Wilhelm Lamszus
Wilhelm R. Lamszus (* 13. Juli 1881 in Altona; † 18. Januar 1965 in Hamburg) war ein deutscher Reformpädagoge und pazifistischer Schriftsteller.
Herkunft
Seine Eltern waren der Schumacher Christoph Lamszus (1846–1914) und dessen Ehefrau Wilhelmine Stepputat (1850–1928). Sein Vater war aktiver Sozialdemokrat zuerst in Skungerren (Ostpreußen) später in Hamburg-Altona.
Leben
Wilhelm Lamszus wurde vor allem durch seine Antikriegsschriften bekannt. So nahm er bereits 1912 mit Das Menschenschlachthaus. Bilder vom kommenden Krieg die Schrecken des Ersten Weltkriegs vorweg und wandte sich gegen den Militarismus der Wilhelminischen Zeit. Das Buch wurde 1915 verboten. Eine Neuauflage, die gemeinsam mit Das Irrenhaus, in dem Lamszus eigene Kriegserlebnisse schildert, und einem Vorwort von Carl von Ossietzky 1919 herauskam, erreichte hohe Auflagen.[1] Nach dem Krieg wurde das Werk wiederholt neu aufgelegt.[2]
Wegen dieses Bestsellers wurde Lamszus als „schlechter Deutscher“, „anarchosyndikalistischer Revolutionär“ und als „vaterlandsloser Geselle“ denunziert. Mit einem Forschungsauftrag zur Lage der deutschen Angehörigen der Fremdenlegion wurde er nach Nordafrika entsandt, anscheinend um ihn aus dem Schuldienst zu entfernen. Seine Rechercheergebnisse veröffentlichte 1914 Lamszus in dem Buch Der verlorene Sohn, bevor er selbst als Soldat in den Ersten Weltkrieg zog.[3]
1915 kehrte er nach Hamburg zurück und nahm seine Unterrichtstätigkeit wieder auf.[1] Bis 1918 stand er der SPD nahe, 1919 trat er in die neugegründete KPD ein, der er bis 1927 angehörte.[1]
Neben seinen Antikriegsschriften veröffentlichte Lamszus zahlreiche Arbeiten zur Aufsatzmethodik, Gesundheits- und Friedenserziehung. In den 1920er Jahren war er Lehrer an der Reformschule Tieloh-Süd in Hamburg-Barmbek, ab 1930 war er an der Meerweinschule (heute GS Winterhude) in der Jarrestadt tätig. In dieser Zeit unterhielt er auch enge Kontakte zu Hans Löhr, dem er zu einem Auftrag für den Bau von Webstühlen für die Schule Tiehloh und zu einer Vertretungsstelle als Werklehrer verhalf.[4] Als Hans Löhr sich Ende 1930 aufgrund seiner politischen Aktivitäten bedroht fühlte und Braunschweig verließ, verhalf ihm Lamszus zu einer Lehrerstelle an der Meerweinschule. Eine Schülerin von Löhr war hier Greta Wehner, damals noch Greta Burmester, die in der von Löhr mitgegründeten Landkommune Harxbüttel zur Welt gekommen war.[5]
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er als einer der ersten Hamburger Lehrer entlassen. Eine Professur an der Pädagogischen Hochschule Braunschweig, auf die er Aussichten gehabt hatte, durfte er nicht übernehmen. Von 1933 bis 1945 lebte Lamszus von seiner verminderten Pension und journalistischen Gelegenheitsarbeiten, die er unter Pseudonym veröffentlichte.[1]
1945 kehrte er nicht in den Schuldienst zurück. Einen Ruf als Rektor der Pädagogischen Hochschule Berlin lehnte er aus gesundheitlichen Gründen ab. Er arbeitete stattdessen für den Norddeutschen Rundfunk und veröffentlichte zu Themen der Lehrerbildung und der Gesundheit, die allerdings kaum Widerhall fanden.[1]
1960 verlieh ihm die Pädagogische Fakultät der Ost-Berliner Humboldt-Universität die Ehrendoktorwürde.
Familie
Er war zweimal verheiratet. Seine zweite Frau wurde 1926 Lucia Krahl (1903–1969). Das Paar hatte zwei Söhne und eine Tochter: Marianne, Hellmut und Olaf.
Schriften
- Das Menschenschlachthaus. Bilder vom kommenden Krieg, kommentierter Nachdruck der 1. Auflage von 1912, Weismann Verlag, München 1980, ISBN 3-921040-66-3.
- Das Irrenhaus: Visionen vom Krieg, Pfadweiser-Verlag, Hamburg 1919.
- Die Begabungsschule: Ein Beitrag zur geistigen Wiedergeburt, Westermann, Hamburg 1919.
- Der Leichenhügel: Gedichte während des Kriegs, Pandora-Verlag, Leipzig 1921.
- Der verlorene Sohn: Eine Geschichte aus der Fremdenlegion, G. Westermann, 2. Auflage, Braunschweig 1921.
- Der große Totentanz: Gesichte und Gedichte vom Krieg, Hamburger Kulturverlag, Hamburg 1946.
- Pädagogische Dilettanten oder geborene Erzieher: Kulturreform durch Lehrerauslese, Hamburger Kulturverlag 1948.
- Das Geheimnis der Gesundheit: Selbstbefreiung aus dem Krankheitselend, Wenk, Hamburg 1950.
- Giftgas über uns, Manuskript von 1932, veröffentlicht 2006.
Literatur
- Wolfgang Emmerich: Lamszus, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 472 f. (Digitalisat).
- Gesamtschule Winterhude (Hrsg.): 75 Jahre im Herzen der Jarrestadt. Eine Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der Schule in der Meerweinstraße (PDF; 18,7 MB), Hamburg 2005; darin S. 18: Mein Lehrer Wilhelm Lamszus.
- Hans Kaufmann u. a.: Geschichte der deutschen Literatur vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis 1917 (= Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 9). Verlag Volk und Wissen, Berlin 1974.
- Andreas Pehnke (Hrsg.): Antikrieg. Die literarische Stimme des Hamburger Schulreformers gegen Massenvernichtungswaffen. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-631-50762-3.
- Andreas Pehnke (Hrsg.): Der Hamburger Schulreformer Wilhelm Lamszus (1881–1965) und seine Antikriegsschrift „Giftgas über uns“ – Erstveröffentlichung des verschollen geglaubten Manuskripts von 1932. Sax-Verlag, Beucha bei Leipzig 2006, ISBN 978-3-934544-98-7.
- Andreas Pehnke (Hrsg.): Die literarische Werkausgabe des Hamburger Friedenspädagogen Wilhelm Lamszus (1881–1965). Sax-Verlag, Beucha bei Leipzig 2016, ISBN 978-3-86729-164-4.
- Andreas Pehnke: Grauen fällt uns an. In: Die Zeit. Nr. 32, 2012, S. 18 (zeit.de).
Weblinks
Einzelnachweise
- Wolfgang Emmerich: Lamszus, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 472 f. (Digitalisat).
- Wilhelm R. Lamszus: Das Menschenschlachthaus. Bilder vom kommenden Krieg. Hrsg. von Johannes Merkel und Dieter Richter. Weismann, München 1980; derselbe: Das Menschenschlachthaus. Bilder vom kommenden Krieg. Nabu Press, 2013; derselbe: Das Menschenschlachthaus. Visionen von Krieg. Erster und Zweiter Teil Donat Verlag, 2014.
- Andreas Pehnke: Grauen fällt uns an. In: Die Zeit, Nr. 32/2012.
- Hans Löhr: Lebenslauf vom 15. Oktober 1929. In: Günter Wiemann: Hans Löhr und Hans Koch – politische Wanderungen. Vitamine-Verlag, Braunschweig 2011, ISBN 978-3-00-033763-5, S. 25–26
- Günter Wiemann: Hans Löhr und Hans Koch – politische Wanderungen. Vitamine-Verlag, Braunschweig 2011, ISBN 978-3-00-033763-5, S. 44