Yoram Kaniuk

Yoram Kaniuk (hebräisch יוֹרָם קַנְיוּק Jōram Qanjūq; geb. 2. Mai 1930 in Tel Aviv; gest. 8. Juni 2013 ebenda) war ein israelischer Schriftsteller, Maler, Journalist und Theaterkritiker. Im Mittelpunkt seines Schaffens standen das Verhältnis zwischen dem Judentum und Israel und die Auseinandersetzung mit der Shoah, als Vorläufer der „Literatur der zweiten Generation“,[1] in der Kinder von Überlebenden die Traumata ihrer Eltern verarbeiten.

Yoram Kaniuk (2008)

Leben

Kaniuks Vater Mosche Itzchak stammte aus der galizischen Kleinstadt Tarnopol, studierte später an der Universität Heidelberg und lebte nach seiner Alijah zunächst in Degania Alef, wo er heiratete. Yoram Kaniuks aus Russland stammende Mutter kam bereits 1909 als Kind nach Israel, war dort Lehrerin und Schulinspektorin und schrieb Lehrbücher. Die Eltern zogen als Paar ins Kinderdorf Givʿat ha-Moreh, bevor Kaniuks Vater als Sekretär in den Dienst Meir Dizengoffs trat. Bei Gründung des Tel Aviv Museum of Art wurde Moscheh Kaniuk dessen erster Geschäftsführer an der Seite der Direktoren Karl Schwarz, Jenő Kolb und zuletzt Chaim Gamzou. In seinem (auto)biografischen Roman Das Glück im Exil erzählt Kaniuk vom Leben seiner Eltern und seinen eigenen Erfahrungen als Kind zweier sehr gegensätzlicher Charaktere, wobei er vor allem die Mutter als überwiegend kalt und abweisend erlebt.

Kaniuk verließ im Alter von 17 Jahren das Gymnasium Tichon Hadash in Tel Aviv, um Palmachkämpfer unter Jitzchak Rabin zu werden.[1] Er diente später auf einem Schiff, das Holocaust-Überlebende nach Israel brachte. Nachdem Kaniuk 1948 im Palästinakrieg verwundet[1] worden war, zog er für zehn Jahre nach New York. 1961 kehrte er nach Israel zurück.

Er veröffentlichte u. a. siebzehn Romane, sechs Bände mit Kurzgeschichten und vier Kinderbücher. In Israel blieb seinen Büchern lange der Erfolg versagt, während sie in zwanzig Fremdsprachen übersetzt wurden. Noch zu Lebzeiten wurde er aber auch in seinem Heimatland als wichtiger Vertreter der jungen israelischen Literatur anerkannt. Die Universität Tel Aviv verlieh ihm 2011 die Ehrendoktorwürde.[2]

Sein bekanntester Roman Adam Hundesohn (1968) erschien 1989 in Deutschland und war ein großer Erfolg.[3] Er wurde 2008 von Paul Schrader als Adam Resurrected verfilmt.

Als Yoram Kaniuk an Krebs erkrankte, übernahm der Nachtclubpionier Rolf Eden die Behandlungskosten. „Er hat mir damit das Leben gerettet“, erklärte Yoram Kaniuk in der 2011 erschienenen Dokumentation The Big Eden.[4]

Zu Lebzeiten hatte Yoram Kaniuk verfügt, keine Beerdigung zu erhalten, sondern seinen Körper der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.[5]

Rechtlicher Status als Israeli

Im Mai 2011 reichte Kaniuk eine Petition beim israelischen Innenministerium mit der Bitte um Änderung seines Religionstatus im Pass von «Jude» auf «Keine Religion» ein. Kaniuk begründete dies damit, dass sein Kind und sein Enkelkind einer gemischten jüdisch-christlichen Ehe entstammen und aus diesem Grunde juristisch den Eintrag «Keine Religion» im Pass tragen, und er in der Folge aus Solidarität den gleichen Status tragen wolle.[6] Weiterhin wünschte er nicht, als «Jüdisch Iranisch» oder «was die heutige Religion von Israel» ist, bezeichnet zu werden. Im Oktober 2011 entschied ein Verwaltungsgericht im Sinne des Klägers, so dass Kaniuk als Nationalität «Jude» im Pass trug, aber keinen Eintrag in der Rubrik Religion hatte. Viele hundert Israelis folgten diesem Schritt. Der Prozess um den Austrag der Religionszugehörigkeit aus dem Pass wird seither in Israel «lə-hitqanjeq» (hebräisch לְהִתְקַנְיֵק sich verkaniuken) genannt.[6][7]

Werke (in deutscher Übersetzung)

  • Wilde Heimkehr. Roman. Klett-Cotta, Stuttgart 1984, ISBN 3-608-95185-7.
  • Bekenntnisse eines guten Arabers. Alibaba, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-922723-64-0.
  • Adam Hundesohn. Roman. Hanser, München 1989, ISBN 3-446-14879-5; List, München 2006, ISBN 3-548-60625-3.
  • Der letzte Jude. Roman. Dvorah, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-927926-02-7; Insel, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-458-33257-X.
  • Wasserman. Alibaba, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-86042-102-6; dtv, München 1995, ISBN 3-423-78072-X.
  • Hiob, Pebble und der Elefant. Alibaba, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-86042-151-4.
  • Die Kakerlaken im Haus des Dichters. Alibaba, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-86042-175-1.
  • Tante Schlomzion die Große. Roman. Dvorah, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-927926-11-6.
  • Das Glück im Exil. Roman. List, München 1996, ISBN 3-471-79320-8; Econ & List, München 1999, ISBN 3-612-27435-X.
  • Das zweifach verheißene Land (mit Emil Habibi). List, München 1997, ISBN 3-471-79351-8.
  • Das Bild des Mörders. Roman. List, München 1998, ISBN 3-471-79352-6; Econ & List, München 1999, ISBN 3-612-27674-3.
  • Und das Meer teilte sich. Der Kommandant der Exodus. List, München 1999, ISBN 3-471-79385-2; ebd. 2001, ISBN 3-548-60033-6.
  • Verlangen. Roman. List, München 2001, ISBN 3-471-79408-5; ebd. 2003, ISBN 3-548-60285-1.
  • Der letzte Berliner. List, München 2002, ISBN 3-471-79454-9.
  • Die Queen, ihr Liebhaber und ich. Roman. List, München 2004, ISBN 3-471-79484-0; ebd. 2005, ISBN 3-548-60549-4.
  • I Did It My Way. Roman. List, München 2005, ISBN 3-471-79494-8; ebd. 2006, ISBN 3-548-60628-8.
  • Die Vermisste. Roman. Claassen, Berlin 2007, ISBN 978-3-471-79548-4.
  • Zwischen Leben und Tod. Ein autobiographischer Roman. Claassen, Berlin 2009, ISBN 978-3-546-00444-2.
  • 1948. Autobiographischer Roman. Übersetzung Ruth Achlama. Aufbau, Berlin 2013, ISBN 978-3-351-03523-5.

Verfilmungen

Literatur

  • Yoram Kaniuk: Galizien in Wien. In: Gabriele Kohlbauer-Fritz (Hrsg.): Zwischen Ost und West. Galizische Juden und Wien. Jüdisches Museum der Stadt Wien, Wien 2000, S. 8–20 (Kaniuk über seinen Vater in Wien)
Commons: Yoram Kaniuk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stefana Sabin: Spiegelgalerie der Ängste – Zum Tod des israelischen Schriftstellers Yoram Kaniuk. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 131. Zürich 10. Juni 2013, S. 42.
  2. Ehrendoktoren der Universität Tel Aviv
  3. Andreas Platthaus: Eine Ausnahme in seiner Generation. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Juni 2013, abgerufen am 12. Juni 2013.
  4. Elmar Krekeler: Geld haben heißt Frauen haben. In: Welt. 8. Dezember 2011, abgerufen am 25. September 2021.
  5. Spiegel-Autor hpi/Agence France-Presse: Gefeierter israelischer Autor: Yoram Kaniuk ist tot. In: Der Spiegel, 9. Juni 2013.
  6. Mazal Mualem: Israeli Author Yoram Kaniuk Asks Court to Cancel His 'Jewish' Status – Earlier request to Interior Ministry was turned down, with Kaniuk explaining in his petition that he does not wish to be part of a 'Jewish Iran'. In: Haaretz. 15. Mai 2011, abgerufen am 25. September 2021 (englisch).
  7. Gershom Gorenberg: A Jew of No Religion – An Israeli novelist gets a legal writ of divorce between Jewish ethnicity and religion. In: The American Prospect. 19. Oktober 2011, abgerufen am 25. September 2021 (englisch).
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