Artilleriesystem ARCHER
Das Artilleriesystem ARCHER ist eine schwedische Selbstfahrlafette mit einem Artilleriegeschütz im Kaliber 155 mm. Eine weitere Bezeichnung ist FH-77BW L52 Archer.[1]
FH-77BW L52 Archer | |
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Allgemeine Eigenschaften | |
Besatzung | 2 (Kommandant, Fahrer) – 4 (Kommandant, Fahrer, Richtschütze, Ladeschütze) |
Länge | 14,3 m |
Breite | 3,0 m |
Höhe | 3,3–3,9 m |
Masse | 33,5 t |
Bewaffnung | |
Hauptbewaffnung | 155-mm-Haubitze L/52 |
Sekundärbewaffnung | Fernbedienbare Waffenstation mit 12,7-mm-Maschinengewehr |
Schutzsysteme | |
Panzerung | mm |
Minenschutzstärke | Schutz gegen 6 kg-Minen (Level 2 STANAG 4569) |
Beweglichkeit | |
Antrieb | Dieselmotor 252 kW (340 PS) |
Geschwindigkeit | 70 km/h |
Leistung/Gewicht | PS/t |
Reichweite | 400–500 km |
Entwicklung
Das Artilleriesystem ARCHER entstand aufgrund einer Forderung der schwedischen und norwegischen Streitkräfte.[2] Beide Staaten beabsichtigten die Beschaffung von je 24 Artillerie-Selbstfahrlafetten. Im Jahr 2002 präsentierte die Firma Bofors (heute BAE Systems) den ersten Technologiedemonstrator.[2] Im Jahr 2013 wurden die ersten Systeme für Feldtests an die Schwedischen Streitkräfte ausgeliefert. Im selben Jahr zog sich Norwegen aus finanziellen Gründen aus dem Projekt zurück.[3] Die definitive Einführung bei dem Schwedische Heer erfolgte anfangs 2016.[4] Dort trägt es die Bezeichnung Artillerisystem 08.
Varianten
- Archer: 1. Serienversion installiert auf einem LKW Volvo A30D 6×6 für das Schwedische Heer.
- Archer Modular: Exportversion installiert auf einem Rheinmetall-LKW RMMV HX2 8×8. Vorgestellt im Jahr 2020.[5]
Technik
Das Artilleriesystem ARCHER besteht im Groben aus einer auf einem LKW installierten 155-mm-Haubitze mit einem automatischen Ladesystem. In dem Fahrzeug sind sämtliche Systeme für den autonomen Einsatz oder den Einsatz im Verbund untergebracht.[6] Das Archer System ist in einem Airbus A400M luftverlastbar.
Fahrzeug
Das Fahrgestell des Artilleriesystems ARCHER basiert auf dem Volvo A30D 6×6 Gelenk-Schwerkraftwagen.[6] An der Fahrzeugfront befindet sich der Motor mit dem Führerhaus. Als Motor kommt ein luftgekühlter Dieselmotor mit 252 kW (340 PS) Leistung zum Einsatz.[7] Der LKW verfügt über eine Reifendruckregelanlage und das Führerhaus verfügt über ABC-Schutz. Auch ist das Führerhaus gegen Panzerminen, Granatsplitter, Handfeuerwaffen sowie Hochfrequenz-Mikrowellen und Energiewaffen geschützt.[2] Das Führerhaus bietet Platz für den Fahrer und die dreiköpfige Geschützbedienung. Im Führerhaus sind sämtliche Systeme für den Betrieb der Haubitze und des automatischen Ladesystems untergebracht. Ebenso sind dort der Feuerleitrechner sowie das Satelliten-Navigationssystem untergebracht. Außer zum Aufmunitionieren muss die Geschützbedienung für den Betrieb des Artilleriesystems ARCHER zu keiner Zeit das Führerhaus verlassen.[2] Auf dem Führerhaus ist eine Fernbedienbare Waffenstation vom Typ Protector M151 mit einem 12,7-mm-Maschinengewehr installiert.[8] Am Fahrzeugheck ist auf dem Fahrgestell die Lafette für die 155-mm-Haubitze montiert. An dem Geschütz ist eine automatische Ladevorrichtung sowie ein Geschossmagazin angebracht.
Das Artilleriesystem ARCHER erreicht auf der Straße eine maximale Fahrgeschwindigkeit von 70 km/h und hat eine Reichweite von bis zu 500 km.[1] Das Artilleriesystem ist geländegängig und kann Steigungen von 60 % überwinden.[3] Die maximal zulässige Querneigung liegt bei 30 %.[3] Das Fahrzeug kann Gewässer mit einer maximalen Tiefe von 1,2 m überwinden und es kann Schneedecken von bis zu einem Meter Mächtigkeit durchfahren.[6] Die Bodenfreiheit beträgt 45 cm.[1]
Das Artilleriesystem ARCHER kann aus voller Fahrt innerhalb von 20 Sekunden den Feuerkampf aufnehmen.[1] Ebenso kann es nach Beendigung des Feuerauftrages innerhalb von 20 Sekunden die Stellung wieder verlassen.[1] ARCHER kann sowohl autonom oder im Verbund mit anderen Geschützen in Batterien eingesetzt werden. Das Nachladen des Geschossmagazins geschieht von einem weiteren Lastkraftwagen mittels eines Ladekrans. Der Nachladevorgang dauert rund 8–10 Minuten.[2]
Geschütz
Als Geschütz kommt eine abgeänderte Ausführung der 155-mm-Haubitze FH 77B05 mit 52 Kaliberlängen (L/52), eine Weiterentwicklung der Fälthaubits 77 (FH-77), zum Einsatz.[8] Das Geschützrohr ist aus hochfestem Stahl und durchgehend autofrettiert. Es verfügt über 48 Züge. Die Ladungskammer hat ein Volumen von 25 Liter und verfügt über einen Schraubenverschluss.[9] Bei der Rohrwiege sind am Geschützrohr zwei hydropneumatische Rohrbremsen und Rückholeinrichtungen montiert. An dem Geschützende sind eine automatische Ladevorrichtung sowie ein Magazin für 21 Geschosse und deren Treibladungen angebracht. Die vollautomatische Ladevorrichtung führt die Geschosse zu und setzt sie im Rohr an. Danach werden die Treibladungen und Treibladungsanzünder geladen und zugeführt. Der Seitenrichtbereich beträgt ±85°.[1] Der Höhenrichtbereich liegt bei −1° bis +70°.[1] Am Fahrzeugheck werden vor der Schussabgabe zwei Erdsporne abgesenkt, welche die Rückstoßkraft in das Erdreich ableiten.[2] Zusätzlich wird der Rückstoß durch eine Einkammer-Mündungsbremse gemindert.[7]
Mit der automatischen Ladevorrichtung können innerhalb von 15 Sekunden 3 Schuss abgefeuert werden.[1] Das gesamte Magazin mit den 21 Geschossen kann innerhalb 3,5 Minuten verschossen werden.[1] Für anhaltendes Feuer ist eine Schussfolge 8–9 Schuss pro Minute möglich.[3] Ein Geschütz kann – inklusive Nachladezeit – innerhalb 35 Minuten 54 Schuss abfeuern.[1] Außerdem kann das Artilleriesystem ARCHER sechs Geschosse nacheinander so abfeuern, dass alle Geschosse gleichzeitig im Ziel eintreffen (MRSI).[1]
Munition
ARCHER verwendet getrennt geladene Munition mit variablen Treibladungsbeuteln (Zonenladungen). Das heißt, das Geschoss und die Treibladung werden nacheinander geladen. Primär kommt das von Bofors entwickelte modulare Uniflex 2-Treibladungssystem zum Einsatz. Dieses besteht aus kombinierbaren Ladungsbeuteln. Daneben können auch die NATO-Standard-Treibladungen sowie die DM72-Treibladungen verwendet werden.[9]
Mit ARCHER kommt primär der Geschosstyp vom Typ HE-ER zum Einsatz. HE-ER steht für High Explosive Extended Range und wird u. a. von Bofors und Nammo AS produziert.[6] Gegenüber dem 155-mm-NATO-Standardgeschoss M107 verfügt das NM 269-HE-ER-Geschoss über eine deutlich bessere aerodynamische und schlankere Form. HE-ER wurde entwickelt, um auch bei großen Schussdistanzen (über 30 km) eine große Zielgenauigkeit zu erreichen.[10] Gemäß Herstellerangaben soll bei diesem Geschosstyp die Zielabweichung (Streuung) bei weniger als 0,4 % in der Schussdistanz sowie im Azimut liegen.[11]
Das Artilleriesystem ARCHER verwendet die folgende Munition:
Name | Geschosstyp | Gewicht | Füllung | Schussdistanz |
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HE-ER HB | Sprenggranate mit Hohlboden | 44 kg | 9,9 kg TNT/RDX | 32 km |
HE-ER BB | Sprenggranate mit Base Bleed | 47 kg | 9,9 kg TNT/RDX | 41 km |
HE-ER FB BT | Extended-Range-Full-Bore-Geschoss | 44 kg | 8,1 kg TNT/RDX | 33 km |
HE-ER FB BB | Extended-Range-Full-Bore-Geschoss mit Base Bleed | 47 kg | 9,9 kg TNT/RDX | 42 km |
M982 Excalibur | präzisionsgelenkte Artilleriegranate | 48 kg | 22 kg PBX | 50–60 km |
Bonus | Suchzünder-Munition | 45 kg | 2 Suchzünder-Streumunition | 35 km |
Technische Daten aus[1][6][9][12][13]
Weiter beinhaltet die HE-ER-Geschossfamilie auch Nebelgeschosse und Leuchtgeschosse.[12] HE-ER-Geschosse werden auch mit Insensitivem Sprengstoff angeboten. Diese Geschosse werden IM HE-ER bezeichnet.[13] Ebenso kann das Artilleriesystem ARCHER auch die M/77-Geschosse (SGR-77) der FH-77-Feldhaubitze einsetzten.[8] Weiter kann ARCHER nahezu die gesamte 155 mm-NATO-Munition verschießen, solange die Geschosslänge nicht größer als 1.000 mm ist und die Mündungsgeschwindigkeit unter 950 m/s liegt.[9]
Nutzerstaaten
Einzelnachweise
- Archer 155MM FH 77 BW L52. (PDF) In: baesystems.com. BAE Systems, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- Oberstleutnant Markus Oetterli: Das Rohrartilleriesystem ARCHER. (PDF) In: sogart.ch. Schweizerischen Offiziersgesellschaft der Artillerie, abgerufen am 16. November 2017.
- Archer. In: military-today.com. Military Today, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- Victoria Välilä: A Good Day at the Artillery Regiment. In: forsvarsmakten.se. Försvarsmakten, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- Ian Kemp: Nordic Thunder. EDR Magazine Nr. 50, 2020. S. 26.
- Major Walter Christian Håland: Archer. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) In: Truppendienst 03/2011. European Military Press Association, archiviert vom Original am 17. November 2017; abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- Archer FH77 BW L52 wheeled self-propelled howitzer 155 mm data sheet information specifications. In: armyrecognition.com. Army Recognition, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- Archer. In: army-guide.com. Army-Guide, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- Archer Weapon characteristics - Preliminary ammunition requirements. (PDF) In: mercell.com. RFI, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- MilitaryLeak: Nammo HE-ER 155 mm artillery ammunition (englisch)
- HEER. In: army-guide.com. Army-Guide, abgerufen am 28. November 2017 (englisch).
- 155 mm ammunition. In: msm.sk. MSM Group, abgerufen am 16. November 2017 (englisch).
- Jane’s Infantry Weapons: Nammo’s latest 155 mm ammunition begins production (englisch)
- The Military Balance 2016. S. 161, International Institute for Strategic Studies (IISS), ISBN 1-85743-835-3.
- Trade Register auf sipri.org, abgerufen am 16. November 2017
- Svt.se: Kanonglädje i Bofors – ska leverera fler Archer i försvarets nya satsning