Adolf Endler

Adolf Endler (* 20. September 1930 i​n Düsseldorf; † 2. August 2009 i​n Berlin) w​ar ein deutscher Dichter u​nd Schriftsteller.

Leben und Werk

Nach e​iner abgebrochenen Buchhändlerlehre arbeitete Endler a​ls Transportarbeiter u​nd Kranfahrer. Als e​r aufgrund seiner Aktivität i​n der Friedensbewegung w​egen „Staatsgefährdung“ angeklagt wurde, übersiedelte Endler 1955 i​n die DDR. Er studierte 1955 b​is 1957 a​m Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ i​n Leipzig. Seitdem l​ebte er a​ls freier Autor. Er g​alt als Vertreter d​er von Georg Maurer beeinflussten Sächsischen Dichterschule. Anfangs versuchte e​r sich m​it Lobgesängen a​uf die FDJ, didaktisch-missionarischen Hymnen a​uf das kommunistische System u​nd Agit-Prop. Später folgte i​n der künstlerischen Entwicklung v​on Endler e​ine ideologische Befreiung, d​ie sich d​urch selbständige Gedichte, engagierte Differenzierung u​nd Lust a​n der Destruktion bemerkbar machte.

Von 1955 b​is 1959 w​ar er m​it der Schriftstellerin Jutta Bartus[1] u​nd von 1967 b​is 1978 m​it der Schriftstellerin u​nd Übersetzerin Elke Erb verheiratet. Erb u​nd Endler besaßen i​n dieser Zeit e​in Haus i​n Wuischke i​n der Oberlausitz u​nd lebten vorwiegend dort.[2]

Folge seiner Proteste g​egen die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 u​nd die Verurteilung Stefan Heyms w​egen „Devisenvergehen“ w​ar 1979 s​ein Ausschluss a​us dem Schriftstellerverband d​er DDR.

Endlers Grabstätte auf dem Friedhof Pankow III

Er schrieb i​n den 1980er Jahren für verschiedene Berliner Untergrundzeitschriften u​nd wurde z​u einer essentiellen Figur d​er Literaturszene i​m Prenzlauer Berg.[3] In d​er DDR wurden fortan s​eine Bücher k​aum noch gedruckt, selten besprochen. In d​er Bundesrepublik wiederum kannten i​hn nur wenige, d​as lag u​nter anderem daran, d​ass er s​ich damit begnügte, i​n einer Berliner Handpresse s​eine Bücher i​n einer Auflage v​on 300 Exemplaren z​u veröffentlichen. Seine damals entstandenen Tagebuchnotizen l​obte Matthias Biskupek: „Er vermengt d​ie Offizialrede u​nd das Hinterhofgekreisch u​nd vor a​llem seine unerhörte Einzelmeinung z​u einem witzigen Gemisch, d​as bekömmlich u​nd höchst lebensbejahend ist.“[4] Von 1991 b​is 1998 leitete e​r mit seiner Frau, Brigitte Schreier-Endler, d​ie Lesungen „Orplid & Co“ i​m Café Clara Berlin-Mitte. Er gehörte z​u den Initiatoren d​er „Gesellschaft z​ur Pflege u​nd Förderung d​er Poesie Orplid e. V.“, d​ie diese Lesereihe i​ns Leben rief.

Zu d​em erfolgreichsten Werk v​on Endler gehörte Tarzan a​m Prenzlauer Berg, s​eine Tagebuchaufzeichnungen a​us den Jahren 1981 b​is 1983, d​ie ihn n​ach dem Mauerfall e​inem breiten Publikum bekannt machten.[5] 2005 erschien Nebbich. Eine deutsche Karriere, e​in Band m​it autobiographischen Dokumenten u​nd Prosafragmenten. Vor seinem Tod w​urde 2007 s​ein vielbeachtetes Buch Krähenüberkrächzte Rolltreppe. Neunundsiebzig k​urze Gedichte a​us einem halben Jahrhundert veröffentlicht.

Adolf Endler w​ar seit 2005 Mitglied d​er Deutschen Akademie für Sprache u​nd Dichtung i​n Darmstadt.

Posthum erschien 2010 u​nter dem Titel Dies Sirren e​in Band m​it Gesprächen, d​ie Renatus Deckert m​it Adolf Endler über dessen Leben u​nd Schreiben geführt hat. Ebenfalls n​ach seinem Tod w​urde 2020 Die Gedichte veröffentlicht, d​as gesamte lyrische Werk i​n einem Band, d​as bisher i​n zwölf Gedichtbänden i​n der DDR u​nd in d​er Bundesrepublik v​or und n​ach der Wiedervereinigung publiziert wurde.[6]

Von Adolf Endlers Kindern i​st Julius Endler h​eute als d​er Rapper Hiob bekannt,[7] Konrad Endler i​st Autor u​nd aktiv i​n der Berliner u​nd Potsdamer Lesebühnenszene.[8]

Werke

  • Erwacht ohne Furcht, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1960
  • Weg in die Wische. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1960
  • Die Kinder der Nibelungen. Gedichte. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1964
  • Vorwort zu: In diesem besseren Land. Gedichte der Deutschen Demokratischen Republik seit 1945. Ausgewählt, zusammengestellt und mit einem Vorwort versehen von Adolf Endler und Karl Mickel. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1966
  • Das Sandkorn. Gedichte. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1974
  • Nackt mit Brille. Gedichte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1975, ISBN 3-8031-0074-7
  • Das Sandkorn. Gedichte. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1976.
  • Zwei Versuche, über Georgien zu erzählen. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1976
  • Verwirrte klare Botschaften. Gedichte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1979, ISBN 3-499-25120-5
  • Nadelkissen. Aus den Notizzetteln Bobbi Bergermanns. Im Auftrag der geschiedenen Witwe herausgegeben von Adolf Endler. Mit 10 sechsfarbigen Original Linolschnitten von Wolfgang Jörg und Erich Schönig. Berliner Handpresse, Berlin 1979. Erschien auch im Walter Verlag, Freiburg im Breisgau 1980, ISBN 3-530-18910-3
  • Akte Endler. Gedichte aus 25 Jahren. Herausgegeben von Peter Gosse. Reclam, Leipzig 1981.
    2. Auflage: Akte Endler. Gedichte aus 30 Jahren. Reclam, Leipzig 1988, ISBN 9783379002769
  • Ohne Nennung von Gründen. Vermischtes aus dem poetischen Werk des Bobbi „Bumke“ Bergermann. Rotbuch Verlag, Berlin 1985, ISBN 9783880223042
  • Schichtenflotz. Papiere aus dem Seesack eines Hundertjährigen. Rotbuch Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-88022-721-7
  • Nächtlicher Besucher, in seine Schranken gewiesen. Eine Fortsetzungszüchtigung, Berliner Handpresse, Berlin 1989. Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0331-7
  • Vorbildlich schleimlösend. Nachrichten aus einer Hauptstadt 1972–2008. Rotbuch Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-88022-752-7
  • Den Tiger reiten. Aufsätze, Polemiken und Notizen zur Lyrik der DDR. Luchterhand, Frankfurt/M. 1990, ISBN 9783630618982
  • Die Antwort des Poeten. Roman. [Hrsg. von Albert Kapr und Roland Opitz], Gemeinschaftsarbeit des Reclam Verlages Leipzig, der Büchergilde Gutenberg Frankfurt a. M. und der Offizin Haag-Drugulin Leipzig (= Gutenberg-Presse 11), Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-7632-4129-9
  • Tarzan am Prenzlauer Berg. Sudelblätter 1981–1983, Reclam Leipzig, Leipzig 1994, ISBN 3-379-01565-2
  • Warnung vor Utah, Momente einer USA-Reise, Kiepenheuer Verlag, Leipzig 1996, ISBN 9783378005938
  • Der Pudding der Apokalypse. Gedichte 1963–1998, Suhrkamp, Frankfurt/Main 1999, ISBN 3-518-41056-3
  • Trotzes halber, Gedichte 1999
  • Das Greisenalter, voilà. Neue poetische Texte, Obergrabenpresse, Dresden 2001.
  • Schweigen Schreiben Reden Schweigen. Reden 1995–2001, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2003, ISBN 3-518-12299-1
  • Uns überholte der Zugvögelzug. Alte und neue Gedichte, UN ART IG, Aschersleben 2004, ISBN 3-9808479-8-5
  • Nebbich. Eine deutsche Karriere, Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-839-6
  • Krähenüberkrächzte Rolltreppe. Neunundsiebzig kurze Gedichte aus einem halben Jahrhundert, Wallstein, Göttingen 2007 ISBN 978-3-8353-0165-8
  • Nächtlicher Besucher, in seine Schranken gewiesen. Eine Fortsetzungs-Züchtigung, Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 3-8353-0331-7 (Neuauflage)
  • Dies Sirren. Gespräche mit Renatus Deckert, Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0775-9
  • Kiwitt, kiwitt. Gedichte und Capriccios, Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 9783835317703
  • Die Gedichte, Wallstein, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8353-1949-3

Herausgabe

Auszeichnungen

Literatur

  • Manfred Jäger: Zigeunergeiger mit Spieltrieb. Zum Tod von Adolf Endler (1930–2009). In: Deutschland Archiv. Jg. 42, Nr. 5, 2009, S. 796 f.
  • Kurzbiografie zu: Endler, Adolf. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Einzelnachweise

  1. Andrea Jäger: Bartus, Jutta. In: Wilhelm Kühlmann (Hrsg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollst. überarb. Aufl. de Gruyter, Berlin 2008, Bd. 1, S. 344.
  2. Anne-Marie Pailhès: Regionale Identität in der DDR: Heinz Czechowski und Sachsen – auf der Suche nach der verlorenen Heimat in der Autobiographie, in: Ostdeutsche Erinnerungsdiskurse nach 1989: Narrative kultureller Identität, hrsg. von Elisa Goudin-Steinmann und Carola Hähnel-Mesnard, Berlin 2013, S. 227–244, hier S. 238.
  3. Kurt Drawert: Aufrechte und Gespaltene. Auch das war ein Widerstandsort in der DDR: Eine große Dokumentation zur Geschichte des 1978 begründeten Literarischen Salons von Ekke Maaß. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. September 2017, S. 12.
  4. Rezension zu Tarzan am Prenzlauer Berg. In: Eulenspiegel. 41. Jg., Nr. 12/94, S. 53.
  5. Falko Hennig: Zum Tod von Adolf Endler: Der Prenzlauer Bergarbeiter. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 8. März 2020]).
  6. Süddeutsche Zeitung: "Neigt zu Alleingängen". Abgerufen am 8. März 2020.
  7. Der Rapper vom Kollwitzplatz (Memento vom 7. März 2016 im Internet Archive)
  8. Liste_von_Lesebühnen
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