Zirkulation (Feldtheorie)

Die Zirkulation i​st das Umlaufintegral e​ines Vektorfeldes über e​inen geschlossenen Weg. Bei Strömungen i​st sie e​in Maß für d​ie Wirbelstärke i​n dem v​om Weg umschlossenen Gebiet.

Der Begriff w​ird in d​er Vektoranalysis, i​n der Strömungslehre u​nd in d​er Elektrodynamik benutzt. Die Zirkulation k​ommt insbesondere i​m Satz v​on Stokes vor, d​er eine zentrale Rolle i​n der Elektrodynamik spielt.

Mathematische Formulierung

Ist  ein stückweise glatter, geschlossener und orientierter Weg im (von besonderer Bedeutung ist hier der ) und ein längs dieses Weges integrierbares Vektorfeld, so heißt

Zirkulation von  längs .

Ist ein Vektorfeld  auf einer orientierten und stückweise glatt berandeten Fläche  differenzierbar, so ist nach dem Satz von Green die Zirkulation von  längs des zu  gehörigen orientierten Randes  gleich dem Flächenintegral der Rotation von  über :

Die komplexe Zirkulation

Wenn das Vektorfeld in einer Ebene liegt, dann können die Eigenschaften komplexer Funktionen ausgenutzt werden. Dazu wird das Vektorfeld als komplexe Funktion aufgefasst, deren Real- und Imaginärteile die Komponenten des Vektorfeldes sind, dessen Ebene als Gauß’sche Zahlenebene modelliert wird, in der die komplexe Zahl einen Punkt markiert. Die komplexe Zirkulation ist dann das komplexe Kurvenintegral der komplexen Funktion längs einer Kurve in der Ebene. Der Realteil der komplexen Zirkulation ist die oben eingeführte reelle Zirkulation längs des Weges , also das Integral über die Komponente des Vektorfeldes, die tangential zur Kurve ist. Der Imaginärteil ist hingegen das Integral über die Komponente des Vektorfeldes, die senkrecht zur Kurve ist.

Besondere Regeln gelten, wenn die komplexe Funktion eine holomorphe Funktion ist. Wenn der Weg ein Gebiet umfasst, in dem die Funktion überall holomorph ist, dann verschwindet die komplexe Zirkulation längs des Weges identisch. Wenn eine weitere Kurve ist, die den Weg einschließt, und die Funktion im Gebiet zwischen den Kurven und holomorph ist, dann ist die Zirkulation der Funktion längs der Kurve gleich ihrer Zirkulation längs der Kurve .

Diese Aussagen werden i​m Folgenden begründet.

Definition

Sei

die komplexe Funktion mit Komponenten des Vektorfeldes bezüglich eines kartesischen x-y-Koordinatensystems in der Gauß’schen Zahlenebene mit als imaginärer Einheit.

Die komplexe Zirkulation der Funktion längs des Weges ist dann das komplexe Wegintegral

Real- und Imaginärteil der komplexen Zirkulation

Bogenlängendarstellung der Kurve W mit Tangenten- und Normalenvektor

Einsetzen d​er komplexen Funktion ergibt d​en Real- u​nd den Imaginärteil:

Der Realteil

ist die oben eingeführte reelle Zirkulation längs des Weges in der Ebene. Die senkrecht zur Ebene zählenden Komponenten der hier vorkommenden Vektoren verschwinden nach Voraussetzung: Die Kurve wurde oben gemäß mit der Bogenlänge parametrisiert, so dass die Länge der Kurve ist und der Betrag des Tangentenvektors gleich eins ist, worin der Strich für die Ableitung nach der Bogenlänge steht.

Der Imaginärteil d​er komplexen Zirkulation i​st gemäß

das Integral über die Komponenten des Vektorfeldes normal zur Kurve. Der Vektor hat den Betrag eins und steht senkrecht auf der Ebene, so dass die Normale an der Kurve ist, siehe Bild. Das Rechenzeichen bildet das Kreuzprodukt.

Wenn die Funktion eine komplexe Strömungsgeschwindigkeit ist und der Weg eine umströmte Wand darstellt, dann wird sie nicht durchflossen und die komplexe Zirkulation der komplexen Geschwindigkeit längs der Kontur ist reell.

Zirkulation holomorpher Funktionen

Der Integralsatz v​on Cauchy besagt, d​ass das Kurvenintegral e​iner komplexen Funktion zwischen z​wei Punkten wegunabhängig ist, w​enn die Funktion holomorph a​lso komplex differenzierbar ist. Das Kurvenintegral verschwindet demnach entlang e​iner geschlossenen Linie immer, w​enn die Funktion i​n dem v​on der Linie umschlossenen Gebiet holomorph ist. Die Zirkulation e​iner Funktion entlang e​iner Linie k​ann also n​ur dann v​on null verschieden sein, w​enn die Funktion irgendwo innerhalb d​er Linie n​icht komplex differenzierbar ist.

Integrationsweg, der die Kurven W und K einschließt

Für die Berechnung der Zirkulation macht es keinen Unterschied, ob sie entlang eines Weges oder entlang eines anderen Weges , der den Weg umschließt, berechnet wird, sofern die Funktion im Gebiet zwischen den Wegen und holomorph ist, siehe Bild. Wenn die Funktion im gelb gezeichneten Gebiet holomorph ist, dann gilt nach dem Integralsatz von Cauchy:

Die Beiträge der Wege und gehen mit umgekehrtem Vorzeichen ein, weil bei ihnen der Integrationsweg gegenüber den Wegen und – wie im Bild angedeutet – gegensinnig durchlaufen wird. Geht die Linie in über, dann heben sich ihre beiden Beiträge auf, die Wege und werden geschlossen und es ergibt sich, dass die Zirkulation der Funktion längs des Weges gleich der längs des Weges ist:

Für den Weg kann beispielsweise – wie im Bild – ein Kreis genommen werden, wenn dieser für die Berechnung geeigneter ist.

Beispiel

Zirkulation des Magnetfeldes eines Stromfadens

Ein auf der -Achse liegender Stromfaden, der in positiver -Richtung mit dem Strom  durchflossen ist, wird von dem Magnetfeld

umgeben. Die Zirkulation dieses Vektorfeldes entlang eines Kreises  mit  und beliebigem positiven Radius  ist gleich dem Strom :

Dieses Beispiel demonstriert, dass für die Anwendbarkeit des Stokes'schen Integralsatzes das betreffende Vektorfeld auf einer von der geschlossenen Kurve berandeten Fläche differenzierbar sein muss. Das Vektorfeld  aus diesem Beispiel ist auf der -Achse nicht definiert. Die Zirkulation wird jedoch entlang eines Kreises gebildet, der die -Achse umschließt. Der Stokes'sche Integralsatz ist also in diesem Fall nicht anwendbar. Das bestätigt sich dadurch, dass die Zirkulation von  entlang des Kreises den von null verschiedenen Wert  hat, obwohl das Vektorfeld  auf seinem gesamten Definitionsgebiet rotationsfrei ist ( für ).

Komplexe Zirkulation längs eines Kreises in einem Strudel

Stromlinien (blau) eines Strudels

Sei

das komplexe Geschwindigkeitsfeld eines Strudels mit Zentrum bei , siehe das Bild und Potentialströmung. Die komplexe Zirkulation der Geschwindigkeit längs eines Kreises mit Radius um den Ursprung verschwindet nicht, weil die Geschwindigkeit bei nicht komplex differenzierbar ist und der Kreis diesen Punkt umschließt. Die komplexe Zirkulation der Geschwindigkeit längs des Weges

berechnet sich mit dem Differential zu

Längs des Kreises hat die Geschwindigkeit also unabhängig vom gewählten Radius immer die Zirkulation und die Quellstärke , die angibt wie groß der über den Kreis tretende Volumenstrom ist. Die komplexe Zirkulation der Geschwindigkeit längs der Kreise ist für alle Kreise gleich, weil die Geschwindigkeit im Kreisring zwischen zwei beliebigen Kreisen immer komplex differenzierbar ist.

Auch h​ier ist d​as Geschwindigkeitsfeld außerhalb d​es Ursprungs rotationsfrei, w​eil der Strudel e​ine Potentialströmung ist.

Literatur

  • Königsberger: Analysis 2. Springer-Verlag Berlin, 1993. ISBN 3-540-54723-1.
  • Theodore Frankel: The Geometry of Physics (An Introduction). Cambridge University Press, 1997. ISBN 0-521-38753-1.
  • Michael Bestehorn: Hydrodynamik und Strukturbildung. Springer, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-540-33796-2.
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