Arie Goral-Sternheim
Arie Goral-Sternheim (* 16. Oktober 1909 in Rheda (Westfalen); † 23. April 1996 in Hamburg; auch Arie Goral; geborener Walter Lovis Sternheim) war ein deutscher Maler und Publizist.
Leben
Jugend in Deutschland
Sternheim wurde als Kind deutsch-jüdischer Eltern geboren. Er war ein Neffe des Konsumgenossenschafters und Hamburger Senators Max Mendel. Die Familie zog bald nach Hamburg, wo er sich schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg in zionistischen Jugendverbänden engagierte. Die Konfrontation mit dem erstarkenden Antisemitismus führte ihn zum „Jung-Jüdischen Wanderbund“ des sozialistischen Zionismus.
Ab 1925 absolvierte Sternheim eine kaufmännische Lehre in Hamburg und bereitete sich gleichzeitig systematisch auf die Auswanderung nach Palästina („Alija“) vor. Seine Jugendgruppe besuchte mehrfach Martin Buber in Heppenheim.
Von 1928 bis 1932 ließ sich Sternheim als Angehöriger des Kibbuz Cheruth auf landwirtschaftlichen Höfen im Raum Hameln im Sinne der Hachschara ausbilden.
Emigration
Anfang 1933 erlebte Sternheim noch die Machtergreifung in Deutschland und wanderte im Mai 1933 zunächst nach Frankreich aus, von wo er schließlich 1934 die Genehmigung zur Einwanderung nach Palästina erhielt.
In Palästina nahm Sternheim den Namen „Arie Goral“ an. (Arie = hebr. für „Löwe“; Goral = hebr. für „Schicksal“'). Er übte verschiedene Berufe aus, entdeckte aber schon bald seine künstlerischen Interessen. Goral begann zu dichten, lernte in Jerusalem Arnold Zweig und Else Lasker-Schüler kennen, und eröffnete in Rehovot ein Kindermalstudio.
Nach der Teilnahme am Unabhängigkeitskrieg 1948 entschloss sich Goral 1950 zu einem Studienaufenthalt in Italien, der bis 1953 dauerte. 1951 wurde Goral wieder deutscher Staatsbürger.
Leben in der Bundesrepublik Deutschland
Goral hielt sich zunächst für kurze Zeit in München auf, wohin er von Erich Kästner eingeladen worden war, um seine Sammlung von israelischen Kinderbildern in der dortigen Internationalen Jugendbibliothek zu präsentieren. Die IJB wurde von der jüdischen Schriftstellerin Jella Lepman im Auftrag der US-Militärbehörden nach dem Krieg gegründet. Er lernte dort Leonhard Frank, Alfred Polgar, Fritz Kortner, Max Steffel, Luise Rinser und den in die DDR übergesiedelten ehemaligen US-Offizier Stefan Heym kennen.
Anschließend kehrte Goral im Oktober 1953 in seine Heimatstadt Hamburg zurück, wo er zunächst bei der Familie Wohlwill zur Untermiete wohnte. Danach bezog er für kurze Zeit eine kleine Kammer in Hamburg-Eimsbüttel, im Gebäude der „Vereinigung städtischer Kinderheime“, für die er tätig war. In dessen Kellerräumen richtete er das junge studio ein. Anschließend zog er in den Stadtteil Hamburg-Eppendorf, wo er die Galerie uhu einrichtete. Seinen Lebensschwerpunkt stellte der Grindel dar, der vor 1933 das Zentrum des jüdischen Lebens in Hamburg gewesen war, und zu dessen Chronisten er in den folgenden Jahren werden sollte.
Ab 1956 wurde Goral wieder literarisch tätig und bald ein scharfer Kritiker des oberflächlichen ritualisierten Philosemitismus der Adenauer-Ära („Woche der Brüderlichkeit“), welche gleichzeitig die Rehabilitierung von Personen wie Hans Globke und Theodor Oberländer, bewirkte. Diese stiegen nämlich trotz ihrer Verwicklung in den Nationalsozialismus problemlos in hohe Staatsämter auf. Gleichzeitig engagierte sich Goral für die Friedensbewegung in Deutschland, und Ende der sechziger Jahre zunehmend gegen den wiedererstarkenden Rechtsextremismus.
Arie Goral-Sternheim heiratete 1968 Eva Peters (1925–2020), die nach der Heirat unter dem Namen Eva Sternheim-Peters das Buch 'Habe ich denn allein gejubelt?' herausgebracht hat. Goral machte sich in Hamburg durch seine zahlreichen Aktionen in der Kunstszene (1975 Kontroverse um den Hamburger Kunstverein) einen Namen. Besonders trat er durch sein Engagement für ein neues Heinrich-Heine-Denkmal und die Benennung der Staats- und Universitätsbibliothek nach dem Hamburger Publizisten und Pazifisten Carl von Ossietzky hervor.
Im Jahre 1979 veröffentlichte Goral einen Beitrag in dem von Henryk M. Broder herausgegebenen Sammelband „Fremd im eigenen Land“. Dort rechnete er u. a. selbstkritisch mit seiner eigenen Rolle als „philosemitische Kunstfigur“ (Zitat Goral) in den 1950er Jahren ab. In den 1980er Jahren kritisierte Goral, dass jüdische Themen und jüdische Kultur immer mehr als trendiges Unterhaltungsobjekt für die deutsche Intelligenz dienten. Scharf griff er in diesem Zusammenhang immer wieder sowohl Broder als auch den Hamburger Theater-Intendanten Peter Zadek an.
Arie Goral blieb bis zu seinem Tode sowohl seinen pazifistischen Überzeugungen als auch seiner jüdischen Identität treu. Er protestierte zum Beispiel 1991 gegen die US-Intervention im Irak, gleichzeitig lehnte er 1988 während der „Ersten Intifada“ vehement Boykottaufrufe gegen Israel ab, und diagnostizierte einen zunehmenden linken Antisemitismus.
Im Jahre 1982 erhielt er vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die Biermann-Ratjen-Medaille für seine künstlerischen Verdienste um die Stadt.
Goral starb am 23. April 1996 in Hamburg. Er wurde als Walter Louis Sternheim auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.[1] Der Nachlass liegt bis auf die Bilder nahezu vollständig im Hamburger Institut für Sozialforschung. Die Bilder verteilen sich auf das Jüdische Museum Rendsburg und das Jüdische Museum Frankfurt.
Mit Senatsbeschluss vom 12. Juni 2019 erhielt die im Grindelviertel in Rotherbaum gelegene Kreuzung Grindelhof/Hartungstraße/Rutschbahn den Namen Arie-Goral-Platz.[2]
Werke
- Stadtlandschaft in Jerusalem (Öl auf Papier, 55 × 40 cm, 1951; Museum Kunst der Verlorenen Generation, Salzburg)[3]
Ausstellungen
- Rendsburg, Jüdisches Museum und Dr.Bamberger-Haus, 1998. Arie Goral. Gemälde, Guachen und Radierungen aus dem Nachlaß.
- Frankfurt am Main: 15. Februar bis 20. Mai 2007. Jüdisches Museum Frankfurt, Judengasse: Kein Weg als Jude und Deutscher? Der Maler, Publizist und Dichter Arie Goral.; ca. 100 Gemälde, Arbeiten auf Papier, Druckgrafiken, Aufsätze und Gedichte. (Rezension: Frankfurter Rundschau vom 16. Februar 2007, Kultur Rhein-Main)
- Hamburg: 7. September bis 9. Dezember 2007 im Museum für Hamburgische Geschichte: Geflohen aus Deutschland. Hamburger Künstler im Exil. 1933-1945.
Literatur
- Thomas Görres: Goral-Sternheim, Arie. In Das Jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk. Mit einem Vorwort von Ole von Beust. Hg. und Redaktion Kirsten Heinsohn für das Institut zur Erforschung der Geschichte der Juden in Hamburg, Wallstein, Göttingen 2006, ISBN 978-3-8353-0004-0. auch als Onlineausgabe.
- Kein Weg als Jude und Deutscher? Der Maler, Publizist und Dichter Arie Goral. Hrsg. Raphael Gross und Erik Riedel, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-9809814-7-9 Katalog des Jüdischen Museums der Stadt Frankfurt zur gleichnamigen Ausstellung.
- Arie Goral: Gemälde, Gouachen und Radierungen aus dem Nachlaß. Redaktion Frauke Dettmer + Christian Rathke, Jüdisches Museum Rendsburg und Dr.-Bamberger Haus, Rendsburg 1998
- Arie Goral: Ich bin Jude, also bin ich. In: Henryk M. Broder und Michel R. Lang (Hrsg.): Fremd im eigenen Land. Juden in der Bundesrepublik. Vorwort von Bernt Engelmann, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1979, 373 S., ISBN 3-596-23801-3, (Fischer-Taschenbücher; 3801), S. 203–221; 18.–19. Tsd., 1987
- Walter Lovis Arie Sternheim Goral: Um Mitternacht. Hamburg: Verlag Neue Presse, 1983, 84 S. (Sammlung von Gedichten aus den Jahren 1942–1982 sowie „Rückschau in eigener Sache“)
- Arie Goral-Sternheim: Jeckepotz. Eine jüdisch-deutsche Jugend 1914 - 1933. VSA-Verlag, Hamburg 1989, 201 S., ISBN 3-87975-457-8; 2., unveränd. Aufl., ergänzt um ein Vorwort von Jan Philipp Reemtsma. Hamburg: LIT Verlag, Verlag für wissenschaftliche Literatur, 1996, ISBN 3-8258-3168-X (Anpassung, Selbstbehauptung, Widerstand; 10)
- Arie Goral: An der Grenzscheide. Kein Weg als Jude und Deutscher? LIT Verlag, Münster, Hamburg 1994, II, 200 S., ISBN 3-8258-2143-9 (Anpassung, Selbstbehauptung, Widerstand; Band 6)
- Arie Goral-Sternheim: Im Schatten der Synagoge, Hamburg, Nachdruck 2002 der erweiterten Neuauflage von 1994, Landeszentrale für politische Bildung, ISBN 3-929728-58-3
Weblinks
- Literatur von und über Arie Goral-Sternheim im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Arie Goral-Sternheim im Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren
- Literatur von und über Arie Goral-Sternheim in der Bibliothek des Jüdischen Museums Berlin
- Werke von Arie Goral im Ludwig Meider-Archiv des Jüdischen Museums Frankfurt
- Goral-Sternheim, Arie bei Das jüdische Hamburg
Einzelnachweise
- Grabregister Jüdischer Friedhof Ohlsdorf
- Senatsbeschluss vom 12. Juni 2019, veröffentlicht im Amtlichen Anzeiger Nr. 48 vom 21. Juni 2019, abgerufen am 30. November 2019
- Arie Goral-Sternheim. In: Museum Kunst der Verlorenen Generation. Abgerufen am 29. Januar 2022 (österreichisches Deutsch).