Zentrische Streckung
Eine zentrische Streckung ist in einem euklidischen Raum eine Abbildung mit einem ausgezeichneten Punkt , dem Zentrum, die einem Punkt einen Punkt so zuordnet[1], dass
- (1) auf der Gerade liegt und
- (2) für eine feste Zahl ist.
Vektoriell lässt sich eine zentrische Streckung beschreiben durch die Zuordnung
wobei die Ortsvektoren von sind.
Für erhält man die identische Abbildung (es wird kein Punkt bewegt), für erhält man die Spiegelung am Punkt und für die zu gehörige Umkehrabbildung.
Zentrische Streckungen gibt es in jeder Dimension. Man rechnet leicht nach (siehe unten), dass jede Gerade stets auf eine dazu parallele Gerade abgebildet wird. Damit ist eine zentrische Streckung eine spezielle Dilatation.
Die Streckung am Nullpunkt hat die einfache Form:
In Koordinaten und in der Ebene:
- .
Zentrische Streckungen sind spezielle Ähnlichkeitsabbildungen. In der synthetischen Geometrie nennt man sie auch Homothetien.[2]
Neben zentrischen Streckungen gibt es axiale Streckungen, bei denen die Punkte einer Gerade, der Achse, Fixpunkte sind. Z.B.: ist eine Streckung an der y-Achse.[3] Axiale Streckungen sind i.a. keine Ähnlichkeitsabbildungen.
Eigenschaften
Abbildung von Geraden, Strecken, Winkel
Für eine zentrische Streckung gilt
- Eine Gerade wird auf eine dazu parallele Gerade abgebildet. Damit bleiben Winkel unverändert. Die Abbildung ist also geradentreu und winkeltreu.
- Das Verhältnis zweier Strecken bleibt erhalten.
Denn: Für die zentrische Streckung
und die Gerade mit der Parameterdarstellung besteht aus der Punktmenge, die durch die Gleichung beschrieben wird. Dies ist eine Gerade mit dem Richtungsvektor .
Sind zwei Punkte, so ist ihr Abstand und der Abstand ihrer Bilder. Damit bleibt das Verhältnis zweier Strecken unverändert.
Konstruktion eines Bildpunktes
Ist von einer zentrischen Streckung mit Zentrum das Bild eines Punktes gegeben, so lässt sich das Bild eines Punktes , der nicht mit kollinear liegt, mit Hilfe eines Strahlensatzes zeichnerisch bestimmen (siehe erstes Bild): ist der Schnittpunkt der Parallele zu mit der Gerade . Mit dem Paar lassen sich dann auch Punkte auf der Gerade bestimmen.
Hintereinanderausführungen
- Die Hintereinanderausführung zweier Streckungen mit demselben Zentrum ist wieder eine Streckung an . Die Streckungen mit festem Zentrum bilden eine Gruppe.
- Die Hintereinanderausführung zweier Punktspiegelungen an verschiedenen Zentren ist eine Parallelverschiebung in Richtung .
Führt man die beiden Punktstreckungen mit den verschiedenen Zentren
- hintereinander aus, so ergibt sich
- .
ist im
- Fall eine Parallelverschiebung in Richtung um den Vektor .
Im Fall ist
- ein Fixpunkt und es ist
- . D.h.:
- ist eine zentrische Streckung am Punkt mit dem Streckfaktor .
- liegt auf der Gerade .
In homogenen Koordinaten
Die zentrische Streckung lässt sich so in eine Streckung am Nullpunkt und eine Translation zerlegen:
- .
Ist , so wird in homogenen Koordinaten durch die folgende Matrix beschrieben (siehe homogene Koordinaten):
- .
Verallgemeinerungen
- Die zentrische Streckung ist ein Beispiel für eine Dilatation. In der axiomatisch aufgebauten affinen Geometrie wird dieser Begriff mithilfe der Parallelität definiert.
- Die zentrische Streckung ist der Spezialfall einer Drehstreckung mit Drehwinkel 0.
- An Stelle des affinen 2- bzw. 3-dimensionalen Raumes über den reellen Zahlen, kann man zentrische Streckungen auch allgemeiner in jedem endlichdimensionalen affinen Raum über einem beliebigen Körper und sogar über einem beliebigen Schiefkörper definieren. Die „vektorielle“ Darstellung ist die Gleiche wie im reellen Fall, allerdings bilden die Parallelverschiebungen, die von einem Zentrum aus gestreckt werden, im Allgemeinen nur noch einen Linksvektorraum über dem Koordinatenschiefkörper.
- Im ebenen, zweidimensionalen Fall wird noch etwas allgemeiner auch noch dann von einer zentrischen Streckung gesprochen, wenn die Parallelverschiebungen (als Koordinaten-„Vektoren“) einer affinen Translationsebene über einem Quasikörper mit einem „Skalar“ aus dem Kern des Quasikörpers gestreckt werden.
In den beiden zuletzt genannten Fällen kann man im Allgemeinen weder von Winkel- noch von Längenverhältnistreue sprechen, da weder ein Winkelmaß noch ein Längenmaß existieren muss. Auch hier gehören die zentrischen Streckungen aber stets zu den Dilatationen und den Affinitäten und für Fixpunkte und Fixgeraden gilt das Gleiche wie im reellen Fall.
Siehe auch
Literatur
- Streckung In: Schülerduden – Mathematik II. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2004, ISBN 3-411-04275-3, S. 433–435
- Hans Schupp: Elementargeometrie. UTB Schöningh, Paderborn 1977, ISBN 3-506-99189-2 S. 126–133
- Susanne Müller-Philipp, Hans-Joachim Gorski: Leitfaden Geometrie. Vieweg+Teubner, 5. erweiterte Auflage, 2012, S. 208–218
- Ilka Agricola, Thomas Friedrich: Elementargeometrie. Vieweg+Teubner, 2. überarbeitete Auflage, 2009, S. 88–94
Weblinks
- Homethety (zentrische Streckung) auf cut-the-knot.org
- Jürgen Roth: Geomerie. Skript, Uni Koblenz-Landau
- Jürgen Roth: Zentrische Streckung – interaktive Illustration
- Zentrische Streckungen auf Geogebratube
Einzelnachweise
- Susanne Müller-Philipp, Hans-Joachim Gorski: Leitfaden Geometrie: Für Studierende der Lehrämter, Springer-Verlag, 2009,ISBN 3834892300, 9783834892300, S. 181
- Wilhelm Klingenberg: Lineare Algebra und Geometrie. Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg 2013, ISBN 3-642-77646-9, S. 208.
- Andreas Filler: Elementare Lineare Algebra: Linearisieren und Koordinatisieren, Springer-Verlag, 2011, ISBN 3827424135, 9783827424136, S. 261