Wirk-Prinzip-Prüfung
Die Wirk-Prinzip-Prüfung, auch Wirkprinzipprüfung geschrieben, ist eine systemübergreifende Prüfung der Wirksamkeit und Betriebssicherheit sicherheitsrelevanter Anlagen zur Erfüllung der geforderten Schutzziele aus den bauordnungsrechtlichen Forderungen unter besonderer Berücksichtigung aller hiermit in Abhängigkeit stehender technischer Gewerke,[1] kurz: Prüfung der Brandfallsteuermatrix insbesondere bei vernetzter, „smarter“ Gebäudetechnik in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit.
Hier werden keine einzelnen Anlagen geprüft, sondern das gesamte bauliche Objekt. So kann z. B. die Funktion eines Feuerschutzvorhanges in der Einzelprüfung erfolgreich und mangelfrei sein, in der Wirk-Prinzip-Prüfung stellt sich jedoch heraus, dass die maschinelle Entrauchung zu einem Aufblähen des Vorhanges und damit, abgesehen von einer Gefahr des frühen Versagens des Vorhanges, zu einem nicht akzeptablen Restspalt führen kann, in dessen Folge sich auch bestimmte Türen in Rettungswegen nicht öffnen lassen oder nach dem Öffnen ihre Funktion des Selbstschließens nicht mehr ausführen können.
Rechtliche Vorgaben
Seit 2012 ist die Wirk-Prinzip-Prüfung Bestandteil der Prüfverordnungen der Bundesländer. Anfänglich in Niedersachsen und Bremen, inzwischen verpflichtend in zehn Bundesländern. Dabei wird sie im Baurecht der einzelnen Bundesländer unterschiedlich manifestiert. So wird sie namentlich und auch in ihrer Durchführung in der Muster-Prüfverordnung erwähnt: MPrüfVO; § 2 Prüfungen: „Durch Prüfsachverständige für die Prüfung technischer Anlagen müssen auf ihre Wirksamkeit und Betriebssicherheit einschließlich des bestimmungsgemäßen Zusammenwirkens von Anlagen (Wirk-Prinzip-Prüfung) geprüft werden.“[2]
Das Land Niedersachsen greift zu einer, um „andere Anlagen“, erweiterten Formulierung: § 30, Regelmäßige Überprüfung technischer Anlagen. „(1) Technische Anlagen in … Aufzählung der Sonderbauten… müssen, wenn sie der Erfüllung bauordnungsrechtlicher Anforderungen dienen, durch Sachverständige im Sinne des § 1 der Bauordnungsrechtlichen Sachverständigenverordnung (BauSVO) oder des § 5 Abs. 1 oder 4 BauSVO auf ihre Wirksamkeit und Betriebssicherheit einschließlich des bestimmungsgemäßen Zusammenwirkens untereinander und mit anderen Anlagen überprüft werden.“[3]
Bundesland | Verordnung | Fundstelle |
---|---|---|
Berlin | BetrVO: 2017-03 | Teil II, § 2, Abs. 2 |
Brandenburg | BbgSGPrüfV: 2016-09 | § 2, Abs. 1 |
Bremen | BremAnlPrüfV: 2016-01 | § 2, Abs. 1 |
Hessen | TPrüfV: 2020-12 | § 2, Abs. 1 |
Mecklenburg-Vorpommern | BauPrüfVO M-V: 2016-04 | Teil 4, Abschnitt 1, § 28, Abs. 2 |
Niedersachsen | DVO-NBauO: 2012-09 | § 30, Abs. 1 |
Nordrhein-Westfalen | PrüfVO NRW: 2018-12 | Teil 1, § 2, Abs. 1 |
Sachsen | SächsTechPrüfVO: 2014-11 | § 2, Abs. 1 |
Sachsen-Anhalt | TAnlVO: 2014-11 | § 2, Abs. 1 |
Schleswig-Holstein | PrüfVO: 2021-05 | § 2, Abs. 1 |
Muster der IS-ARGEBAU | MPrüfVO: 2011-03 | § 2, Abs. 1 |
Allerdings ist das bestimmungsgemäße Zusammenwirken der einzelnen Gewerke der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) nicht nur in Sonderbauten wichtig. Die Vernetzung nimmt für alle Gebäudetypen zu. In vielen Bauvorhaben werden neben der geforderten Brandfallmatrix auch noch Matrizen in weiteren Gewerken, auch hier übergreifend, erstellt. Ein Großteil dieser Matrizen entzieht sich der Prüfung durch TGA-Planer, weil diese die Prozessabläufe in Einrichtungen betreffen, die nicht dem Baurecht unterliegen, wie z. B. Förderanlagen oder Produktionslinien. Die Information aus den Sicherheitsgewerken in diese Richtung wird hier teilweise als Befehl verstanden und es werden unabhängige Steuervorgänge ausgelöst. Dies führt vielfach zu konkurrierenden Steuerbefehlen, die im Gefahrenfall in den angesteuerten Gewerken oft nicht den gewünschten und sicherheitstechnisch geplanten Zustand herbeiführt. Selbst Systeme, die keine direkten Schnittstellen miteinander haben, können sich gegenseitig ungünstig beeinflussen.
Durchführung der Wirk-Prinzip-Prüfung
Für die Durchführung der Wirk-Prinzip-Prüfung können Betreiber bzw. Auftraggeber aus den Prüfsachverständigen der prüfpflichtigen Anlagen einen Sachverständigen, z. B. freie Sachverständige, solche des TÜV oder der VdS Schadenverhütung, als führenden Sachverständigen benennen.[4] Dieser Sachverständige definiert, möglichst in Abstimmung mit dem Brandschutzkonzeptersteller, die zu prüfenden Szenarien und erstellt die zugehörigen Prüfpläne. Die Anwesenheit aller Prüfsachverständigen sowie der Sachkundigen anderer beteiligter Anlagen ist Voraussetzung für die Durchführung der Wirk-Prinzip-Prüfung. Demzufolge ist der Aufwand für die Terminkoordination nicht zu unterschätzen. Zudem greift die Wirk-Prinzip-Prüfung in den geregelten Ablauf des baulichen Objektes ein.
Erstellung von Prüfplänen für die Prüfung
Für die Prüfung muss in der Vorbereitung ein detaillierter Prüfplan für alle zu prüfenden Szenarien erstellt werden. Über den Prüfplan definiert der Brandschutzkonzeptersteller die Soll-Funktion aller brandschutztechnisch relevanten Komponenten. Der Prüfer kann dann in der Prüfung Abweichungen von dieser Soll-Funktion leicht erkennen und als Mängel erfassen. Traditionell wurden diese Prüfpläne in sehr mühsamer Übertragungsarbeit in einem Tabellenkalkulationsprogramm wie Excel erstellt. Mittlerweile steht verschiedene Software zur Verfügung, diese Pläne in Sekunden automatisch aus der Brandfallsteuermatrix zu generieren.
Einzelnachweise
- Details. Abgerufen am 14. Juni 2019.
- Bauministerkonferenz: Musterprüfverordnung. (PDF) IS-Argebau, 2011, abgerufen am 14. Juni 2019.
- VORIS DVO-NBauO | Landesnorm Niedersachsen | Gesamtausgabe | Allgemeine Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung (DVO-NBauO) vom 26. September 2012 | gültig ab: 01.11.2012. Abgerufen am 14. Juni 2019.
- TP. Abgerufen am 14. Juni 2019.