Alexander von Schoeller
Wilhelm Alexander Ritter von Schoeller (* 12. Juni 1805 in Düren in Nordrhein-Westfalen; † 11. November 1886 Wien) war ein deutsch-österreichischer Großindustrieller und Großunternehmer sowie Bankier.
Leben und Wirken
Der Sohn des Tuchfabrikanten Johann Paul Schoeller (1772–1845) und der Elisabeth Henriette Wilhelmine Eickel absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in der väterlichen Fabrik und sammelte ab 1825 praktische Erfahrung im Handel in der unter Leitung seines Vetters Philipp Wilhelm von Schoeller (1797–1877) stehenden „Gebr. Schoeller k. k. Feintuch- und Wollwarenfabrik“ in Brünn. Im Jahr 1831 wurde ihm durch die Firmenleitung die Geschäftsführung der Wiener Niederlassung übertragen. Bereits 1833 gründete Schoeller aber dann das eigene Großhandelshaus „Schoeller & Co.“ in Wien, von dem aus der Handel mit Waren aus den verschiedenen Familienbetrieben aber auch aus den zukünftigen Industrieverbindungen zentral gesteuert wurde und an dem er auch seinen 1867 geadelten Bruder Johann Paul von Schoeller (1808–1882) beteiligte. Dieses Handelshaus wurde durch Alexander von Schoeller noch um eine Banksparte erweitert, aus der sich dann schließlich die Schoellerbank entwickelte.
Schoeller nutzte nun die Gunst der Stunde für weitere Innovationen und gründete 1843 zusammen mit Alfred Krupp als stillem Teilhaber die Berndorfer Metallwarenfabrik für edles Tafelbesteck. Im Jahre 1862 übernahm er ebenfalls zusammen mit Alfred Krupp die Ternitzer Eisenwerke Reichenbach, die er 1868 zusammen mit Alfreds Bruder Hermann Krupp in die Ternitzer Walzwerk- und Stahlfabrikations-Actien-Gesellschaft umwandelte, aus der dann 1924 durch Zusammenlegung mit den Bleckmann Stahlwerken in Mürzzuschlag die Schoeller-Bleckmann Stahlwerke AG entstand. Um den Zugang zu den Rohstoffquellen für seine Firmen zu sichern, erwarb er Beteiligungen unter anderem an den Kohlegruben in Miesbach, und Jaworzno und gründete zusammen mit Ernst von Herring und seinem Neffen Gustav Adolph von Schoeller die Steinkohlengewerkschaft Mirošov u Rokycan.
Schoellers Tatendrang schien unermüdlich und wie bereits zuvor sein zweiter und ebenfalls 1867 geadelter Bruder Heinrich Eduard von Schoeller (1803–1879) in Edelény in Ungarn, eröffnete Alexander sich mit dem Einstieg in die Nahrungsmittelindustrie und hier speziell in der Zuckerindustrie, ein weiteres Standbein. Hierzu erwarb er landwirtschaftliche Güter für den Zuckerrübenanbau unter anderem in Čakovice, Ctěnice, und Miškovice, allesamt bei Prag gelegen, sowie zum Teil zusammen mit seinem Brünner Vetter Philipp Wilhelm Beteiligungen an mehreren Zuckerfabriken an genannten Orten, die er diesem später mehrheitlich auch übertrug. 1856 gründete er die Zuckerfabrik in Vrdy. Ebenso kam auf seine Initiative hin gemeinsam mit seinen verschwägerten Verwandten aus der Familie Skene im Jahr 1867 die Gründung der Zuckerfabrik in Leipnik zustande, aus der ab 1921 durch Fusion die Leipnik-Lundenburger-Zuckerfabrik AG bei Wien als Produktionsgesellschaft wurde, die speziell für die Verarbeitung der Zuckerrüben aus seinen Mährischen Anbaugebieten gedacht war. Bis 1943 hatte das Wiener Großhandels- und Bankhaus Schoeller & Co. die Aktienmehrheit an diesem Unternehmen, in dem noch bis 1988 mit dem Präsidenten Philipp von Schoeller ein Familienmitglied im Management saß.
Darüber hinaus erfolgte noch Alexanders Gründung einer Rollgerstenfabrik in Ebenfurth bei Wien, die er zum größten Mühlenbetrieb der Monarchie aufbaute sowie seine Beteiligung an das Hütteldorfer Brauhaus. Weiterhin pachtete er gemeinsam mit Carl Leidenfrost von Bars die Herrschaft Levice in Oberungarn (seit 1918 Slowakei), die in das Eigentum seines Wiener Handelshauses überging und die später unter der Leitung seines Brünner Neffen Gustav von Schoeller (1830–1912) und vor allem unter dessen Sohn Gustav Philipp (1866–1950) zu einem Musterbetrieb für Halbblutzucht und Schnapsbrennerei wurde. Darüber hinaus erwarb Alexander hier 1867 von der Familie Esterházy die Burg Levice als Familiensitz, die bis zur Enteignung im Jahre 1945 auf Grund der Beneš-Dekrete wie auch die Herrschaft Levice selbst im Familienbesitz blieb.
Weitere Beteiligungen unter anderem an der Allgemeinen Österreichischen Baugesellschaft (der heutigen PORR), der familieneigenen Brünner Kammgarnspinnerei, der Schrauben- und Mutternfabrik im niederösterreichischen Neunkirchen, der Hirschwanger Schleiferei- und Zellulosefabrik sowie an mehreren Industriebanken dokumentieren den wirtschaftlichen Einfluss Schoellers.
Auf Grund seiner anerkannten Kompetenz wurde Schoeller darüber hinaus noch in mehrere Aufsichtsräte und Vorstände berufen, wie beispielsweise in der Niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer, dem Gewerbegericht, dem Niederösterreichischen Gewerbeverein, dem Industriellenclub und der Niederösterreichischen Escompte-Gesellschaft. Weiterhin stand er beratend und unterstützend Anselm Salomon Freiherr von Rothschild bei dessen Gründung der k. k. privilegierte Österreichische Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe zur Seite. Ab 1868 gehörte Schoeller ferner als lebenslanges Mitglied dem Herrenhaus des österreichischen Reichsrates an.
In den letzten Lebensjahren verbrachte er krankheitsbedingt die Winterzeit in Nizza. Schoeller, der der evangelischen Kirche angehörte und auch Vorstand der evangelischen Gemeinde Wiens war, wurde auf dem Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf in Wien begraben.
Für seine Verdienste wurde Alexander von Schoeller zum Kaiserlichen Rat ernannt, im Jahre 1863 im Rang eines Ritters in den erblichen österreichischen Adel nobilitiert und mit dem Orden der Eisernen Krone, der III.Klasse geehrt.
Im Jahr 1909 wurde in Wien-Leopoldstadt (2. Bezirk) die Schoellerhofgasse nach der von Alexander von Schoeller um 1840 erbauten Zinshaus-Anlage „Schoellerhof“ benannt.
Familie
Alexander von Schoeller war mit Pauline Hoesch (1814–1881) verheiratet, der Schwester von Leopold Hoesch, dessen Mutter Johanna wiederum eine Schwester von Alexanders Dürener Onkel Leopold Schoeller war. Nach deren Tod heiratete er in Wien Pauline Hendeß aus Cöslin (1837–1921). Da beide Ehen kinderlos blieben, ging Alexanders Hauptgeschäft, das Wiener Handels- und Bankhaus Schoeller & Co, nach seinem Tod wie auch die meisten seiner Industriezweige in den Besitz seiner drei Neffen Gustav Adolph von Schoeller (1826–1889), Philipp Wilhelm von Schoeller (1845–1916) und Sir Paul Eduard von Schoeller (1853–1920) über.
Als Familiensitz erwarb Alexander von Schoeller 1848 das Schloss Ctěnice bei Prag, welches bis zur Enteignung 1945 auf Grund der Beneš-Dekrete in Familienbesitz verblieb.
Literatur
- Heinrich Benedikt: Alexander von Schoeller, 1805–1886. Ein Lebensbild. Zum 125jährigen Bestehen des Hauses Schoeller & Co., Wien. Spies, Wien 1958.
- Constantin von Wurzbach: Schoeller, Alexander Ritter von. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 31. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1876, S. 89–92 (Digitalisat).
- Hugo Schoeller, August Victor Schoeller: Geschichte der Familie Schoeller, 2 Bände. R. Eisenschmid, Berlin 1894. Neuauflage bei Stedman und Wallmoden 1994, ISBN 3-980-32882-1.
- Johann Slokar: Geschichte der österreichischen Industrie und ihrer Förderung durch Kaiser Franz I., F. Tempsky-Verlag, Wien 1914
- Hans Freiherr von Dumreicher: 100 Jahre Haus Schoeller – aus Vergangenheit und Gegenwart, Eigenverlag, 2. Aufl. Wien 1934
- Heinrich Elija Benedikt: Alexander von Schoeller 1805–1886 – Ein Lebensbild – zum 125. jährigen Bestehen des Hauses Schoeller & Co, Wien. Spieß und Co, Wien 1958.
- Franz Mathis: Big Business in Österreich, Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen. Oldenbourg-Verlag, München 1987, ISBN 3-486-53771-7.
- E. Lebensaft: Schoeller, Alexander Ritter von. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 11, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, ISBN 3-7001-2803-7, S. 18 f. (Direktlinks auf S. 18, S. 19).
- Andrea Pühringer: Schoeller, Alexander Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 368 (Digitalisat).
- Eintrag zu Alexander von Schoeller im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
Weblinks
- Franz Krahberger: Der verlorene Kontinent, Aufsatz vom 7. März 2010