Winchester Model 1898 Cannon
Die Winchester Model 1898 Cannon (englisch auch: Winchester Model 1898 Breech Loading Signal Cannon) ist eine Salutkanone mit einer Lauflänge von etwa 30 cm. Es handelt sich um einen patentierten Hinterlader zur Verwendung mit Flintenplatzpatronen im Kaliber 10 (19,69 mm). Die Kanone wurde von Winchester in den Jahren 1903–1958 produziert, seit 1976 von Lizenznehmer Bellmore-Johnson. Alle Original- und Lizenzexemplare wurden im New Haven County, Connecticut hergestellt.
Zum Einsatz kommt die Kanone vor allem für Salut- und Böllerschüsse bei Festen und als Startschuss-Kanone im amerikanischen Yachtsport.
Geschichte
Winchester
Die Kanone wurde von Charles H. Griffith entwickelt, der 1901 ein Patent auf den Hinterladerverschluss der Kanone erhielt.[1][2] Ein zweites, 1902 erteiltes Patent von Griffith auf einen Lademechanismus als Kipplaufwaffe ging nie in Produktion.[1] Ab 1903 wurde die Kanone von der Winchester Repeating Arms Company unter der Bezeichnung Winchester 1898 Breech Loading 10 Ga. Cannon im Winchester Catalog angeboten.
Die Standardausführung der Kanone war schwarz; dabei wurden die Lafette und die Räder entsprechend lackiert, das Rohr hingegen mittels Bläuen dunkel gefärbt.[3] Daneben wurde – jeweils um etwa den doppelten Verkaufspreis – eine vernickelte Variante produziert,[4] ab dem Jahr 1930 eine verchromte Version, wahlweise mit Gummireifen. Diese wurden 1955 durch weit wuchtigere Rasenmäherreifen von Firestone ersetzt. Da die Verkaufszahlen der Salutkanone im Vergleich zu den Handfeuerwaffen dauerhaft niedrig blieben, wurde die Produktion 1958 nach insgesamt 18.400 Stück schließlich eingestellt. Ersatzteile und Service waren danach noch für einige Jahre verfügbar.[1]
Für die Kanone passende Platzpatronen werden auch heute noch von Winchester selbst vertrieben.[5][6]
Bellmore-Johnson
Aufgrund ungebrochener Nachfrage vergab Winchester (seit den 1930ern Bestandteil der Olin Corporation) 1975[7] oder 1976[8] eine Lizenz zum Nachbau der Kanone an ihren langjährigen Geschäftspartner Bellmore-Johnson. Der Schusswaffenkonstrukteur aus Hamden hatte schon in der Vergangenheit Winchester-Modelle als Auftragsarbeit entwickelt.
Bellmore-Johnson nahm 1976 die Produktion auf und bot zusätzlich eine Messing-Ausführung in einer Mahagonikiste an. Im Jahr 2001 wurde die als solche vermarktete Naval Edition mit poliertem Messingrohr auf schwarzem Stahlgestell ergänzt.[7] Seit 2002 ist Bellmore-Johnson ein auf die Produktion der Kanone spezialisiertes Einzelunternehmen in North Branford, dessen Eigner Richard Care jährlich 250–300 Kanonen in Handarbeit herstellt.[9] Der mit der Werkstatt verbundene Cannon Store verkauft auch Salutkanonen anderer Hersteller, zum Teil detailgetreue Replikate historischer Schiffskanonen.
Nach der Schließung des Winchester-Hauptwerkes in New Haven im Jahr 2006[10] ist die Salutkanone die letzte Winchester-Waffe, die noch in der Region hergestellt wird.[9]
Markierungen und Unterschiede
Originale und Lizenzbauten sind technisch und – abgesehen von der Ausführungsversion – im Erscheinungsbild samt der gut sichtbaren Beschriftung identisch. Die Lafette trägt auch bei den Bellmore-Johnson-Exemplaren den originalen „W.R.A.Co.“-Schriftzug. Ebenso werden die Kiefernholzkisten authentisch reproduziert. Für korrekte Anwendung sind am Lauf groß das Kaliber „10 Ga“ sowie der Warnhinweis „NOT FOR BALL“ eingeprägt. Durch die Herstellerangabe als kleiner gesetzte Laufaufschrift lassen sich die Kanonen voneinander unterscheiden:
Winchester | Bellmore-Johnson |
---|---|
– [11] |
– [8] |
Ein weiterer Unterschied besteht in der Nummerierung. Ursprünglich verfügten die Kanonen nicht über Seriennummern, sondern über werksinterne Kennnummern, die paarweise in Lauf und Schildzapfen zur späteren Zusammenfügung eingeprägt wurden.[11] Zusätzlich wurden Kanonen für den Export durch eine Einprägung an der Laufseite nummeriert.[8] Erst ab einer Änderung der Vorlagen im Jahr 1955 waren für die Winchester-Kanonen sechsstellige Seriennummern vorgesehen; es ist jedoch unklar, ob bis zur Produktionseinstellung 1958 noch solche Exemplare gebaut wurden.[1] Die Nachbauten tragen Seriennummern dieser Art.[12]
Die Standardausführung der Nachbauten wird im Gegensatz zu den Originalen mittels einer moderneren Tauchlackierung schwarz gefärbt.[3]
Technik
Die Kanone, ein Hinterlader, verschießt ausschließlich Platzpatronen im Schrotkaliber 10 von der Länge 27⁄8 Zoll (7,3 cm).[8]
Der Verschluss ist unten am Rohr angelenkt und muss zum Laden abgeklappt werden. Das Verriegelungssystem entspricht dem eines Mausergewehrs; zwei Verriegelungselemente greifen in Ausfräsungen im Rohrende ein. Zum Entriegeln muss der Verschlussblock mit einem daran angebrachten Ladehebel um 15 Grad gedreht werden. Die Zündung erfolgt durch den zentral im Verschlussblock liegenden Zündstift. Dieser wird durch den unten am Rohr angebrachten Hahn mit Schlagfeder ausgelöst. Zum Abschießen durch den Schützen dient eine direkt am Hahn angebrachte Schnur.
Die Maße der Kanone betragen:[8]
Größe | Zoll | cm |
---|---|---|
Länge über alles | 17 | 43 |
Länge des Rohres | 12 | gut 30 |
Außendurchmesser des Rohres[1] | 11⁄4 bis 1908: 1 | gut 3 bis 1908: gut 2,5 |
Höhe | 71⁄4 | gut 18 |
Breite | 7 | knapp 18 |
Verwendung
Die Kanone wird vor allem zum Böllerschießen verwendet. Anlässe sind öffentliche Feste wie der Unabhängigkeitstag und Silvester, Gedenkfeiern beispielsweise zum 11. September[13] sowie private Feiern aller Art. Hauptabnehmer für diesen Zweck sind Veteranen- und Pfadfinderverbände.[9]
Insbesondere ist die Salutkanone Model 1898 wegen des großen Effekts und der einfachen Handhabung[8] die bevorzugte Waffe für Startschüsse zu Yachtrennen.[14][15] Hier wirkte sie historisch auch als Modernisierung gegenüber Startsignalen mit Flaggen.[16] Einen weiteren Einsatz fand die Kanone für Soundeffekte im Theater.[17]
Literatur
- Wolfgang Dicke: Der kleine Bums: Salut-Kanone Mod. 1898 von Winchester ist einfach zu handhaben in: Deutsches Waffen-Journal 39(2003), 7, Seite 68–69.
- Norm Flayderman: Flaydermans Guide to Antique American Firearms, 8. Edition, 2001, by Krause Publications, Iola, WI, USA, ISBN 0-87349-313-3, Seite 280.
- Thomas Henshaw: The History of Winchester Firearms 1866–1992, 6th Edition, 1993, by Academic Learning Company LLC, USA, ISBN 0-83290-503-8. Seite 56–57 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
- George Madis: The Winchester Handbook, 1st Edition, 1981, by Edwards Brothers, Ann Arbor, Michigan, Library of Congress CCN 81-68757, ISBN 0-910156-04-2, Seite 174/175.
Weblinks
Einzelnachweise
- Winchester Cannon History: The Winchester Years (1901-1958). Bellmore-Johnson, abgerufen am 21. März 2020.
- Winchester Cannon Patent Drawings. Bellmore-Johnson, abgerufen am 21. März 2020.
- Modern Winchester Cannon Manufacturing (Memento vom 4. Mai 2003 im Internet Archive)
- Madis
- Geschichte Waffen: 150 Jahre Winchester. Winchester Repeating Arms Company, 2016, abgerufen am 20. März 2020.
- Winchester Salutpatronen Kal 10 25 Stk. shootingstore.at, abgerufen am 28. März 2020.
- History of Winchester Cannons: The Bellmore Johnson Years (1975-Present). Bellmore-Johnson, abgerufen am 21. März 2020.
- Henshaw
- Jim Shelton: Last of the locally made Winchesters. nhregister.com, 2. Juli 2009, abgerufen am 22. März 2020.
- US Repeating Arms Company closed its New Haven facility in 2006 (Memento vom 7. Mai 2009 im Internet Archive)
- Richard Care: Winchester Cannon Barrel Roll Marking. bellmorejohnson.com, abgerufen am 30. März 2020.
- Winchester Brass Presentation Signal Cannon 1976 Edition American. Abgerufen am 30. März 2020.
- Mourning salute in Groton marks 9/11. theday.com, 12. September 2012, abgerufen am 24. März 2020.
- Angus Laidlaw: Kit Cannons to build for the Fourth In: Popular Mechanics, Juli 1979, S. 84 (Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Aaron Smith: 20 antique guns that fetched big bucks. cnn.com, 22. Dezember 2014, abgerufen am 22. März 2020.
- New Cannon Will Signal Future Sail Boat Races. In: Mason City Globe Gazette, 24. Juli 1936
- Norm Fleyderman: Flayderman's Guide to Antique American Firearms and Their Values, 2001, S. 280 (Snippet-Vorschau in der Google-Buchsuche)