Altes Rathaus (München)
Das Alte Rathaus am Marienplatz ist ein Repräsentationsgebäude der Stadtverwaltung in der Münchner Altstadt. Es wurde von 1470 bis 1475 durch Jörg von Halsbach im spätgotischen Stil erbaut und war bis 1874 Sitz des Münchner Magistrats.
Lage
Das Alte Rathaus schließt den Marienplatz nach Osten ab und trennt ihn von der Straße Tal am ehemaligen Graben der so genannten „leonischen Stadtbefestigung“ Heinrichs des Löwen.
Geschichte
Das Alte Rathaus ist ein Nachfolgebau des 1310 zum ersten Mal urkundlich erwähnten Münchner Rathauses, das wegen der Stadtbefestigung, die damals noch am Marienplatz endete, weiter westlich stand, aber bereits den östlichen Abschluss des zentralen Münchner Platzes bildete. Bereits um 1392/94 erhielt dieser Bau einen großen Saal, auch wurde das Talburgtor der ersten Stadtmauer, das ursprünglich Unteres Tor genannt wurde, zum Rathausturm umgebaut.
Der ehemalige Fest- und Tanzsaal
1460 fiel der gesamte Komplex, von dem eine sehr gute Beschreibung existiert, aber keine Abbildungen bekannt sind, einem Blitzschlag zum Opfer. 1470 bis 1480 erbaute Dombaumeister Jörg von Halsbach, genannt „Ganghofer“, sein spätgotisches Rathaus. Untergebracht wurde dabei im Keller das Stadtgefängnis (Fronhaus) und im Erdgeschoss das Brothaus. Der Giebel zum Markt hatte auch vor dem frühbarocken Umbau (s. u.) sehr wenige sehr große Stufen.
Der erste Stock wurde als zentraler Raum zu einem Fest- und Tanzsaal ausgebaut. Der Saalbau, dessen spätgotischer Raum mit einem Tonnengewölbe von Hans Wengler von 1476 zu den architektonischen Meisterleistungen der Münchner Gotik gehörte, wurde von Erasmus Grasser mit Wappen des Hauses Wittelsbach geschmückt. Im Zentrum erscheint dabei der doppelköpfige Reichsadler. Der umgebende Strahlenkranz stand in kosmischem Bezug zu Sonne und Mond, jeweils am Saalende. Ein gemalter Wappenfries an der Nord- und Südseite des Saales stellte „die Ordnungs- und Herrschaftsmächte der Welt“ zu dieser Zeit dar.[1] Besonders erwähnenswert sind jedoch die von Grasser geschaffenen „Moriskentänzer“, welche den im 15. Jahrhundert sehr beliebten Tanz darstellten. Heute befinden sich nur noch Kopien im Festsaal, die Originale sind einer der kostbarsten Besitztümer des Münchner Stadtmuseums.[2] Genutzt wurde der Rathaussaal neben den bürgerschaftlichen Ereignissen auch als Repräsentationsort der Landesherrschaft.
Weitere Veränderungen
Das Alte Rathaus erfuhr im Laufe der Jahrhunderte mehrere Umgestaltungen, die dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprangen: 1624~1626 wurde die Fassade barockisiert, der Rathausturm erhielt eine Zwiebelkuppel. 1778/79 veränderte Augustin Demmel die Westfassade im Stil des Spätbarock (H. Habel: „Louis XIV“), Arnold Zenetti regotisierte das Rathaus 1861 bis 1864 dann wieder im Sinne des Historismus. Der damals entstandene neugotische Zinnengiebel mit vielen Stufen entspricht nicht der Darstellung des ursprünglichen gotischen Giebels im Volckmer-Plan von 1613. Der Saal Ganghofers blieb dabei immer unangetastet.[3]
Nachdem die Stadtverwaltung 1874 in den ersten Bauabschnitt des Neuen Rathauses umgezogen war und das nunmehr Altes Rathaus genannte Gebäude vor allem zu repräsentativen Anlässen genutzt wurde, wurde im Erdgeschoss eine Durchfahrt zum Tal mit einer separaten Fußgängerpassage durchgebrochen. 1934/35 wurde die heutige Durchfahrt in Formen des gotischen Baustils über das ganze Erdgeschoss hin ausgedehnt, was die Parterrezone endgültig zerstörte.
- Ansicht von 1853
- Spätes 19. Jh.
- Fotografie von 1901
Nationalsozialismus, Krieg und Wiederaufbau
Während des Zweiten Weltkrieges war das Alte Rathaus besonders betroffen. Der Turm des Alten Rathauses wurde im Dezember 1944 gesprengt, nachdem bei einem Bombenangriff am 25. April 1944 das Alte Rathaus insgesamt schwer beschädigt worden war und für den Rathausturm Einsturzgefahr bestand.[4] Der Wiederaufbau erfolgte dann in zwei Phasen: 1953 bis 1958 wurde der Saalbau des Alten Rathauses wiederaufgebaut, wobei der Ganghofer'sche Saal das Kernstück des Wiederaufbaus war. Der Ratssaal wurde erst 1977 rekonstruiert. In der Fassadengestaltung orientierten sich die Denkmalschützer am gotischen Original; so wurde das Hauptfenster wieder höher; die neugotischen Elemente, vor allem die Statuen Ludwigs des Bayern (Westfassade) und Heinrichs des Löwen (Ostfassade) und die Giebelgestaltung blieben erhalten.
Lange wurde in der Öffentlichkeit über einen möglichen Wiederaufbau des Talburgturmes diskutiert, schließlich rekonstruierte Erwin Schleich 1971 bis 1974 den 56 Meter hohen Alten Rathausturm nach dem gotischen Original von 1493. Im Oktogon der Turmspitze hängt eine Bronzeglocke der Erdinger Glockengießerei mit Schlagton d1, die zu jeder halben und vollen Stunde geschlagen wird.
Vollständig ein Opfer des Krieges wurde das sogenannte Kleine Rathaus, ein aus dem Mittelalter stammender verwinkelter Anbau an den Turm, der neugotisch umgestaltet worden war und verzierte Giebel und Kamine aufwies.
- Kleines Rathaus (1900)
- Aufnahme kurz nach Kriegsende
- Ansicht von 1965
Historische Ereignisse im Alten Rathaus
Unter anderem fanden folgende wichtige historische Ereignisse statt:
- 1677 Tagungsort des Bayerischen Landtages
- 1848 Wahl der Münchner Abgeordneten für die Frankfurter Nationalversammlung
- 9. November 1938: Rede von Joseph Goebbels, die als Auftakt der Reichspogromnacht gilt.
Funktionen
Der gotische Saal des Alten Rathauses ist heute Repräsentationsort des Stadtrates und des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt. So werden Auszeichnungen wie die Medaille „München leuchtet“ im Alten Rathaus verliehen. Aber auch für private Zwecke kann der Saal angemietet werden.
Spielzeugmuseum
Der Turm des Alten Rathauses beherbergt das Spielzeugmuseum mit der hier seit 1983 untergebrachten Sammlung Ivan Steigers. In diesem Privatmuseum[5] sind Holz- und Blechspielzeug, Puppen (darunter auch Barbie-Puppen), Teddybären, Eisenbahnen und Dampfmaschinen zu besichtigen. Das Museum ist ein Familienbetrieb, das seit 2020 von Ivan Steigers Tochter, Helena Steiger, weitergeführt wird[6]. Die Familie betreibt auch in Prag ein Spielzeugmuseum[7].
Bedeutende Werke
- Ratssaal (Jörg von Halsbach, 1470–1480) mit
- Schnitzarbeiten der Holztonnendecke (Hans Wenger, 1476/77)
- Wappenfries (99 Stadtwappen) in der Kämpferzone des Gewölbes (Ulrich Fuetrer)
- Moriskentänzer (ursprünglich für den Ballsaal des Alten Rathauses von Erasmus Grasser, um 1480) (Kopien, Originale im Münchner Stadtmuseum)
- Statue Ludwigs des Bayern (Konrad Knoll)
- Statue Heinrichs des Löwen (Konrad Knoll)
Literatur
- Heinrich Habel, Johannes Hallinger, Timm Weski: Landeshauptstadt München – Mitte (= Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]: Denkmäler in Bayern. Band I.2/1). Karl M. Lipp Verlag, München 2009, ISBN 978-3-87490-586-2, S. 556–564.
- Klaus Gallas: München. Von der welfischen Gründung Heinrichs des Löwen bis zur Gegenwart: Kunst, Kultur, Geschichte. DuMont, Köln 1979, ISBN 3-7701-1094-3 (DuMont-Dokumente: DuMont-Kunst-Reiseführer).
- LH München (Hrsg.): Neues und Altes Münchner Rathaus
- Münchner Stadtmuseum: Die Moriskentänzer
Weblinks
Einzelnachweise
- Vgl. dazu LH München, S. 45 bzw. Stadtmuseum München: „Der weltumspannende Horizont des ehemals kaiserlichen und jetzt neu artikulierten Machtanspruchs wurde durch einen Fries von knapp hundert zusätzlichen Wappen abgesteckt“.
- Vgl. dazu LH München, S. 44f
- Heinrich Habel: Denkmaltopographie der Stadt München
- Stadtreparatur Altes Rathaus: Fotografie vom 27. April 1944 und Text (Memento des Originals vom 10. März 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- http://www.spielzeugmuseummuenchen.de Spielzeugmuseum im Alten Rathausturm
- Theresa Parstorfer: Im Kinderparadies, in: Süddeutsche Zeitung vom 30. Januar 2020, R6
- http://www.ivansteiger.de/czech/ Homepage Spielzeugmuseum in Prag