Wilhelm Liebrecht
Wilhelm Liebrecht (* 24. März 1850 in Hannover;[1] 24. Februar 1925 ebenda)[2][Anm. 1] war ein deutscher Jurist[2] und Verwaltungsbeamter. Als Präsident der späteren Landesversicherungsanstalt Hannover engagierte Liebrecht sich sozialpolitisch unter anderem[1] als Baurat[3] für den Arbeiterwohnungsbau und die Wohnungsreform.[1]
Leben
Wilhelm Liebrecht wurde 1850 in Hannover geboren als Sohn des Buchhalters Christian Daniel Liebrecht (* 1799) und der Johanne Henriette Auguste Friederike Liebrecht, geborene Spellerberg (* 1822). Er bekannte sich zur katholischen Konfession.[1]
Nach seiner Schulbildung studierte Liebrecht Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen, wo er am 15. Februar 1873 zum Dr. jur. promoviert wurde.[4] Im Jahr 1879 wurde er zum rechtskundigen Senator der Stadt Hannover berufen. Nach der durch den Reichskanzler Otto von Bismarck ins Leben gerufenen Sozialgesetzgebung[2] wirkte Wilhelm Liebrecht ab 1892 und bis zum Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 als Landesrat sowie als Vorsitzender der Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt Hannover. 1890 war Liebrecht Mitbegründer und von 1890 bis 1902 Vorstandsmitglied im Volksverein für das katholische Deutschland. Zudem war er Mitglied im Beirat der Zentralstelle für Volkswohlfahrt (ZfVW).[1] Liebrecht war auch einer der wesentlichen Gründer der Misburger Baugenossenschaft.[5]
1902 war Liebrecht in Berlin Teilnehmer der Ersten Internationalen Tuberkulose-Konferenz.[6] Später nahm der mittlerweile zum Geheimen Regierungsrat Ernannte mit Hauptarbeitssitz in der Landesversicherungsanstalt Hannover beispielsweise am XIV. Internationalen Kongress für̈ Hygiene und Demographie in Berlin teil.[7]
Unterdessen hatte Liebrecht bereits 1904 den sogenannten Siebener-Ausschuss der Konferenz der Invaliditätsversicherungsanstalten angeregt, als deren Mitglied er sich dann auch betätigte, wie auch 1908 im sogenannten Elfer-Ausschuss. 1911 regte er die Bildung eines gemeinsamen Konferenzverbands der Invaliditätsversicherungsanstalten sowie des ständigen Ausschusses an, dessen Geschäftsführung er übernahm. In der Folge blieb Liebrecht Mitglied des ständigen Ausschusses des Verbands Deutscher Landesversicherungsanstalten.[1]
Parallel zu seinen vorgenannten Aufgaben engagierte sich Wilhelm Liebrecht ab 1904 als Vorsitzender im Hauptausschuss und von 1908 bis 1914 als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins für Wohnungsreform.
Nachdem er 1905 hauptsächlicher Begründer des Landesvereins für Volkswohlfahrt war,[2] übernahm er den Vorsitz der dann Hauptverein für Volkswohlfahrt genannten Organisation mit Sitz in Hannover.[1]
Besondere Verdienste erwarb sich Wilhelm Liebrecht, indem er die Kapitalmittel der damaligen Invalidenversicherungsanstalten zur Förderung des Wohnungsbaus für Arbeiter beziehungsweise für die Wohnungsreform einsetzte.[1] Sein Lebenswerk, sein Engagement für die Wohlfahrt des Volkes, die Armenpflege, die Volksgesundheit und die Fürsorge für die Arbeiterschicht, ist auf sozialpolitischem Gebiet „von großer historischer Bedeutung“ nicht zuletzt für die Landeshauptstadt Hannover.[2] Denn Liebrecht wirkte keinesfalls nur lokal, sondern auch überregional beispielsweise in der Stadt Göttingen: Für den dortigen Göttinger Spar- und Bauverein, die spätere Wohnungsgenossenschaft, stellte er als Vorsitzender der hannoverschen Landesversicherungsanstalt (LVA), die sich unter ihm zum größten Förderer des Kleinwohnungswesen entwickelt hatte, genügend Geldmittel zum Neubau von Wohnungen der Siedlung in der 1914 nach ihm benannten Liebrechtstraße.[8]
Anlässlich seines 70. Geburtstages[8] wurde Liebrecht wegen seines Wirkens auf dem Gebiet der vorbeugenden Hygiene 1920 durch die Universität Göttingen zum Dr. med. h. c. zum Ehrendoktor ernannt. Seine Verdienste für das Wohnungswesen, vor allem beim Bau von Arbeiterwohnungen, würdigte die Baufakultät der Technischen Hochschule Hannover[2] am 18. Dezember 1923 mit der Ernennung zum Dr. Ing. E. h.[3] „in Anerkennung seiner Verdienste um die Entwicklung des Kleinwohnungswesens und um die Förderung der Volksgesundheit.“[9] Inzwischen hatte Liebrecht den Vorsitz der 1922 gegründeten Genossenschaft Niedersächsische Heimstätte übernommen.[10]
1923 ging Wilhelm Liebrecht in Pension. Nach zweijähriger Vakanz übernahm Martin Frommhold dessen Aufgaben.[11]
Noch in seinem Todesjahr[2] verzeichnete das Adressbuch der Stadt Hannover für 1925 den Wohnsitz Liebrechts in der Meterstraße 46a.[12]
Ehrengrab
Wilhelm Liebrecht wurde auf dem Stadtfriedhof Engesohde beigesetzt. Auf Bitten seiner Urenkelin Mareile Schröder wurde die in Abteilung 28, Nummer 1056-58 gelegene Grabstelle im Jahr 2007 nach einstimmigen Beschluss des Kulturausschusses, des Ausschusses für Umweltschutz und Grünflächen sowie des Verwaltungsausschusses der Stadt Hannover als Ehrengrab in die städtische Ehrenpflege übernommen.[2]
Weitere Auszeichnungen
- 1900: Benennung der neu angelegten Liebrechtstraße in Misburg nach dem Leiter der LVA.[5]
- 1908: Charakter als Geheimer Regierungsrat[1]
- Roter Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub[1]
- Königlicher Kronen-Orden (Preußen) II. Klasse mit der Zahl 50[1]
- Wilhelm-Orden[1]
- Lippischer Hausorden, Ritterkreuz III. Klasse[1]
- Ehrenkreuz II. Klasse von Schaumburg-Lippe[1]
- Verdienstorden (Waldeck) III. Klasse[1]
- 1914: Anlage der Liebrechtstraße für die Kleinwohnungssiedlung an der Weender Landstraße in Göttingen[8]
Schriften
- Statuten für die Innungs-Schiedsgerichte. Versuch einer Ordnung des Verfahrens vor den Innungs-Schiedsgerichten, Hannover, 1882
- Der Bau von Arbeiterwohnungen mit Hülfe der Invaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalt Hannover, 2. Auflage, Hannover und Leipzig: Hahn'sche Hofbuchhandlung, 1893
- Reichshülfe für Errichtung kleiner Wohnungen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1900
- Die Förderung des Baues von Wohnungen für landwirtschaftliche Arbeiter durch die Landes-Versicherungsanstalt Hannover, eine Gegenschrift auf die Denkschrift der Landwirtschaftskammer für die Provinz Hannover über die Bestrebungen der Landwirtschaftskammer, die Mittel der Landes-Versicherungsanstalt Hannover in größerem Maße als bislang für den Arbeiterwohnungsbau in der Landwirtschaft zur Verwendung zu bringen, Hannover: Landes-Versicherungsanstalt, [1909]
Weblinks
Anmerkungen
- Abweichend wird wohl versehentlich das Sterbedatum 24. März 1925 genannt; vergleiche Dirk Hainbuch, Florian Tennstedt (Bearb.), Karin Christl (Mitarb.): Liebrecht, Wilhelm, Dr. med. h. c. und Dr. ing. h. c., in dies.: Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik ... S. 98; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
Einzelnachweise
- Dirk Hainbuch, Florian Tennstedt (Bearb.), Karin Christl (Mitarb.): Liebrecht, Wilhelm, Dr. med. h. c. und Dr. ing. h. c., in dies.: Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945, Band 1: Sozialpolitiker im Deutschen Kaiserreich 1871 – 1918, Kassel: university press 2010, ISBN 978-3-86219-038-6 und ISBN 978-3-86219-039-3, S. 98; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- o. V.: Drucksache Nr. 2441/2006: Übernahme eines Grabes in die Ehrenpflege, Text des von der Geschäftsordnungskommission empfohlenen Antrags in den Kulturausschuss, den Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen und den Verwaltungsausschuss sowie Beratungsverlauf mit einstimmigen Beschlüssen aus dem Jahr 2007 auf der Seite e-government.hannover-stadt.de vom 13. Dezember 2006 bis 15. Februar 2007
- Christian-Alexander Wäldner: Die Technische Hochschule Hannover und der Entzug akademischer Titel in der NS-Zeit. Ergebnisse hannöverscher Vorgänge unter der Berücksichtigung des Falles Walter Dux ( = Geschichte, Bd. 112), zugleich Masterarbeit 2012 an der Universität Hannover, Berlin; Münster: Lit Verlag, 2012, ISBN 978-3-643-11908-7, S. 115; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg-Augusts-Universität aus dem Jahre 1875, Göttingen: in Kommission der Dieterichschen Buchhandlung, 1875, S. 347; Digitalisat über Google-Bücher
- Helmut Zimmermann: Liebrechtstraße, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Sammelbände 35–38 (1981), S. 75; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Die erste internationale Tuberkulose-Konferenz. Berlin, 22.-26. October 1902; Bericht ( = La première conférence internationale antituberculeuse - Rapport) ( = The first international conference on tuberculosis - Report), hrsg. von ... Pannwitz, Berlin, 1903, S. 430; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Bericht über den XIV. Internationalen Kongress für Hygiene und Demographie. Berlin, 23. - 29. Sept. 1907, Band 1, Berlin: Hirschwald, 1908, S. 38, 110; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Henning Schreiber: Die Liebrechtstraße und ihr Namensgeber Wilhelm Liebrecht, in: WG aktuell. Mitgliederzeitung der Wohnungsgenossenschaft eG Göttingen, 22. Jahrgang, Ausgabe Nummer 35 vom Dezember 2015, S. 18; online als PDF-Dokument von der Seite wg-goe.de
- Zentralblatt der Bauverwaltung, Band 44 (1924), S. 14; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bände 91–92, Verlag August Lax, 1980, S. 499 u.ö.; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Karljosef Kreter: Stolpersteinverlegung 26. September 2018, Infoblatt als PDF-Dokument der Landeshauptstadt Hannover, Zentrale Angelegenheiten Kultur, Städtische Erinnerungskultur, Hannover: LHH, 2018
- Adressbuch Hannover 1925, Abteilung III: Alphabetisches Verzeichnis der Einwohner und Handelsfirmen, S. 263; Digitalisat der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek über die Deutsche Forschungsgemeinschaft