Alte Tonhalle
Beschreibung
Im Jahre 1818 erfolgte das erste Niederrheinische Musikfest, konstituiert durch den Städtischen Musikverein, im Geisler’schen Lokal, das ab 1830 zum Zentrum der Musikliebhaber wurde. Es war eine Gaststätte mit einem großen Holzsaal, die bereits vorher als Beckers Gartenlokal bekannt war. Im Geislerschen Saal lagen die Zuschauerzahlen im Jahre 1850 bei nahezu 1000 Besuchern.[1] Im Jahre 1863 erwarb die Stadt das Lokal, das schon damals Tonhalle genannt wurde.[2]
Bekannte Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Norbert Burgmüller, Ferdinand Hiller, Julius Rietz, Ferdinand Ries und Robert Schumann musizierten dort. Joseph Joachim und Jenny Lind wirkten hier an Konzerten mit. Franz Liszt, Johannes Brahms und viele große Künstler des 19. Jahrhunderts feierten hier große Erfolge. Mendelssohns Paulus im Jahre 1836 und Schumanns Der Rose Pilgerfahrt und Requiem für Mignon von 1849 wurden hier unter anderen uraufgeführt. Im Dezember 1912 fand mit 1000 Mitwirkenden die zweite Aufführung der 8. Sinfonie von Gustav Mahler, nach der Münchner Uraufführung im September 1910, statt.[3]
Die erste städtische Tonhalle wurde in zweijähriger Bauzeit erschaffen und im Jahre 1865 eröffnet. Sie befand sich am Flinger Steinweg, der heutigen Schadowstraße.[4] Das Gebäude verfügte über einen großen Konzertsaal, den Kaisersaal, der 42,48 m lang und 24,20 m breit war. Mit zwei Galerien fasste dieser Raum 2820 Personen. Der Saal, den eine gute Akustik auszeichnete, wurde nach Kaiser Wilhelm I. benannt, zu dessen Ehren von den Rheinischen Provinzialständen anlässlich seiner Visite am 18. September 1884 in der Tonhalle ein Festessen gegeben wurde.
Im Jahre 1886 wurde ein Wettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben, bei dem die Entwürfe der Architekten Hermann vom Endt und Bruno Schmitz im Stil der Neo-Renaissance ausgezeichnet wurden. Die Stadtbaumeister Eberhard Westhofen und Peiffhoven planten später auf der Grundlage dieser Neubaupläne eine Erweiterung, die von 1889 bis 1892 umgesetzt wurde. Der zentrale Eingangsbereich des Gebäudes wurde durch eine klassizistische Portikusanlage betont. Aus diesem Bausegment stammt eine Säule, die Helmut Hentrich als Erinnerung an den traditionsreichen Ort Düsseldorfer Musik und Festkultur im Malkastenpark aufstellen ließ. Der Kaisersaal, der Rittersaal, der Verbindungssaal und eine große Vielzahl von repräsentativen Nebenräumen blieben hierbei erhalten. 1901 wurden der Kaisersaal von dem Stadtbaurat Peiffhoven und dem Beigeordneten Johannes Radke mit neuer Stuckatur versehen. Den Rittersaal stattete in diesem Zuge die Firma Hemming & Witte mit Deckengemälden aus. Der Mittelteil der Hauptfassade zeigte vier Säulen, gekrönt von einem Dreiecksgiebel.
Der Gebäudekomplex war beim Ausbau bis an die Schadowstraße 91 vorgezogen worden.[5] Der Bau umfasste nun neben den übernommenen Konzertsälen auch neue Gesellschaftsräume, Ladenlokale und Restaurants. In dem Bau hielten die Düsseldorfer Karnevalsvereine ihre Sitzungen ab, der Künstlerverein Malkasten feierte hier seinen Maskenball. Neben den wöchentlichen Symphoniekonzerten, erfolgten dort auch Tagungen von Wirtschaftsverbänden, Vorträge, Wohltätigkeitsbasare und Karnevalsbälle. Auf einem „Kohlentag“, den die Montanindustrie 1871 in der Tonhalle abhielt, rief William Thomas Mulvany den „Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen“ ins Leben, womit ein Grundstein für die Entwicklung der wirtschaftlichen Interessenvertretung in Westdeutschland und für die Entwicklung Düsseldorfs zum „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ gelegt wurde.[6]
Das Gebäude wurde 1942 durch Bomben beschädigt und später abgebrochen. Die Stadt veräußerte das Tonhallengelände Anfang der 1950er Jahre an die Karstadt AG[7], welche an derselben Stelle den Warenhausneubau nach Plänen des Architekten Philipp Schaefer erbauen ließ. Die Fortsetzung der Jacobistraße nach Süden heißt heute noch Tonhallenstraße.
Einzelnachweise
- Volker Frech: Lebende Bilder und Musik am Beispiel der Düsseldorfer Kultur. diplom.de, 1999, ISBN 3-8386306-2-9.
- Ur- und Erstaufführungen von Chorwerken von 1818 bis heute: 1818 Düsseldorf-Jansens Garten; 1830 Beckerscher Gartensaal; 1852 Tonhalle Geislerscher Gartensaal; 1864 Tonhalle Neuer Saal; 1872 Tonhalle Kaisersaal, zuletzt 1942, auf Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e. V., abgerufen am 19. Februar 2016
- Die erste Tonhalle von 1818 bis zur Zerstörung zum Ende des zweiten Weltkrieges, auf http://musikverein-duesseldorf.de, abgerufen am 25. Juli 2016
- Städtische Tonhalle (ehemaliger Geislerscher Garten). Schadowstr. 89–93, in Adreßbuch der Oberbürgermeisterei Düsseldorf, II. Oeffentliche Behörden, Privat-Unternehmungen, Vereine, zusammengestellt am 1. Juli 1865, S. 195
- Städtische Tonhalle, 1895, in Neuer illustrierter Führer durch Düsseldorf und Umgebung, 1895/96, S. 24
- Hugo Weidenhaupt: Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf. 9. Auflage. Triltsch Verlag, Düsseldorf 1983, S. 121.
- Grundstücksverkauf des Tonhallengeländes an die Firma Karstadt AG, in Verwaltungsbericht der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 1. April 1949 bis zum 31. März 1951, II. Finanzwesen
Literatur
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Düsseldorf (Hrsg.): Düsseldorf und seine Bauten. L. Schwann, Düsseldorf 1904, S. 287–290.
- Hugo Weidenhaupt: Mit Jansens Garten fing es an. Vom Ausflugslokal zur ersten Tonhalle. In: Hugo Weidenhaupt: Aus Düsseldorfs Vergangenheit. Düsseldorf 1988.
- Boris Becker: Düsseldorf in frühen Photographien 1855–1914. Schirmer / Mosel, München 1990, Tafeln 114 und 115.
- Michael Brockerhof: Düsseldorf wie es war. Droste-Verlag, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-7700-1277-0, S. 128 f.