Wilhelm Gerstel (Bildhauer)
Wilhelm Gerstel (* 7. Januar 1879 in Bruchsal; † 21. Januar 1963 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Bildhauer, Medailleur und Hochschullehrer.[1]
Leben
Wilhelm Gerstel begann 1894 eine Ausbildung als Steinmetz und Steinbildhauer in Pforzheim und besuchte daneben Abendkurse der Kunstgewerbeschule Pforzheim. Von 1898 bis 1903 studierte er in der Bildhauerklasse bei Hermann Volz an der Karlsruher Kunstakademie. 1905/1906 bereiste er Italien und ließ sich dann in Karlsruhe als freischaffender Künstler nieder. 1913 zog er nach Berlin um. Ab 1915 nahm er am Ersten Weltkrieg teil und befand sich bis 1920 in Kriegsgefangenschaft. Nach einjähriger Tätigkeit als Professor an der Karlsruher Kunstakademie wurde er 1921 nach Berlin an die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin berufen, 1924 als Lehrer für Plastik (Freie Kunst) an die Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst, wo er bis zur Versetzung in den Ruhestand am 1. Februar 1945 lehrte. Mit Cay-Hugo von Brockdorff, Fritz Cremer, Ruthild Hahne, Fritz Melis, Gustav Seitz und Waldemar Grzimek gehörten sehr erfolgreiche Bildhauer zu seinen Schülern. Öffentliche Aufträge erhielt er in der Zeit des Nationalsozialismus keine mehr. 1943/1944 brannten sowohl sein Atelier am Dienstort als auch sein privates Wohnhaus vollständig aus. Gerstel stand 1944 in der Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.[2]
Nach erneuter Berufung im Jahre 1946 zog er 1948 nach Freiburg im Breisgau, wo er 1949 Leiter der Bildhauerklasse an der Freiburger Kunstakademie wurde und bis zu deren Auflösung im Jahr 1956 blieb.
In erster Ehe war Gerstel mit der Bremer Malerin Mili Plump (1879–1947) verheiratet.[3] Aus dieser Ehe entstammte die spätere Bildhauerin Doris Balz.
In zweiter Ehe war er seit 1930 mit der erheblich jüngeren Bildhauerin Christiane Gerstel-Naubereit (1901–2001) verheiratet, die sich in den 1950er Jahren sehr um die Restaurierung seiner früher entstandenen und geretteten Werke bemühte.
Werk
Gerstels Arbeitsweise kann als präzise und akademisch bezeichnet werden; vor der plastischen Umsetzung hatten seine Studentinnen und Studenten wochenlang nach Modell Entwürfe zu zeichnen. Diese kalkulierte, auf Leonardo da Vinci u. a. zurückreichende Methodik machte ihn zum Gegner seiner Kollegen Edwin Scharff und Ludwig Gies sowie der Vertreter der zeitgenössischen Moderne. In seiner (unveröffentlichten) Schrift Vom Wesen der Plastik legte er seine künstlerischen Auffassungen nieder. Theobald Hauck (1902–1980) war einer seiner Schüler.[4]
Mit dem Architekten Eugen Schmohl schuf er bis 1926 einen Brunnen mit dem Motiv der Schwebenden. Der Brunnen wurde im selben Jahr auf der Ausstellung GeSoLei präsentiert und später im Bochumer Rosengarten aufgestellt. Am 14. Juli 1929 wurde in Cottbus ein identischer Brunnen als Enke-Brunnen auf dem Breitscheidplatz aufgestellt.[5] Im Jahr 2007 diente dieser als Vorbild, um den Bochumer Brunnen restaurieren zu können.[6]
- Skulptur des Erzengels Michael auf der Kuppel der Christuskirche in Mannheim
- Hebel-Denkmal in Lörrach
- Brunnen im Stadtpark Bochum
- Enke-Brunnen in Cottbus
- „Aufstrebender“, Freiburg[7]
- „Trauernde“ in Neu-Temmen
- 1908: figürlicher Bauschmuck für die Christuskirche in Mannheim (Architekten: Theofil Frey, Christian Schrade)
- 1910: Hebel-Denkmal im Park vor der Hebelschule in Lörrach (ausgeführt durch die Gießerei Hans Clement in München)
- um 1911: Allegorien „Wahrheit“ und „Wissenschaft“ für das Kollegiengebäude I der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Architekt: Hermann Billing)
- 1912: Skulpturengruppe der vier Jahreszeiten in Bruchsal
- 1925: Standbild des Gefallenen-Ehrenmals für das Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3 im Lietzenseepark in Berlin-Charlottenburg (Architekt: Eugen Schmohl)
- 1927: plastischer Bauschmuck am Erweiterungsbau für das Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz in Berlin (Architekt: Eugen Schmohl; zerstört)
- 1927: Skulpturen am Ullsteinhaus in Berlin-Tempelhof[8]
- 1928: Skulptur einer „Trauernden“ für das Grabmal der Familie Michalowsky in Neu-Temmen (Architekt: Franz Seeck)
Ehrungen
- 26. April 1955: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse[9]
Literatur
- Joseph August Beringer: Gerstel, Wilhelm. In: Ulrich Thieme (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 13: Gaab–Gibus. E. A. Seemann, Leipzig 1920, S. 484 (Textarchiv – Internet Archive).
- Hans H. Hofstätter (Hrsg.), Dietmar Lüdke et al. (Bearb.): Wilhelm Gerstel 1879–1963. Plastisches und grafisches Werk (Katalog zur Ausstellung des Augustinermuseums Freiburg, 29. September – 28. Oktober 1979). Freiburg im Breisgau 1979.
- Hochschule der Künste Berlin (Hrsg.): Christine Fischer-Defoy: Kunst. Macht. Politik. Die Nazifizierung der Kunst- und Musikhochschulen in Berlin. Elefanten Press, Berlin 1988, ISBN 3-88520-271-9, S. #.
- Gerstel, Wilhelm, in: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main : S. Fischer, 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 180
- Dankmar Trier: Gerstel, Wilhelm. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 52, Saur, München u. a. 2006, ISBN 3-598-22792-2, S. 278–280.
Weblinks
Einzelnachweise
- Künstler. Wilhelm Gerstel. Deutsche Gesellschaft für Medaillenkunst e.V., abgerufen am 12. Juli 2014.
- Gerstel, Wilhelm. In: Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten : Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Kiel: Arndt, 2020 ISBN 978-3-88741-290-6, S. 103
- Gisela Hildebrand: Bremer Frauenmuseum - Frauenportraits: Bertha Plump (Memento des Originals vom 14. Januar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 2. Dezember 2011.
- Viktor Carl: Lexikon Pfälzer Persönlichkeiten. Hennig Verlag, Edenkoben 2004, ISBN 3-9804668-5-X, S. 329.
- Chronik 1929 auf den Seiten der Städtischen Sammlung Cottbus, abgerufen am 14. Februar 2020.
- Beispielhafter Cottbuser Enke-Brunnen (12. Juni 2007) auf cottbus.de, abgerufen am 22. Oktober 2011.
- Skulpturen-Projekt. In: Badische Zeitung vom 20. Oktober 2017 (lizenzpflichtige Internetseite)
- Ullsteinhaus in Berlin-Tempelhof. In: kudaba, die Kulturdatenbank. Abgerufen am 13. März 2021.
- Auskunft Bundespräsidialamt