Alison Hargreaves
Alison Jane Hargreaves (* 17. Februar 1962 in Mickleover, Derbyshire; † 13. August 1995 am K2) war eine schottische Extrembergsteigerin.
Alison Hargreaves wurde vor allem durch ihre ohne zusätzlichen Sauerstoff erfolgte Besteigung des Mount Everests im Jahr 1995 bekannt und erregte Aufsehen durch spektakuläre Solo-Klettereien, die sie auch schwanger durchführte. Insbesondere ethische Diskussionen, etwa bezüglich der Verpflichtungen und Risiken, die sie als bergsteigende Mutter trug, wurden durch ihre Touren angestoßen. Alison Hargreaves kam 1995 auf dem Höhepunkt ihrer alpinistischen Karriere beim Versuch ums Leben, die drei höchsten Berge der Welt innerhalb einer Saison zu besteigen. Sie hinterließ ihren Ehemann Jim Ballard und zwei Kinder.
Alpinistische Leistungen
Jahr | Berg | Route | Partner | Anmerkung |
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1983 | Aiguille du Midi | Frondo Ausläufer | Ian Parsons | Beginn des intensiven Bergsteigens |
1984 | Mont Blanc du Tacul | Supercoloir | Ian Parsons | Eisklettern |
1984 | Aiguille de Triolet und Les Courtes | Nordwand | Ian Parsons | |
1984 | Matterhorn | Nordwand | Ian Parsons | |
1985 | Grandes Jorasses | Nordwand | Ian Parsons | |
1986 | Lobuche | Normalroute zur Akklimatisation für den Kangtega | Jeff Lowe, Tom Frost und Mark Twight | 1. Expedition in den Himalaya |
1986 | Kangtega | Nord-West | Mark Twight | Erstbegehung der Route |
1987 | Ama Dablam | Normalroute | Steve Aisthorpe | 2. Expedition in den Himalaya, Abbruch wegen Schlechtwetter |
1988 | Eiger | Nordwand | Steve Aisthorpe | Während der Schwangerschaft (6. Monat) |
1989 | Les Droites | Nordwand | Steve Aisthorpe | |
1990 | Trango-Türme Nameless Tower | Jeff Lowe und Catherine Destivelle | David Breashears filmt den Aufstieg | |
1992 | Matterhorn | Hörnligrat | Solo | Beim Abstieg hilft sie vier schlecht ausgerüsteten Bergsteigern vom Berg und erleidet Erfrierungen |
1993 | Durchsteigung aller sechs großen Nordwände der Alpen im Alleingang | |||
Grandes Jorasses | Leichentuch | Erster Soloaufstieg einer Frau | ||
Matterhorn | Nordwand | Erster Soloaufstieg einer Frau | ||
Eiger | Lauper Route | Erstbesteigung durch eine Britin | ||
Piz Badile | Nordwand | |||
Aiguille du Dru »Bonattipfeiler« | Nordwand | Erster Soloaufstieg einer Frau | ||
Drei Zinnen | Nordseite | Erster Soloaufstieg einer Frau | ||
November 1993 | Grandes Jorasses | Croz Coloir | Solo | Erste Winterbegehung einer Frau, Helikopter-Fotos des Aufstieges von David Sharrock |
3. Expedition ins Himalaya – 2. Expedition ins Karakorum | ||||
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1994 | Mount Everest | Südseite | Mitglied einer medizinischen Expedition von Simon Currin, Allgemeinmediziner aus Wales | Abbruch auf 8.500 Meter wegen Sturm und Kälte |
13.05.1995 | Mount Everest | Nordseite | Expedition mit Dick Allen | Erster Aufstieg einer Frau ohne Hilfe und ohne zusätzlichen Sauerstoff. Am Gipfel trifft sie auf Christian Kuntner |
13.08.1995 | K2 | Abruzzengrat | Expedition mit Dick Allen | Begleiteter Aufstieg ohne zusätzlichen Sauerstoff, tödlicher Unfall beim Abstieg |
Leben
Mit ihren Eltern Joyce und John Hargreaves lebte sie in Mickleover/Derbyshire, dem Ort ihrer Geburt. Später zogen sie nach Belper in Amber Valley. Hargreaves Mutter arbeitete als Mathematiklehrerin, ihr Vater bei der British Rail. Sie hatte zwei Geschwister. Ab 1973 führte sie Tagebuch, das sie bis zu ihrem Tod fortsetzte. Die ersten Klettereien im Alter von acht Jahren machte Hargreaves mit ihrem Vater und ihrer Schwester.
1976 sah Hargreaves einen Vortrag des Bergsteigers Doug Scott, der 1975 die erste Besteigung des Mount Everest über die Südwest-Wand durchführte. Das Bergsteigen wurde zum Mittelpunkt ihres Lebens. Das Buch „Die weiße Spinne“ von Heinrich Harrer über die Besteigung der Eiger-Nordwand wurde zu ihrer Lieblingslektüre. Im Urlaub mit ihren Eltern in den Bergen Tirols 1976 sah sie zum ersten Mal die Alpen. In ihr Tagebuch schrieb sie: „Ich schob im Schlafwagen die Jalousie hoch und spähte hinaus und da waren diese phantastischen Felswände und ich brach einfach in Tränen aus. Ich fühlte, das war mein Zuhause und ich wollte einfach dableiben.“ 1978 begann sie einen Wochenend-Teilzeitjob im „Bivouac“, einem Geschäft für Sportler und Bergsteiger, das ihrem späteren Ehemann Jim Ballard gehörte. Mit dieser Tätigkeit bekam sie innerhalb der britischen Kletterszene Kontakte zu bekannten Bergsteigern. Durch die Faszination des Bergsteigens vernachlässigte sie ihre schulischen Leistungen, letztendlich hatte sie keinen Abschluss. Im Bivouac entwickelte Hargreaves eigenes, sinnvolles Zubehör für Bergsteiger. Diese Produktlinie nannte sie „Faces“. Sie kaufte sich eine Industrienähmaschine und begann, Magnesiabeutel und Gamaschen für Bergsteiger herzustellen. Das Geschäft wurde schnell zu einem weiteren Standbein im Bivouac, eine weitere Werkstatt wurde angemietet und Mitarbeiter eingestellt. Die Jahre darauf war sie immer wieder in den schottischen Bergen unterwegs, trainierte und verfeinerte ihre Technik und baute ihre Produktlinie „Faces“ weiter aus. Sie wurde zu einer Kletterveranstaltung in Frankreich eingeladen, wo sie sich mit anderen messen konnte. Dabei lernte sie Catherine Destivelle und Catherine Freer kennen. 1987 kam ihre Freundin und Vorbild Catherine Freer bei einem Absturz im kanadischen Yukon-Hummingbird-Grat/Mount Logan ums Leben.
Am 23. April 1988 heiratete sie Jim Ballard, im selben Jahr wurde ihr Sohn Tom geboren (der im Februar 2019 bei einer Winterbesteigung am Nanga Parbat ums Leben kam), 1991 ihre Tochter Kate. Lustlosigkeit und unfreundliches Auftreten ihres Mannes führten das einst gutgehende Geschäft Bivouac in die roten Zahlen. Hargreaves beschloss daher, das Bergsteigen professionell zu betreiben und damit den Unterhalt der Familie zu gewährleisten. Zu dieser Zeit erfuhr Hargreaves, dass Catherine Destivelle den Eiger im Alleingang bestiegen hatte. In ihrem Konkurrenzdenken empfand sie dies als eine empfindliche Niederlage, da sie einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreichen wollte.
Als schließlich das Geschäft völlig pleite war und das Haus in Meerbrook Lea versteigert wurde, waren sie mittel- und obdachlos. Auf ihrem alten Land Rover wurde Notwendiges verstaut, die Familie machte sich auf den Weg in die Schweizer Alpen. Anfangs hausten sie in einem gemieteten Wohnwagen. Für ihre Post hatten sie die Adresse ihrer Eltern angegeben, wo schon bald Gerichtsvollzieher auftauchten. In Europa umherziehend waren Hargreaves und ihre Kinder nun obdachlos.
Die großen Nordwände der Alpen
1993 wollte sie die schwierigsten sechs Nordwände der Alpen im Alleingang besteigen. Einen Sponsor hatte sie gefunden, der sie für drei Jahre mit 600 Pfund pro Monat unterstützte. Hargreaves war völlig durcheinander aufgrund der extremen familiären Situation, auch hatte sie Bedenken vor dem ständigen Zusammensein mit ihrem Mann, von dem sie sich nach wie vor abhängig fühlte. Er bestimmte ihre Geschicke und ihre Pläne und trat nach außen hin als ihr Manager auf. Aus Sorge darüber, dass ein Richter das Sorgerecht der Kinder, wegen ihrer Leidenschaft zum Bergsteigen, auf Ballard übertragen könnte, betrieb sie aber keine Trennung von ihrem Mann.
Nach und nach bestieg sie die Grandes Jorasses über das Leichentuch, das Matterhorn und den Eiger über die Lauper Route. Es folgte der Piz Badile, die Aiguille du Dru und die Drei Zinnen. Für alle diese Nordwände hatte sie sich vorgenommen, nicht länger als 24 Stunden zu brauchen, was ihr auch gelang. Auf dieser Expedition entstand ihr Buch A hard day’s Summer, das 1995 veröffentlicht wurde.
Währenddessen erfuhr sie, dass die Fernsehreporterin Rebecca Stevens die erste Britin auf dem Everest war. In vielen Zeitungen in Chamonix war Rebecca Stevens auf der Titelseite, sie war nun Englands berühmteste Bergsteigerin. Enttäuscht, dass sie dieses Ziel nicht mehr erreichen konnte, reiste Hargreaves nach Chamonix, um im Winter als erste Frau die Grandes Jorasses über das Croz Coloir zu besteigen. Es gelang ihr, als Fotografen hatte sie David Sharrock engagiert, der vom Hubschrauber aus Fotos machte. Am Gipfel angekommen, hängte sie sich in das Seil des Helikopters ein und wurde ins Tal geflogen.
Mount Everest
1994 erhielt sie die Möglichkeit, an einer medizinischen Expedition unter der Leitung von Simon Currin zum Mount Everest teilzunehmen. Der Versuch, alleine und ohne zusätzlichen Sauerstoff den Everest zu besteigen, misslang aufgrund starken Windes und extremer Kälte.
Kaum zu Hause angekommen, erhielt sie eine Einladung nach Banff, wo sie über ihre Alleinaufstiege in den Alpen vor Publikum berichten konnte. An einer Podiumsdiskussion mit der Organisatorin Bernadette McDonald lernte sie Chris Bonington und Joe Simpson kennen. Danach erschien ihr Buch A Hard Day’s Summer.
Auf Anregung von George Band, dem Vorsitzenden des britischen Alpinistenverbandes, reiste sie 1995 erneut an den Everest. Die Idee war, dass innerhalb eines Jahres die drei höchsten Berge der Welt von einer britischen Bergsteigerin bestiegen werden. Als Expeditionsleiter war Richard Allen dabei. Am 13. Mai 1995 bestieg Hargreaves den Gipfel über die Nordroute, wobei sie keinen zusätzlichen Sauerstoff und fremde Hilfe hatte.
Nach diesem Erfolg reiste sie für 2 Wochen nach Hause, Richard Allen ließ ihre Ausrüstung zum K2 transportieren.
K2
Ende Juni reiste Hargreaves nach Pakistan und begab sich zum K2. Expeditionsleiter war Rob Slater, ein Geschäftsmann aus den USA. Zum Team gehörte auch der britische Bergsteiger Alan Hinkes, den sie auf der Trekkingtour zum K2 kennenlernte. Nach Einrichtungen der Hochlager und Akklimatisation bestieg Alan Hinkes den Gipfel, Hargreaves befürchtete Missverständnisse in der Presse durch den gleichzeitigen Aufstieg mit Hinkes und verzichtete auf die Besteigung. Ihr Ziel war eine Solobesteigung. Kurz darauf schlug das Wetter um und die Expeditionen warteten wochenlang im Basislager auf Besserung.
Als sich das Wetter besserte, versuchte Hargreaves erneut eine Besteigung. Sie stand am 13. August 1995 in den Abendstunden am Gipfel – nach einem Aufstieg mit dem Team der Spanier und ohne zusätzlichen Sauerstoff. Beim Abstieg schlug das Wetter um, ein Sturm fegte über den Berg, in den sie mit sechs anderen Bergsteigern geriet. Vermutet wird, dass Hargreaves in Höhe des Flaschenhalses vom Berg gefegt wurde und über die Südflanke abstürzte. Lorenzo Ortas berichtete von Windgeschwindigkeiten um 140 km/h. Fünf weitere Bergsteiger starben in diesem Sturm.
Berichte über ihren Tod am Tag danach
Der Spanier Lorenzo Ortas berichtete nach der Katastrophe: Als sie am 14. August um 4 Uhr morgens den Rückzug fortsetzten, machten sie auf rund 7300 Meter einige Kleidungsstücke weit abseits ihrer Abstiegsroute aus, mitten in der riesigen Südwand des K2. Ortas bewegte sich darauf zu, um es besser sehen zu können und stieß dabei auf einen Stiefel. Er hatte eine batteriebetriebene Heizung – Hargreaves war die einzige am Berg, die solch eine Heizung benutzte. Sie hatte Ortas die Stiefel wenige Tage zuvor im Basislager gezeigt, wie sie funktionierten. Drei Meter unterhalb des Stiefels fand er einen Anorak und ein Steigeisen, beide Gegenstände stammten aus dem Besitz von Hargreaves und waren mit Blut verschmiert. Als er von dieser Stelle aus zur breiten Rinne über sich schaute, konnte er im Schnee drei merklich voneinander gesonderte Spuren wahrnehmen, die ihrerseits Blutflecke aufwiesen.
Er sah nochmal zum Gipfelgrat hoch und vermutete, dass die drei etwa aus 8400 Meter Höhe – also noch deutlich über dem Flaschenhals – vom Berg gefegt wurden. Er nahm das Steigeisen an sich, um es der Familie von Hargreaves zu übergeben, doch sein Abstieg wurde beschwerlicher, so dass er das Steigeisen zurückließ. Ortas folgte der Rinne ein kurzes Stück nach unten und entdeckte einen Körper am Rande einiger wuchtiger Eisbrocken. Der Körper lag auf gleicher Höhe wie das spanische Lager 3, doch von oben her hatte er keine Chance, an den Körper heranzukommen. Von dem Moment an, als Ortas die Bekleidung des Körpers sah, war er sich ziemlich sicher, dass es sich um Hargreaves handelte. Ortas kletterte zu Pepe Garces zurück, beide stiegen zum Lager 3 ab, um von dort aus zu Hargreaves vorzudringen. Bald mussten sie aber diesen Plan aufgeben, da im Lager 3 weder die Ausrüstung, noch die Vorräte vorhanden waren. Hargreaves blieb dort liegen, wo sie aufgeschlagen war. Die Wahrnehmungen des Spaniers Lorenzo Ortas sind im Buch „Die Gipfelstürmerin“ von David Rose und Edward Douglas nachzulesen.
Peter Hillary berichtet dazu auch noch, dass er zum nahen Broad Peak ging, wo Scott Fischer vor Ort war, der gerade eine erfolgreiche Besteigung des Berges mit Kunden abschloss. Peter Hillary lieh sich von Scott ein Fernglas, um den K2 nach Überlebenden abzusuchen, fand aber niemand mehr.
Literatur und Quellen
- Alison Hargreaves: A Hard Day’s Summer: Six Classic North Faces Solo. Hodder & Stoughton, London 1995, ISBN 0-340-60602-9.
- Reportagen vom K2-Unglück (in englischer Sprache) (Memento vom 10. Oktober 2009 im Internet Archive)
- David Rose, Ed Douglas: Die Gipfelstürmerin. Triumph und Tragödie der Alison Hargreaves. Ullstein Verlag, München 2000, ISBN 978-3-548-35995-3.
- Ulrich Remanofsky: Wen die Götter lieben. Schicksale von elf Extrembergsteigern. Alpinverlag, Bad Häring 2012, ISBN 978-3-902656-09-4.
Weblinks
- http://www.peterhillary.com/article-in-the-name-of-the-father/
- http://news.bbc.co.uk/onthisday/hi/dates/stories/may/13/newsid_2843000/2843951.stm
- https://www.youtube.com/watch?v=tx5v9r5tVWA