-ton

Die englische Namensendung -ton i​st eine häufige Bildungssilbe i​n Ortsnamen s​owie auch i​n ursprünglich ortsbezogenen Familiennamen (Herkunftsnamen).

Wortherkunft und Bildungsformen

Die unbetonte Endung entstammt wohl im häufigeren Fall dem altenglischen Wort ton[e], das zu tūn/dūn und althochdeutsch zūn ‚Umgrenzung‘ steht.[1][2] Aus letzterem leiten sich auch deutsch Zaun; niederländisch tuin ‚Garten‘, isländisch túnKoppel‘ ab. Diese Herkunft entspricht den deutschen Ortsnamensbildungen auf -hag (‚Hecke, Zaun‘) und Ähnlichem. Das angelsächsische Wort wurde später zum englischen town (deutsch Dorf; [Klein-]Stadt [in Abgrenzung zu City]; Ortschaft, Siedlung im allgemeineren Sinne) umgebildet.

Eine andere Wortherkunft wird etwa bei dem Namen Washington (Tyne and Wear), aus dem die Vorfahren des bekannten amerikanische Präsidenten vielleicht stammten oder bei Hamilton (Leicester) vermutet. Dort wird die Wortform aus dem altenglischen Wort dun oder dūn (zu engl. dune [zu dt. Düne] oder engl. hill [zu dt. Hügel]) hergeleitet: Erstbeleg für Washington ist Wassyngtona 1183 zu rekonstruiertem altenglisch *hwæsingatūn;[3] für Hamilton ist 1220 hameldon belegt (so auch Hambledon, North Yorkshire 1290).[4] Beispielhaft für sichere erstere Bedeutung ist Hilton, als hyll + tūn ‚Farm/Ort am Hügel‘ für Hilton (Derbyshire, 1086 Hilltune),[5] oder helde + tūn ‚am Hang‘ (zu englisch hield ‚Neigung‘) für Hilton (Durham, 1180 Helton;[5] so auch Helton, Cumbria[6]).

Die Bildung erfolgt oft – entsprechend etwa den frühesten oberdeutschen Bildungen -ing und -ham[7] (so auch im Englischen) – aus Personenname und Endung. Beispiele sind Brighton (East Sussex), erstmals urkundlich Beorthelm’s-tun (Brighthelm);[1] oder Boston (Lincolnshire), wohl aus Bot’s town (vielleicht nach dem Mönch Botulf (Botolph), 7. Jh.).[1][8][9] Diese Erklärung wird durchwegs dann vermutet, wenn keine plausible geographische Ableitung gefunden werden kann. Für Washington (Tyne and Wear) wird beispielsweise neben einer Herkunft aus waesc ‚waschen‘ mit keltischer Ableitung auch eine zu einem Personennamen Hwaes (Was[sa]) und der Gruppenbezeichnung Hwaesing ‚Leute/Abkömmlinge des Hwaes‘ vermutet (mit einer Wurzel in der Bedeutung ‚jagen‘).[3][10] Im weiteren Sinne kommen auch Gruppen und Funktionen vor, so: Kingston (upon Thames, London)‚ des Königs‘ (alter Begräbnisort sächsischer Herrscher);[8][11][12] desgleichen ursprünglicher Kennington (London);[8][13][14] oder Preston (in East Lothian und in Lancashire, 1086 Prestune, u. a.m.) zu priestPriester, Pfarrer, Mönch‘.[1][15]

Daneben gibt es auch viele Bildungen auf topographische Begriffe, also Lagebezeichnungen, beispielsweise: Eaton (Buckinghamshire) ‚am Wasser‘ (französisch eau, lateinisch aqua, europaweit und sehr alt, vgl. dt. -a[a]ch, hier die Themse;[1][8] gleiche Wurzel auch Eyton, Herefordshire, Ayton, am Eye[1]); Clifton (Glouchester) ‚am Kreide-Kliff‘.[1][8] Spezieller zu Eigennamen stehen etwa mit Flüssen: Bruton (Somerset) am Fluss Brue[1] (keltisch briw ‚schnellfliessend‘); Crediton (Devonshire) am Crede/Creedy;[1] Framton (Dorset) am Frome;[1] Linton (Northumberland) am Lyne;[1][16] Otterton (Devon) am Otter.[1] Aus funktionalen Orten abgeleitet sind zum Beispiel: Straiton (Midlothian, 1296 Stratone) zu lat. strata ‚Straße‘;[1] Handelsplätze wie Kinetown zu kine ‚Kuh‘;[1] Shipston (-on-Stour, Warwickshire) zu sheep ‚Schaf‘;[1] Teddington (Tyd-End-) zu tide ‚wo die Flut [der Themse] endet‘;[1] Tiverton (Twy-Ford-) ‚Zwei Furten‘.[1] Allgemein landschaftlich beschrieben: Stannington (Northumberland) ‚steinig‘.[17] Allgemeine Lageangaben stecken in: Hampton (Worcestershire, 780 Heantune)[18][19] oder Henton (Oxfordshire, 1085 Hentone) zu hẽah ‚hoch‘;[20] Milton (Kent) „Middle-town“[1][21] (zwischen Gravesend und Denton, dieses zu altengl. denu ‚Tal‘[22]); Upton (London, Essex, 1203 Hupinton) ‚oben im Ort‘.[23]

Die historischen oder geographischen Ableitungen gelten nur für England. Durch die englische Kolonisierung sind Namen auf -ton weltweit verbreitet, dann aber mit sekundärer Benennung, zu der Zeit war die Silbe schon lange nicht mehr namenbildend. Ein Beispiel der Anglifizierung in Irland ist Boston (County Clare, Móinín na gCloigeann, Neubildung 1839). Neben einer reinen Nachbenennung nach Herkunftsorten in Kolonisten (Eponymika) kommen auch die Namen der Gründer in Betracht: Im englischen Raum lauten Familiennamen von Personen oft ohne weitere Endung auf den Ortsnamen (Ableitung dann: Ortsname → Herkunftsname der Person → Gründer-/Bewohnername des Ortes). Vereinzelt sind auch sonstige Nachbennungen ehrenhalber zu Orten wie Personen zu finden.

Erhalten sind in modernen Ortsnamenschreibungen auch Varianten auf -tone oder -don: Maidstone (Kent, am Fluss Medway);[1] Abingdon (-on-Thames, Berkshire; zu abbey ‚Ort der Abtei‘;[1] in Oxfordshire zu Personenname Æbbe und mit ‚Hügel‘[24]) Eine Besonderheit ist hierbei Taunton (Somerset) am Tone,[1] alt Tawnton, Thonton, hier wird der Name tone des Flusses aus einem keltischen Gewässernamen hergeleitet, mit 737 Tantun, 1086 Tantone ergäbe sich hier ‚Ort am Fluss‘ als Grundbedeutung.[25] Neben -ton finden sich auch viele Ableitungen auf -town selbst, manchmal spätere Umschriften, wie bei Puddletown (urspr. 1086 Pitretone, 1212 Pideleton, bis ins 19. Jh. Piddletown, am River Piddle),[1] sonst aber durchwegs jünger, wie Campbeltown (Schottland; nach dem Clan Campbell,[1] 17. Jh., urspr. Kinlochkilkerran), und so auch in den ehemaligen Kolonien.

Nicht zum Wortkomplex gehören hingegen Orte auf ‚Stein‘ wie Fewston (Yorkshire, zu firestone ‚Feuerstein‘),[1] Godstone (Surrey, good stone),[1] Kingstone (Somerset) ‚des Königs Stein‘;[12] aber auch Helmdon (Northampshire, 1086 Emedene, ‚Tal‘ mit Personenname).[26]

Verbreitung und Beispiele

Die Endung i​st gebietsweise i​n England d​ie häufigste Ortsnamensbildung angelsächsischer Herkunft, s​o sind allein i​n Lincolnshire 380 solche Orte z​u finden.[27] Allein v​on Orten m​it der Wurzel ‚New Town‘ dürfte e​s über 80 geben.[28]

Beispiele für d​ie Verwendung i​n Orts- u​nd Familiennamen (nur einmaliges Vorkommen i​m alten angelsächsischen Raum i​st angemerkt):

Andere Sprachen und Länder

Der Wortstamm tun i​n der Bedeutung a​ls geschützte Siedlung o​der geschützte Fläche k​ommt auch i​n anderen Sprachen vor:

  • Niederländisch: tuin – „der Garten“
  • Friesisch: tun – ein durch einen Ringdeich geschütztes Feld
  • Norwegisch: gårdstun – „die Hofstatt“
  • Tschechisch: Týn als Namensbestandteil in der Bedeutung „befestigte Siedlung“ oder „abtrennter Stadtteil“, unter anderem der Prager Týn, deutsch „Thein“ oder „Teyn“.

Schon i​n der römischen Provinz Gallien g​ab es mehrere Ortsnamen a​uf -dunum, darunter Lugdunum, h​eute Lyon, u​nd Augustodunum, h​eute Autun.

In d​er Normandie e​nden zahlreiche Ortsnamen m​it dem Bestandteil -thun. Inwieweit d​ie Endsilbe -ten i​n deutschen Ortsnamen w​ie Anderten, Schellerten u​nd Barnten d​en gleichen Ursprung h​at wie d​as englische -ton, i​st zu klären.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ton; Town; Tone. &c. (tun, Sax.)–an Enclosure of Houses; a Town. In: T. A. Gibson: Etymological Geography: Being a Classified List of Terms of Most Frequent Occurrence, Entering, as Prefixes Or Postfixes, Into the Composition of Geographical Names. Verlag Oliver & Boyd, 1835, S. 57 ff. (Textarchiv – Internet Archive).
  2. David Mills: A Dictionary of British Place-Names. Neue Auflage. Verlag OUP Oxford, 2011, ISBN 978-0-19-960908-6, div. S. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. A guide to Washington. In: Information Britain. o. D., abgerufen am 16. Mai 2016.
  4. Hamilton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  5. Hilton. In Mills: A Dictionary …. 2011, S. 239, Sp. 2 (Google).
  6. Helton. In Mills: A Dictionary …. 2011, S. 234, Sp. 2 (Google).
  7. Vergl. dazu auch die Herkunft von Hampton.
  8. William Anderson: Genealogy and Surnames: With Some Heraldic and Biographical Notices. Verlag Ritchie, 1865, S. 113 (Google eBook, vollständige Ansicht).
  9. Boston. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 30. Mai 2016 (englisch).
  10. Washington. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  11. Kingston. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  12. „Royal Stone, king’s stone“: Kingston upon Soar, Nottinghamshire; mehrere Kingstone; Angabe nach Kingston, The Internet Surname Database (surnamedb.com).
  13. Kennington. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  14. Kensington aber 1086 Chenesitun: Personenname + ing + ton; Mills: A Dictionary …. 2011, S. 226 (Google).
  15. Preston. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  16. Linton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  17. Stannington, Stanton. In Mills: A Dictionary …. 2011, S. 433 (Google).
  18. Hampton. In Mills: A Dictionary … 2011, S. 222, Sp. 1 f. (Google).
  19. Hampton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 28. Mai 2016 (englisch).
  20. Henton. [1] In Mills: A Dictionary …. 2011, S. 236, Sp. 1 (Google).
  21. Milton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 30. Mai 2016 (englisch).
  22. Denton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  23. Upton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 30. Mai 2016 (englisch).
  24. Abingdon. In Mills: A Dictionary … 2011, S. 2, Sp. 2 (Google).
  25. Etwa aus abona (wie Avon) verkürzt zu Aun/An/Un mit einem Bestimmungs-Präfix t/d’; nach Joshua Toulmin: The history of Taunton, in the county of Somerset.J. Poole, 1822, S. 2, Fußnote 1 (Google); zu einer indogermanischen Wurzel *ab ‚Wasser‘; vgl. Avon. und water (n.1). In: Douglas Harper: Online Etymology Dictionary (etymonline.com, abgerufen 29. Mai 2016);
    ‚glänzend‘ zu ‚Feuer‘ nach Taunton. In Mills: A Dictionary … 2011, S. 451, Sp. 2 (Google); dort auch die Datierungen.
  26. Helmdon. In Mills: A Dictionary …. 2011, S. 234, Sp. 1 (Google).
  27. [Sir] Jon Bowring: Language, with Special Reference to the Devonian Dialects. In: Devonshire Association for the Advancement of Science, Literature and Art: Report and Transactions. Band 1. Verlag Association, 1863, S. 32 (Google Books).
  28. Select Newton Surname Genealogy. In: The Select Surname Website. Abgerufen am 2. Juni 2016 (englisch).
  29. Acton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 30. Mai 2016 (englisch).
  30. Atherton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 30. Mai 2016 (englisch).
  31. Charleston. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 1. Juni 2016 (englisch).
  32. Dalton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  33. Eaton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 29. Mai 2016 (englisch).
  34. Hamilton. In: Behind the Name; abgerufen am 20. Mai 2016 (englisch).
  35. Oskar Tenge beklagte in seinem Werk über die Ausbreitung und Eindeichung des Jadebusens, dass jemand einen Kanal durch den hohen Hamm gegraben habe der bis dahin dem Meer standgehalten hatte (Oskar Tenge: Der Jeversche Deichband, Original 1898, Reprint 1999, Verlag Oskar Berg, ISBN 3-9806956-0-3)
  36. Houston. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  37. Newton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 2. Juni 2016 (englisch).
  38. Stanton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  39. Walton. In: The Internet Surname Database (surnamedb.com); abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
  40. Walton. In: Behind the Name; abgerufen am 20. Mai 2016 (englisch)
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.