung zu sammeln und gleichzeitig ein internationales Studium ohne sprachliche Hürden bei Vorlesungen und Klausuren zu absolvieren.
Allein das Fach Betriebswirtschaft kann weltweit an über 40 Hochschulen auf Deutsch erlernt werden. Jura wird beispielsweise über 20 Mal angeboten. Sogar so etwas Spezielles wie deutschsprachige Medien-Studiengänge findet man gleich 10 Mal im Ausland.
In Österreich und der Schweiz findet man natürlich ebenfalls deutschsprachige Studienmöglichkeiten.
Für Studenten, die in Deutschland einen Abschluss anstreben, stellt sich häufig die Frage, ob danach ein weiterer Abschluss im Ausland angestrebt werden soll oder ob nur ein oder zwei Austauschsemester ohne Abschluss das Ziel sind. Der Austausch über Programme wie ERASMUS bringt zwar meist den Wegfall der Studiengebühren, garantiert aber nicht, dass ein ausländischer Abschluss erworben werden kann.
Anders in Ländern mit gestuften Studiensystemen. In Frankreich zum Beispiel ist es leicht, nach dem Vordiplom oder der Zwischenprüfung ins Jahr der Licence oder nach 6 Semestern mit den entsprechenden Leistungen von zwei Hauptseminarscheinen in das Jahr der Maitrise eingestuft zu werden und den entsprechenden Abschluss zu machen, der seinerseits wieder auf das deutsche Endexamen angerechnet werden kann.
Absolventen der Maitrise kann im Allgemeinen die Deutsche Abschlussarbeit, beispielsweise die Abschlussarbeit im Staatsexamen, und ein Hauptseminarschein erlassen werden. Eine Zulassung zur Promotion ist ebenfalls direkt möglich. Auch im Bildungssystem der USA und des Vereinigten Königreichs (und den Ländern, die dieses System vom Mutterland übernommen haben) ist eine doppelte Integration der Studien möglich: Studierende aus dem deutschen System werden mit Vordiplom/Zwischenprüfung und zwei Semestern in den USA zu Graduate Studies, also zum einjährigen Studium für den Master zugelassen. Man kann hier, vor allem in den Geisteswissenschaften, oft auch optional einen Master mit Thesis (Abschlussarbeit) machen.
Nach der Umstellung der deutschen Studiengänge auf Bachelor/Master-Studien ist eine Eingliederung ins jeweils folgende Studium einfacher.
Genaue Information und Absprachen mit Prüfungsämtern und Professoren der Heimathochschule und der Gasthochschule sind angeraten.
Organisation
Es gibt eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten, den Weg ins Ausland anzutreten.
Ein viel beschrittener Weg ist die Nutzung eines Austauschprogramms, das auf Instituts-, Fakultäts-, Universitäts- oder Landesebene angesiedelt sein kann. In allen Fällen hilft das Akademische Auslandsamt weiter, etwa durch Beratungsangebote oder die direkte Vermittlung eines Studienplatzes an einer Partneruniversität. Ein solches Akademisches Auslandsamt findet sich in der Verwaltung jeder Hochschule.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der direkten Bewerbung bei der ausländischen Hochschule. Stehen keine geeigneten Austauschprogramme zur Verfügung oder ist ihre Zahl an Plätzen begrenzt, bietet sich diese Form der individuellen Planung an. Organisiert man sein Auslandssemester autonom, so wird man (vor allem bei den ERASMUS-Programmen) als Freemover bezeichnet. Auch hierbei kann das Auslandsamt helfen vor allem durch die Bereitstellung von Informationsmaterial und individuelle Beratung.
Finanzierung
An den meisten ausländischen Hochschulen sind Studiengebühren zu entrichten, die oft sogar höher sind als die für Inländer (u. a. Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, Australien). Deutschland gehört zu den wenigen Ländern weltweit, die keine oder nur geringe Studiengebühren erheben.[4] In der EU besteht für deutsche Studenten der Vorteil, dass diese die Studiengebühren für Inländer zu bezahlen haben, während die Studiengebühren für EU-Ausländer wesentlich höher sein können (z. B. in Großbritannien).
Beim Gang ins Ausland über ein Austauschprogramm entfallen häufig die Studiengebühren, was vielen Studenten das Auslandsstudium angesichts der vielfach sehr hohen Gebühren überhaupt erst ermöglicht. In einigen Fällen wird Gebührenerlass nicht für alle Kurse gewährt, sodass in wenigen Fällen kein akademischer Grad/Abschluss möglich ist.
Bei einer Direktbewerbung bieten sich andere Formen der Finanzierung an. Grundlegende finanzielle Unterstützung ist durch BAföG beziehungsweise Auslands-BAföG oder einen Bildungskredit möglich. Darüber hinaus existiert eine Fülle von Organisationen und Stiftungen, die Stipendien vergeben, z. B. der DAAD, die Fulbright-Kommission für die USA oder das Erasmus-Programm der Europäischen Gemeinschaft. Ferner bieten alle Begabtenförderungswerke ihren Stipendiaten Auslandsstipendien an. Bei einigen wenigen Universitäten, vor allem bei Amerikanischen, ist auch eine Finanzierung durch Hilfskraftstellen (Graduate Assistantships) oder hochschuleigene Stipendien möglich.
Anerkennung
Meist ist das Auslandsstudium mit dem Ziel verbunden, im Ausland besuchte Kurse für das Studium in der Heimat anerkennen zu lassen, so dass sich die Gesamtstudiendauer nicht oder nur geringfügig verlängert. Je nach Universität und Fachbereich wird die Anerkennung der im Ausland belegten Kurse allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt und hängt bisweilen von der persönlichen Einschätzung einzelner Professoren ab. Meist ist wichtig, dass Kursinhalte, Kursintensität (Zahl der Semesterwochenstunden) und Prüfungsintensität (Dauer der Prüfung) ungefähr übereinstimmen; generelle Aussagen zur Anerkennung sind jedoch schwierig. Daher sollte eine etwaige Anerkennung mit Professoren oder Studienberatern an der eigenen Uni möglichst noch vor dem Antritt des Auslandsstudiums besprochen werden. Einfacher und transparenter ist die Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen innerhalb der EU durch den Bologna-Prozess und das Erasmus-Programm geworden. Durch die Einführung der gestuften Studien Bachelor/Master und die Einführung des Europäischen Credit-Transfersystems ECTS wird die Anerkennung vereinfacht.
Die Anerkennung ausländischer Akademischer Grade ist gesetzlich geregelt. Die Genehmigung von außerhalb der EU erworbenen Graden muss beim zuständigen Kultus/Wissenschaftsminister des Heimatbundeslandes beantragt werden (gebührenpflichtig, für Studierende ohne Einkommen auf Antrag meist kostenlos). Die Grade werden in der Regel in der Originalform mit Zusatz des Landes oder der verleihenden Universität genehmigt.
Statistik
Im Jahr 2011 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 133.800 deutsche Studierende an ausländischen Hochschulen eingeschrieben – 5.900 mehr als im Vorjahr. Die beliebtesten Zielländer für ein Studium im Ausland waren 2010 Österreich und die Niederlande.
- Österreich 22,9 %
- Niederlande 18,7 %
- Großbritannien 11,2 %
- Schweiz 10,4 %
- USA 7,0 %[5]
Laut dem Statistischen Bundesamt unterscheiden sich die Interessen der Studierenden je nach Zielland. Im Fall eines Medizinstudiums werden Ungarn und Tschechien bevorzugt, um so den Numerus clausus in Deutschland zu umgehen.
Auch im Ausland bewegt es die Studierenden in andere Länder. Eines der beliebtesten Länder für ein Auslandsstudium stellen die USA dar.
- USA 56 %
- Großbritannien 40 %
- Deutschland 27 %
- Frankreich 22 %
- Australien 18 %[6]
Das Statistische Bundesamt stellt schrittweise darauf um, Auslandsstudenten nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit zu definieren, sondern nach dem Konzept der „mobilen Studierenden“. Auslandsstudenten aus Deutschland sind demnach Studierende mit Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland, die im jeweiligen Gastland studieren. Diese Umstellung je nach Land zu einem anderen Zeitpunkt statt (Beispiele: Deutschland 2013, Niederlande 2013, Schweden 2016, Norwegen 2017, Neuseeland 2018, Schweiz 2018) und führt zu eingeschränkter Vergleichbarkeit zwischen den Berichtsjahren.[7]
Auch 2018 die beliebtesten Zielländer für ein Studium im Ausland Österreich und die Niederlande.
- Österreich 21,5 %
- Niederlande 15,8 %
- Vereinigtes Königreich 11,3 %
- Schweiz 8,5 %
- USA 6,8 %[8]
- (andere 36,2 %)
Literatur
- "Studium, Forschung, Lehre im Ausland, Förderungsmöglichkeiten für Deutsche", Hg. DAAD. Diese Broschüre von ca. 400 Seiten wird jährlich im Frühjahr neu aufgelegt. Sie kann bei den Akademischen Auslandsämtern abgeholt werden.
- "Studienführer ...", Hg. DAAD, gibt es für fast alle europäischen Staaten und die wichtigsten außereuropäischen Kontinente. Sie sind im Buchhandel zu haben (W. Bertelsmann Verlag) und bei den AAA´s einzusehen oder auszuleihen.
- "Sprachkurse an Hochschulen in Europa", Hg. DAAD, Adressen und Internetadressen der Anbieter zum selber informieren.
- Jörn Schulz: Studium in Australien: Als Bachelor-, Master- oder Ph.D.-Student an australischen Universitäten studieren und forschen; Studienprogramme, Bewerbung, Förderungs- und Finanzierungsmöglichkeiten.... 1. Auflage. MANA-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-934031-43-2 (Ratgeber, der auch die australischen Unis, das Bildungssystem und das Leben in Australien vorstellt)
- Nina Wolfeil: Entering a foreign labour market via the “academic gate”. The experiences of Poles who came as international students to Germany, Belgeo, 4, 2010, S. 365–382, doi:10.4000/belgeo.6409 (englischsprachig)
Weblinks
Fußnoten
- Handelsblatt - Karriere & Management, 11./12./13. Mai 2007, S. 7
- Financial Times Deutschland: Auslandsstudenten, bitte zur Kasse (Memento vom 1. Februar 2011 im Internet Archive)
- Alexander Demling: Austauschstudenten und die Liebe: "Es gibt eine Million Erasmus-Babys." spiegel.de, 22. September 2014, abgerufen am 23. September 2014
- Financial Times Deutschland:Auslandsstudenten, bitte zur Kasse (Memento vom 31. Januar 2011 im Internet Archive)
- Deutsche Studierende, Studienanfänger und Absolventen im Ausland 2010 nach Studienland. (Nicht mehr online verfügbar.) Statistisches Bundesamt, 2012, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 5. Mai 2015.
- Bevorzugte Länder ausländischer Studenten (Top Talents)* für ein Auslandsstudium. statista, 2010, abgerufen am 5. Mai 2015.
- Deutsche Studierende im Ausland: Ergebnisse des Berichtsjahres 2018. Ausgabe 2020. In: destatis.de. Statistisches Bundesamt, 22. Februar 2021, abgerufen am 11. Mai 2021. S. 5, S. 9–19.
- Deutsche Studierende im Ausland: Ergebnisse des Berichtsjahres 2018. Ausgabe 2020. In: destatis.de. Statistisches Bundesamt, 22. Februar 2021, abgerufen am 11. Mai 2021. S. 8.