Amokfahrt auf der Berliner Stadtautobahn
Bei der Amokfahrt auf der Berliner Stadtautobahn am Abend des 18. August 2020 befuhr ein Tatverdächtiger mit einem Personenkraftwagen die Bundesautobahn 100 und verursachte dabei mutwillig mehrere Kollisionen.
Ermittlungen
Hergang
Der Tatverdächtige verursachte mit seinem Pkw Kollisionen mit zwei Motorrädern, einem Motorroller und einem Pkw.[1][2][3][4][5] Nach der letzten Kollision konnte das Tatfahrzeug aufgrund der Verkeilung mit einem Motorrad seine Fahrt in der Autobahnausfahrt Alboinstraße im Ortsteil Tempelhof nicht fortsetzen, woraufhin der Fahrer ausstieg und auf der Fahrbahn einen Gebetsteppich ausrollte. Beim Eintreffen der Polizei drohte er damit, Gegenstände in einer mitgeführten Metallkiste zur Explosion zu bringen. Der Inhalt der Kiste stellte sich aber später als ungefährlich heraus. Beim Tatgeschehen wurden sechs Personen verletzt, drei davon schwer.[6][7]
Tatverdächtiger
Nach Polizeiangaben handelt es sich bei dem Fahrer um den 30-jährigen irakischen Staatsbürger Sarmad al-Z.,[8] der wegen Delikten wie Körperverletzung polizeibekannt war, jedoch nicht im Staatsschutz-relevanten Bereich.[9] Al-Z. wurde 1990 in Bagdad geboren.[10] Der 2015 in einem Asylbewerberheim im südfinnischen Vantaa wohnende, Anfang 2016 nach Deutschland eingewanderte abgelehnte Asylbewerber mit einer Duldung bis Dezember 2020[11] unterhielt in einem Flüchtlingsheim in Treptow-Köpenick, in dem er bis Oktober 2019 lebte, Kontakte zu einem radikalislamistischen Gefährder.[10] Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in mindestens drei Fällen. Auch wird ermittelt, inwiefern er die Behörden bei der Einreise nach Deutschland über seine Identität getäuscht hat.[12]
Im Verdacht steht aufgrund von Äußerungen nach der Tat sowie auf der Facebook-Seite des Täters auch eine islamistische Motivation.[10][13] „Nach derzeitigen Erkenntnissen ist es ein islamistisch motivierter Anschlag gewesen“, sagte ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Die für Terrorismus zuständige Generalbundesanwaltschaft lehnte die Übernahme des Falls aber bisher ab.[13]
Ein Haftrichter entschied am 19. August 2020 die vorläufige Unterbringung im Maßregelvollzug des Haftkrankenhauses, wo er psychiatrisch behandelt wird.[10][14][15] Eine Polizeiärztin ging bei einer ersten Untersuchung nicht von einer Schuldunfähigkeit aus, der Täter habe „klar“ gewirkt. Bei einer weiteren ärztlichen Begutachtung seien psychische Auffälligkeiten festgestellt worden, trotz derer aber laut der Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers gezieltes Verhalten möglich sei.[9]
Reaktionen
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigte sich angesichts der Tat bestürzt. Laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) präsentierte sich der Täter „religiös aufgeladen, kombiniert mit möglichen psychischen Problemen“.[11] CDU sowie AfD übten Kritik an dem „Versagen der Landesregierung im Kampf gegen Extremisten“.[11] Dies wiederum wurde von der SPD kritisiert, da der Verdächtige weder als Extremist bekannt ist und auch seine Abschiebung wegen der Art der Delikte und dem Kontakt zu einem Gefährder nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht möglich gewesen sei. Der Extremismusexperte des RBB Jo Goll äußerte, dass „das Vorgehen des Täters nicht so wirke, als habe er eine ausgefeilte Planung für die Tat gehabt. Der Polizei und den Sicherheitsbehörden könne man vermutlich nicht vorwerfen, den Mann nicht besser überwacht zu haben.“[16] Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der thüringische Innenminister Georg Maier (SPD) warnte angesichts der Tat davor, islamistischen Terror zu unterschätzen und mahnte, die Bedrohung durch Extremismus weiter ernst zu nehmen. Der „hinterhältige Angriff“ verdeutliche, dass die „Gefahr durch religiös motivierten Terror nicht unterschätzt“ werden dürfe. Das frühzeitige Erkennen von Radikalisierungen sei eine Herausforderung für die Behörden.[17] Als mutmaßlich islamistisch motivierter Anschlag wurde die Tat von konservativen Kreisen auch in Verbindung mit der deutschen Migrationspolitik gebracht; die Zeitung Die Welt hinterfragte, warum der Täter eine Duldung erhalten hatte.[18]
Die Berliner Bischöfe Christian Stäblein und Heiner Koch verurteilten die „offenbar bewusst herbeigeführten Unfälle“ und sprachen den Opfern ihr Mitgefühl aus. Zudem forderten sie, Religion nicht als Begründung für Gewalt zu missbrauchen.[19]
Einzelnachweise
- Tatverdächtiger kommt in Psychiatrie. Auf: tagesschau.de
- Ermittler vermuten islamistisches Motiv bei A100-Kollisionen. In: rbb24. Abgerufen am 19. August 2020.
- Fahrer nach Berliner Autobahn-Anschlag in Psychiatrie. In: Der Tagesspiegel. Abgerufen am 19. August 2020.
- Berlin motorcyclists 'targeted in terror attack'. In: BBC News. 19. August 2020 (bbc.com [abgerufen am 19. August 2020]).
- Berlin motorway crashes are a 'suspected Islamist act,' say prosecutors. Bei: cnn.com, abgerufen 20. August 2020
- Berliner Stadtautobahn: Ermittler gehen von islamistischem Anschlag aus. In: tagesschau.de. Abgerufen am 19. August 2020.
- Staatsanwaltschaft spricht von „regelrechter Jagd auf Motorradfahrer“. In: rbb24. Abgerufen am 19. August 2020.
- Ermittler vermuten islamistisches Motiv bei A100-Kollisionen. In: rbb24. Abgerufen am 19. August 2020.
- Behörden hatten Angreifer von Autobahn „nicht auf dem Radar“. Bei: Zeit Online, abgerufen am 20. August 2020
- Sarmad A. – zwischen Fanatismus und psychischer Störung. Abgerufen am 19. August 2020.
- CDU und AfD kritisieren Senat nach Anschlag auf A100. Bei: rbb24|.de, abgerufen 20. August 2020
- Autobahn-Anschlag: Stammt Sarmad A. wirklich aus dem Irak? Bei: morgenpost.de, 22. August 2020, abgerufen 25. August 2020
- Mann verursacht Unfälle auf Stadtautobahn in Berlin., Bei: augsburger-allgemeine.de
- Islamistischer Anschlag auf A100: Iraker kommt in die Psychiatrie. In: Berliner Zeitung. Abgerufen am 19. August 2020 (deutsch).
- A100 Berlin: Mann macht „Jagd auf Motorradfahrer“ – Tatverdächtiger in Psychiatrie. In: Die Welt. 19. August 2020 (welt.de [abgerufen am 19. August 2020]).
- SPD weist Kritik am Senat nach Anschlag auf A100 zurück. Bei: rbb24.de
- IMK-Vorsitzender Maier warnt davor, islamistischen Terror zu unterschätzen. Bei: deutschlandfunk.de, abgerufen 21. August 2020
- Diese Schwächen der Migrationspolitik ermöglichten Anschlag in Berlin. In: Die Welt, 25. August 2020, abgerufen 25. August 2020
- Bischöfe: Religion nicht als Gewalt-Begründung missbrauchen. Bei: berlin.de, abgerufen 20. August 2020