Amoklauf in Heidelberg
Der Amoklauf in Heidelberg war ein Amoklauf, der sich am 24. Januar 2022 in einem Hörsaal der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, Baden-Württemberg, ereignete. Dabei wurden eine 23-jährige Studentin getötet und drei weitere Studierende verletzt.[1][2]
Tathergang
Der Täter trat gegen 12:20 Uhr mit einer Doppelflinte (Modell Churchill 512 des türkischen Herstellers Akkar[3]), einem Unterhebelrepetierer (Modell 1892 des italienischen Produzenten Chiappa[4]) und über 100 Schuss Munition bewaffnet in ein laufendes Tutorium für organische Chemie im Hörsaal des Gebäudes INF 360 am Campus Im Neuenheimer Feld der Universität ein. Im Hörsaal befanden sich zu diesem Zeitpunkt 30 Studierende des Erstsemesters. Kurz zuvor hatte er die Tat in einer WhatsApp-Nachricht an seinen Vater angekündigt und darin geäußert, dass „Leute jetzt bestraft werden müssen“ und dass er sich statt einer herkömmlichen Beerdigung eine Seebestattung wünsche, sagte Siegfried Kollmar, Präsident des Polizeipräsidiums Mannheim.[5][6][7] Der Täter eröffnete das Feuer auf mehrere dort versammelte Studierende. Gegen 12:24 Uhr gingen innerhalb von 43 Sekunden sieben Notrufe bei der Polizeinotrufzentrale ein.[8][5][9] Durch einen Schuss in den Kopf wurde eine 23-jährige Studentin tödlich verletzt. Drei weitere Studierende wurden leicht verletzt. Weitere Studierende machten unterdessen über WhatsApp-Gruppen auf die Schießerei aufmerksam und forderten darin auf, dass alle in die Gebäude gehen sollten, während im Universitätsgebäude selbst alle Türen der Vorlesungssäle von innen verschlossen wurden.[10] Um 12:30 Uhr waren die ersten drei Polizeistreifen vor Ort.[11] Der Vater des Täters alarmierte nach Erhalt der WhatsApp-Nachricht um 12:32 Uhr das Polizeirevier Heidelberg-Mitte.[12][13]
Der Täter flüchtete, nachdem er insgesamt drei Schüsse abgegeben hatte,[14] mit seinem Rucksack in den Außenbereich, bevor um 12:43 Uhr bewaffnete Einsatzkräfte den Hörsaal erreichten.[11] Er tötete sich selbst im Botanischen Garten des Campus am Neuenheimer Feld, in dem er um 12:51 Uhr tot aufgefunden wurde.[1][11]
Die Polizei veröffentlichte bisher keine Angaben zur Motivation des Täters.[10]
Opfer
Eine 23-jährige Studentin, die durch einen Kopfschuss schwer verletzt wurde, erlag am selben Tag ihren Verletzungen. Sie wurde in Landau in der Pfalz geboren, besuchte dort die Schule und machte auch dort ihr Abitur. Zuletzt wohnte sie in Heidelberg.[15][16][17] Drei weitere Studierende, eine 19- und eine 20-jährige Frau und ein 20-jähriger Mann, wurden nach leichten Verletzungen durch die Schüsse im Krankenhaus behandelt und bis zum Folgetag entlassen.[2]
Täter
Bei dem Täter handelte es sich um den aus Berlin-Wilmersdorf stammenden 18-jährigen Nikolai G.,[18] Student der Biowissenschaften im ersten Semester, der zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten war und zurückgezogen in einer einfachen Studentenwohnung in Mannheim lebte.[12][19] In seiner Jugendzeit hatte er an paranoider Schizophrenie und Anpassungsstörungen gelitten.[20] Die Tatwaffen (eine Doppelflinte und eine Repetierwaffe) hatte der Täter wenige Tage vor der Tat bei einem Händler in Wien unter den Angaben besorgt, einen Jagdschein machen zu wollen.[20][21] Neben den zwei am Tatort sichergestellten Waffen fand die österreichische Polizei eine dritte Waffe in einem bei seinem Aufenthalt in Österreich angemieteten Zimmer. Die dritte Waffe wurde von einer Privatperson verkauft.[22] Er besaß keine waffenrechtlichen Erlaubnisse (Waffenbesitzkarte oder Waffenschein). Waffen der Kategorie C sind in Österreich an Volljährige frei verkäuflich.[23]
Die Veranstaltung im Hörsaal war ein Tutorium des Studiengangs des Täters, gehörte aber nicht zu dessen Lehrveranstaltungen.[5] Die Wohnung des Täters wurde kurze Zeit nach der Tat durchsucht und es wurden Beweismittel sichergestellt. In einem Rucksack hatte der Mann Kaufbelege für zwei Waffen und rund 150 Schuss Munition bei sich.[24][25]
Reaktionen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach einer Konferenz mit den Ministerpräsidenten in Berlin: „Es zerreißt mir das Herz, solch eine Nachricht zu erfahren“.[26]
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) drückte nach der Konferenz seine Betroffenheit aus, er stehe an der Seite aller Familien und Angehörigen. „Unsere Polizei ermittelt unter Hochdruck und tut alles dafür, um die Hintergründe der Tat schnell aufzuklären“.[27]
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte: „Geschehnisse wie heute in Heidelberg lassen uns stets geschockt und ratlos zurück, das Unverständnis dominiert die ersten Stunden. Wir wurden heute mit einer schrecklichen und sinnlosen Gewalttat konfrontiert, bei der ein junger Mann mehrere Menschen in einem Gebäude der Universität mit einer Schusswaffe verletzte und sich anschließend selbst richtete.“[28]
Heidelbergs Oberbürgermeister, Eckart Würzner (parteilos) sagte: „Auf diesem Campus schlägt das Herz der Wissenschaftsstadt Heidelberg. Menschen aus aller Welt studieren, forschen und arbeiten dort an Lösungen für eine bessere Zukunft. Dass in diese Welt ein Gewalttäter eindringt und Menschen schwer verletzt, macht mich und unsere ganze Stadtgesellschaft fassungslos“.[29]
Opferschutzverbände und Kirchen bieten für Verletzte, Angehörige und Zeugen der Tat entsprechende Hilfsangebote an. Innenminister Strobl warb dafür, diese Angebote anzunehmen.[10]
Gedenkfeier
Mit einer Trauerfeier in der Peterskirche in Heidelberg und einer Schweigeminute hatte die Universität Heidelberg eine Woche nach dem Amoklauf der Opfer gedacht. Zum Gedenken an die getötete 23-jährige Studentin und an ihre drei verletzten Kommilitonen waren die Menschen aufgerufen, um 12.24 Uhr für eine Minute innezuhalten.[30] „Unsere Seelen sind wund“, sagte Universitätsprediger Helmut Schwier und rief alle, „die hier mit uns medial verbunden sind“, zum Zusammenhalt auf. Die Studierenden hatten sich die Gedenkveranstaltung mit 250 Menschen in der Peterskirche ausdrücklich gewünscht.[31]
Einzelnachweise
- Attacke in Heidelberg – junge Frau stirbt nach Kopfschuss. In: Spiegel Online. 24. Januar 2022, abgerufen am 24. Januar 2022.
- Die Frage nach dem Warum. In: Tagesschau. Norddeutscher Rundfunk, 25. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Eric Beres, Kai Laufen: Mutmaßlicher Amoklauf in Heidelberg: Was wir über die Waffen wissen. In: SWR Aktuell. Südwestrundfunk (SWR), 25. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- S. W. R. Aktuell, S. W. R. Aktuell: Mutmaßlicher Amoklauf in Heidelberg: Was wir über die Waffen wissen. Abgerufen am 29. Januar 2022.
- Heidelberg: Angreifer soll Waffen kurz zuvor im Ausland gekauft haben. In: Der Spiegel. 24. Januar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 24. Januar 2022]).
- Tagesschau, ARD, 24. Januar 2022 (Sendung um 20 Uhr)
- Heidelberg: WhatsApp vor Amoklauf – Mutmaßlicher Täter (†18) wollte „Leute bestrafen“. In: Heidelberg24. Headline24 GmbH & Co. KG, abgerufen am 24. Januar 2022.
- Newsblog zum Amoklauf in Heidelberg. In: Stuttgarter Nachrichten. Stuttgarter Nachrichten Verlagsgesellschaft mbH, 24. Januar 2022, abgerufen am 24. Januar 2022.
- Mitarbeiter von Forschungszentrum entkamen Schützen nur knapp. In: stuttgarter-nachrichten.de. Stuttgarter Nachrichten Verlagsgesellschaft mbH, 25. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Björn Widmann, Katrin Stöver-Böhm, Laura Bisch: Mutmaßlicher Amoklauf in Heidelberg: „Hilfe – hier ist ein Attentäter!“ In: swr3.de. Südwestrundfunk (SWR), 26. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Sarah Hinney: Um 12.24 Uhr erreichten die Polizei sieben Notrufe in 43 Sekunden. Rhein-Neckar-Zeitung, 25. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Daniel Hinz, Rüdiger Soldt: Amoklauf von Heidelberg: „Leute müssen bestraft werden“. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 25. Januar 2022]).
- Amoklauf an Universität: Vater von Heidelberger Tatverdächtigem meldete sich bei Polizei. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 25. Januar 2022]).
- Amoklauf: „Wir werden sein Umfeld durchleuchten“. In: Tagesschau. Norddeutscher Rundfunk (NDR), abgerufen am 26. Januar 2022.
- Bei mutmaßlichem Amoklauf in Heidelberg getötete Studentin kommt aus der Südpfalz. In: SWR aktuell. Südwestrundfunk, 25. Januar 2022, abgerufen am 28. Januar 2022.
- Heidelberger Amoklauf: Polizei ermittelt die Waffenverkäufer. Zeit online, 26. Januar 2022, abgerufen am 28. Januar 2022.
- Bei mutmaßlichem Amoklauf in Heidelberg getötete Studentin kommt aus der Südpfalz. In: SWR Aktuell. Südwestrundfunk, 27. Januar 2022, abgerufen am 27. Januar 2022.
Junge Frau stirbt nach Amoklauf in Heidelberg. In: Tagesschau. Norddeutscher Rundfunk, 24. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022. - Frank Jansen: Amokläufer an Heidelberger Uni war früher Neonazi. In: Der Tagesspiegel Online. 26. Januar 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 26. Januar 2022]).
- Ibrahim Naber: Täter von Heidelberg kaufte Waffen in Österreich. welt.de, 26. Januar 2022, abgerufen am 27. Januar 2022.
- Wolf Wiedmann-Schmidt, Birte Bredow, Julia Jüttner, Sven Röbel: (S+) Was ist über den Täter von Heidelberg bekannt? In: Der Spiegel. 26. Januar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 27. Januar 2022]).
- Staatsanwaltschaft: Täter von Heidelberg kaufte Waffen in Österreich, Motiv weiter unklar. In: SWR Aktuell. Südwestrundfunk (SWR), abgerufen am 26. Januar 2022.
- Amokläufer kaufte Waffen in Österreich. In: Süddeutsche Zeitung. Süddeutsche Zeitung GmbH, 26. Januar 2022, abgerufen am 27. Januar 2022.
- Ibrahim Naber: Tödlicher Angriff an Heidelberger Universität: Waffen aus Österreich. In: DIE WELT. 26. Januar 2022 (welt.de [abgerufen am 29. Januar 2022]).
- Amoklauf: „Wir werden sein Umfeld durchleuchten“. In: Tagesschau. Norddeutscher Rundfunk (NDR), 25. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Staatsanwaltschaft: Täter von Heidelberg kaufte Waffen in Österreich, Motiv weiter unklar. In: SWR Aktuell. Südwestrundfunk (SWR), abgerufen am 26. Januar 2022.
- Kriminalität: Scholz zu Amoklauf in Heidelberg: Es zerreißt mir das Herz. In: zeit.de. Zeit Online GmbH, 24. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- 18-Jähriger erschießt in Heidelberg eine junge Frau und sich selbst - drei weitere Personen verletzt. In: SWR Aktuell. Südwestrundfunk (SWR), 24. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Amoklauf an der Universität von Heidelberg. In: stm.baden-wuerttemberg.de. Staatsministerium Baden-Württemberg, 24. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- Daniel Hagen: Heidelberg: Reaktionen zu Amoktat auf Uni-Campus – „Mein Herz blutet“. In: heidelberg24.de. Headline24 GmbH & Co. KG, 26. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
- stuttgarter-zeitung.de: Trauerfeier für Opfer des Amoklaufes. 31. Januar 2022, abgerufen am 1. Februar 2022.
- zdf.de: Uni Heidelberg erinnert an Amoklauf Opfer. 31. Januar 2022, abgerufen am 1. Februar 2022.