Anton Räderscheidt
Hubert Anton Räderscheidt (* 11. Oktober 1892 in Köln; † 8. März 1970 ebenda) war ein deutscher Maler der Neuen Sachlichkeit.
Leben
Anton Räderscheidt wurde 1892 als eines von sieben Kindern des Mundartdichters Wilhelm Räderscheidt und seiner Ehefrau Elisabeth (geb. Beckmann) in Köln am Blaubach geboren. Anton Räderscheidt, der nach dem Willen des Vaters Lehrer bzw. Beamter werden sollte, ging nach dem Realschulabschluss 1910 zunächst an die Kölner Kunstgewerbeschule (die späteren Kölner Werkschulen). Im Anschluss besuchte er ein Zeichenlehrerseminar bei Lothar von Kunowski[1] an der Kunstgewerbeschule Düsseldorf und studierte später bei Eduard von Gebhardt an der Kunstakademie Düsseldorf.[2]
In Köln eröffnete er 1913 sein erstes Atelier in der Richard-Wagner-Straße. Als Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg musste er sein Studium unterbrechen. In der Schlacht um Verdun wurde er durch Granaten schwer verwundet und dienstuntauglich.[3] 1917 setzte er seine Ausbildung fort und bestand noch im selben Jahr sein Staatsexamen als Zeichenlehrer mit Auszeichnung. Ab Herbst 1917 absolvierte er ein zweijähriges Referendariat an einem Gymnasium in Köln-Mülheim.[2]
Im Jahre 1918 heiratete er die Künstlerin Marta Hegemann. Ab 1919 verdiente er seinen Lebensunterhalt als freischaffender Künstler und machte unter anderem Bekanntschaft mit Franz Wilhelm Seiwert, Heinrich Hoerle, Hans Arp und Wilhelm Fick. Mit diesen und anderen gründete er die Gruppe Stupid. Mit den Mitgliedern der Gruppe veranstaltete Anton Räderscheidt in seinem Atelier am Hildeboldplatz Nr. 9 Ausstellungen. 1920 stellte er seine ersten Bilder bei einer öffentlichen Ausstellung aus.
1932 gründete er die ein Jahr später wieder aufgelöste avantgardistische Gruppe 32 mit Seiwert, Hoerle, Davringhausen und Ludwig Egidius Ronig.[4]
1934 folgten ein Studienaufenthalt an der Deutschen Akademie in Rom und die Trennung von Marta Hegemann.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, die die deutsche Moderne als entartet ansahen, wurden die Bilder in den Museen vernichtet oder verkauft. Auch die meisten Bilder von Anton Räderscheidt ereilte dieses Schicksal. Er flüchtete mit seiner neuen Lebensgefährtin Ilse Salberg-Metzger, die Jüdin war, nach Paris und später nach Sanary ins Exil und ließ seine Frau (Marta Hegemann) und die gemeinsamen zwei Söhne in Köln zurück. Im Exil lebte Anton Räderscheidt ständig in der Furcht, dass die Nationalsozialisten auch in Frankreich die Macht übernehmen könnten. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs wurde er als unerwünschter Ausländer im Internierungslager Les Milles festgehalten. Dort traf er auf andere Künstler wie Hans Arp und Wols. Er konnte entkommen und floh 1942 mit seiner neuen Lebensgefährtin Ilse Salberg in die Schweiz. Sein Atelier in Paris wurde geplündert, und wiederum verschwanden viele Bilder.
Nach dem Tode von Ilse Salberg kehrte er 1947 nach Paris zurück. Dort lernte er Gisèle Boucherie (geb. Ribreau) kennen und übersiedelte mit ihr 1949 nach Köln. Sein letztes Atelier hatte er an der Landsbergstraße in der Kölner Altstadt. 1963 heirateten er und Gisèle Boucherie.[2][3]
Aus der Ehe mit Marta Hegemann entstammen zwei Söhne (Johann Paul Ferdinand (* 1919) und Karl-Anton * 1924) und seine Enkelin Maf Räderscheidt, aus der zweiten Ehe mit Gisèle Boucherie die Söhne Vincent Michel (* 1949) und Pascal Antoine (1953–2014).[2]
Anton Räderscheidt erlitt einen Schlaganfall am 24. September 1967, woraufhin er unter einem Neglect (Beeinträchtigte Wahrnehmung einer Seite der Umwelt) litt. In anschließend entstandenen Selbstporträts zeigt sich, wie sich seine Wahrnehmung Stück für Stück wieder vervollständigte.[5] Er verstarb 1970 im Alter von 77 Jahren und wurde auf dem Kölner Südfriedhof im Familiengrab seiner Eltern beigesetzt. 1984 ließ seine Frau Gisèle die Urne des Verstorbenen auf den Melaten-Friedhof umbetten. Im August 2010 wurde seine Grabstätte versehentlich eingeebnet (es sollte eine Grabstätte namens „Radeschadt“ abgeräumt werden), die Urne konnte jedoch geborgen und später auf einen Platz im Weg V umgebettet werden.[6][7] Als seine Frau Gisèle 2016 verstarb, wurde sie im gleichen Abschnitt ein paar Gräber weiter beigesetzt.[8]
Werke (Auswahl)
Einige der vermissten Bilder konnten wiedergefunden werden. Insgesamt umfasst der Nachlass von Anton Räderscheidt um die 1500 Bilder, jedoch sind vor allem aus der bedeutendsten Zeit des Malers viele Bilder verschwunden.
Wiedergefunden
- 1923 – Stilleben mit roter Tulpe
- 1925 – Zitrone mit Wasserglas
- 1926 – Selbstbildnis mit Melone in Landschaft
- 1926 – Stilleben mit Hummer
- 1926 – Turmspringerin (war seit 1933 vermisst)
- 1928 – Paul Multhaupt.
- 1928 – Selbstbildnis, (Öl auf Leinwand, 100×80 cm)
- 1929 – Gertrud Lüttke geb. Curjel
- 1934 – Sonnenblumen/Sunflowers
- 1938 – Portrait von Ilse Salberg
- 1939 – Schwarzes Kind in den großen Armen
- 1939 – Die Witwe
- 1946 – Ölkreide mit Tempera
- 1951 – Blumenstrauß in Moulin Milon
- 1954 – Poitiers
Vermisst
- 1919 – Rosa Luxemburg
Literatur
- Räderscheidt, Anton. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 27: Piermaria–Ramsdell. E. A. Seemann, Leipzig 1933, S. 555.
- Horst Richter: Anton Räderscheidt. Verlag Aurel Bongers, Recklinghausen 1972, ISBN 3-7647-0240-0.
- Günter Herzog: Anton Räderscheidt. DuMont, Köln 1991, ISBN 3-7701-2817-6.
- Ulrich Gerster: "… und die hundertprozentige Frau". Anton Räderscheidt 1925–1930. In: Kritische Berichte. Jg. 20, Nr. 4, 1992, S. 42–63.
- Werner Schäfke, Michael Euler-Schmidt (Hrsg.): Anton Räderscheidt. Ausst.-Kat., Josef-Haubrich-Kunsthalle, Köln. Verlag Locher, Köln 1993, ISBN 3-9801801-6-6.
- Olaf Peters: Räderscheidt, Hubert Anton. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 106 f. (Digitalisat).
- Ulrich Gerster: Dans les coulisses de la ville: Hommes et couples dans la peinture d'Anton Räderscheidt. In: La Ville magique. Ausstellungskatalog, LaM – Lille métropole musée d'art moderne, d'art contemporain et d'art brut. Gallimard, Paris 2012, ISBN 978-2-07- 013893-7, S. 100–103.
- Änne Söll: Der Neue Mann? Männerportraits von Otto Dix, Christian Schad und Anton Räderscheidt: 1914–1930, Wilhelm Fink Paderborn 2016.
- Stephanie Jaeckel: Räderscheidt, Anton. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 98, de Gruyter, Berlin 2018, ISBN 978-3-11-023263-9, S. 362.
- Räderscheidt, Anton Hubert, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, S. 937f.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ulrich S. Soénius (Hrsg.): Kölner Personen-Lexikon. Greven-Verl, Köln 2008, ISBN 978-3-7743-0400-0, S. 433.
- Olaf Peters: Räderscheidt, Hubert Anton. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 106 f. (Digitalisat).
- Eduard Prüssen (Linolschnitte), Werner Schäfke und Günter Henne (Texte): Kölner Köpfe. 1. Auflage. Univ.- und Stadtbibliothek, Köln 2010, ISBN 978-3-931596-53-8, S. 50.
- „Ludwig E. Ronig, Malerei Zeichnung“ Ausstellungskatalog, Führer des Rheinischen Landesmuseums Bonn von Sylvia Böhmer und Gabriele Lueg im Auftrag des Landschaftsverbandes Rheinland 1984, Rheinland-Verlag GmbH, Köln Lithos: Peukert & Co, Köln Druck: B. Kühlen KG, Mönchengladbach ISBN 3-7927-0833-7.
- Neglect: Getrügte Wahrnehmung nach dem Schlafanfall. Abgerufen am 22. April 2017.
- KStA.de vom 5. August 2010 zur Einebnung der Grabstätte, abgerufen am 22. Juli 2016.
- Inge Wozelka: Langer Weg bis zur letzten Ruhe. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 8. Dezember 2019, S. 12.
- Grab von Gisele Boucherie Räderscheidt (1924-2016). In: findagrave.com. Abgerufen am 10. Dezember 2017.