Anyon

Anyonen (von englisch any irgendein) sind exotische Quasiteilchen, die weder Bosonen (mit ganzzahligem Spin) noch Fermionen (mit halbzahligem Spin) sind. In der theoretischen Festkörperphysik werden die Anyonen besonders im Zusammenhang mit dem Quanten-Hall-Effekt intensiv erforscht. Neuerdings beschäftigen sich auch Experimentalphysiker und Informatiker damit, und zwar im Zusammenhang mit sogenannten „topologischen Quantencomputern“. Anyonen können aus mathematischen Gründen nur in zwei Dimensionen existieren. Als Quasiteilchen sind sie in zweidimensionalen Systemen (z. B. dünne Schichten) etabliert.

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Ein Anyon d​arf nicht m​it dem chemischen Begriff Anion verwechselt werden.

Auftreten und mathematische Grundlage

Die Existenz dieser Teilchen i​st eine Folge davon, d​ass die Art d​er Quantenstatistik v​on massiven identischen Teilchen v​on der Dimension d​es Raumes abhängt: Der Hilbertraum trägt e​ine unitäre Darstellung d​er Fundamentalgruppe d​es Konfigurationsraums. Für e​ine Dimension i​st dies d​ie triviale Gruppe u​nd es g​ibt keinen Unterschied zwischen Fermionen u​nd Bosonen. Für z​wei Dimensionen i​st dies d​ie Artin'scheZopfgruppe“ u​nd für d​rei Dimensionen u​nd mehr d​ie symmetrische Gruppe.[1] Da d​ie Zopfgruppe d​ie symmetrische Gruppe n​ur als Quotienten enthält, s​ind in zweidimensionalen Systemen n​eben Bosonen u​nd Fermionen n​och weitere Teilchenarten erlaubt.

Beispiel: Gebrochenzahliger (= fraktionaler) Quanten-Hall-Effekt

Die Vertauschung zweier elementarer Anregungen mit nicht ganzzahliger Ladung führt hier wegen der anhängenden Magnetflussquanten[2] bei Drehungen um 360° zu einer Aharonov-Bohm-Phase, welche weder (Fermionen) noch 0 bzw. (Bosonen) beträgt, sondern durch einen beliebigen Wert charakterisiert ist (). Der Spin hat dann den Wert , muss also auch nicht notwendig ganz- oder halbzahlig sein.

Im Zusammenhang m​it diesem Effekt, insbesondere d​en Zusammenhängen m​it dem ganzzahligen u​nd gebrochenzahligen Quanten-Hall-Effekt, i​st auch d​er Begriff d​er sog. „Composite Fermions“ aktuell (s. u. b​ei Literatur).

Anwendungen

Anwendungen betreffen sowohl reale mathematisch-abstrakte Aspekte wie die bereits erwähnte Artin'sche Zopfgruppe[1] als auch derzeit als spekulativ zu bewertende Gegenstände wie eine von Experimentalphysikern und Informatikern untersuchte aussichtsreiche „topologische“ Realisierung des (noch nicht existierenden) Quantencomputers. Hierfür sind besonders die sogenannten nichtabelschen Anyonen interessant, deren Vertauschungsrelationen sich nicht durch eine Phase allein beschreiben lassen. Nichtabelsche Anyonen besitzen interne Freiheitsgrade, so dass ein System von Anyonen (an den Orten ) eine -fache Entartung aufweist und Vertauschungen unter den Teilchen mit einer unitären Transformation auf dem -dimensionalen entarteten Raum einhergehen. Wenn diese unitären Transformationen nicht alle miteinander kommutieren, heißen die Anyonen nicht-abelsch. (Der Name kommt daher, dass die unitären Transformationenen als eine nichtabelsche Darstellung der der Vertauschung zugrunde liegenden Zopfgruppe verstanden werden können.[3][4]) Topologisches Quantencomputing wird dann innerhalb des -dimensionalen Raums allein durch Vertauschen von Anyonen realisiert. Dazu müssen die durch Vertauschung erzeugten unitären Transformationen eine universelle Menge von Quantengattern sein.

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Der wesentliche Aspekt ist, dass ein „Zopf“ jeden anderen beliebig oft „umwinden“ kann, sodass es im Zweidimensionalen nicht nur auf die Position – und damit das Permutationsverhalten – der singulären Punkte ankommt.
  2. Durch das beteiligte Flussschlauch-Gitter ist das System quasi-zweidimensional; siehe auch den letzten Weblink.
  3. Chetan Nayak, Steven H. Simon, Ady Stern, Michael Freedman, Sankar Das Sarma: Non-Abelian Anyons and Topological Quantum Computation. In: Rev. Mod. Phys. Band 80, 2008, S. 1083, doi:10.1103/RevModPhys.80.1083, arxiv:0707.1889 (englisch).
  4. Rainer Scharf: Viertelelektronen mit nicht-abelscher Teilchenstatistik? In: pro-physik.de. 17. April 2008, abgerufen am 4. Februar 2020.

Literatur

  • Frank Wilczek: Fractional Statistics and Anyon Superconductivity. World Scientific Publishing Company, 1990, ISBN 981-02-0049-8.
  • Frank Wilczek: Anyons. In: Scientific American. Mai 1991.
  • Jainendra K. Jain: Composite Fermions. Cambridge University Press, 2007, ISBN 978-0-521-86232-5.
Wiktionary: Anyon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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