Wehale
Wehale (bzw. Waihale oder Wehali, deutsch Feigenbaum-Wasser) war ein Reich auf der Insel Timor, das das Zentrum Timors für mehrere Jahrhunderte dominierte. Der Herrscher wurde nach dem mythischen Gründer des Reiches Liurai genannt. Ursprünglich war dieser Titel nur auf den Herrscher von Wehale beschränkt. Erst später wurde er auch für die anderen Stammesführer Timors verwendet. Das Zentrum lag im heutigen Desa Wehali (Distrikt Malaka Tengah, Regierungsbezirk Malaka).
Geschichte
Im rituellen Status stand über dem Liurai in der Hierarchie von Wehale die Maromak Oan (das Kind Gottes). Während der Liurai die männliche und aktive Seite verkörperte, stellte die Maromak Oan (nur symbolisch) das Weibliche und Inaktive dar. Der Legende nach hatte die Maromak Oan drei Söhne: Liurai (etwa „aus der Erde hervorragend“), Sonba’i und den Vorfahren des Herrschers von Likusaen (heute: Liquiçá) waren. Sonba’i herrschte im Westen Timors, das die Portugiesen Servião nannten, die Holländer Zerviaen oder Sorbian. Liurai gründete Wehale im Zentrum der Insel und der Osten wurde von Likusaen beherrscht. Andere Erzählungen nennen Luca statt Likusaen als das dritte Reich.
Den Kern des Wehale-Reiches bildeten Angehörige des Tetum-Volkes mit ihrer Hauptstadt Laran auf dem Gebiet des heutigen Westtimors. Laran war gleichzeitig das spirituelle Zentrum der gesamten Insel. Um seinen Kern herum hatte Wehale ein komplexes Bündnissystem durch Rituale, Heirat und Handel aufgebaut, das von den Stämmen der Ethnien der Tetum, Bunak und Kemak getragen wurde. Zusammen mit dem Osten der Insel nannten die Portugiesen dieses Gebiet Belu (auch Belos oder Behale). Die Holländer bezeichneten den Osten als Tetum, da deren Sprache dort schon damals als Lingua Franca verwendet wurde.
Ein Mitglied der Magellan-Expedition, Antonio Pigafetta, besuchte Timor kurz im Jahre 1522. Er berichtet von vier Hauptkönigen auf Timor: Oibich, Lichisana, Suai und Canabaza, die Brüder waren. Oibich war der Oberste der vier. Oibich konnte man zu Wewiku zuordnen, das in späteren Quellen als Stützpunkt Wehales bezeichnet wird. Suai ist Hauptstadt der heute osttimoresischen Gemeinde von Cova Lima und bildete wahrscheinlich mit Kamenasa (Canabaza, auch Camenaça, Camenasse) ein Doppelreich. Lichisana wird mit Liquiçá gleichgesetzt. Alle diese Reiche hatten ähnliche Herrschaftsstrukturen und lagen auf dem Gebiet von Belu. Kurz darauf begann die Ausweitung des portugiesischen Einflusses auf der Insel.
Mit der Ankunft der Niederländer auf Timor um 1640 begann die politische Teilung der Insel. Am 26. Mai 1641 besiegte der portugiesische Heerführer Francisco Fernandes eine Streitmacht des Liurais von Wehale an der Grenze zu Mena. Die Portugiesen begannen daraufhin unter Fernandes mit einer groß angelegten Militäraktion, um ihre Kontrolle auf das Inselinnere auszuweiten. Begründet wurde dieses Vorgehen mit dem Schutz der christianisierten Herrscher der Küstenregion. Die vorangegangene Christianisierung unterstützte die Portugiesen bei ihrem schnellen und brutalen Sieg, da ihr Einfluss auf die Timoresen den Widerstand bereits geschwächt hatte.[1] Fernandes führte den Feldzug mit nur 90 portugiesischen Musketieren durch. Unterstützt wurde er aber von zahlreichen timoresischen Kriegern.[2] Fernandes zog zunächst durch das Gebiet von Sonba’i und eroberte bis 1642 das Königreich Wehale, das als religiöses und politisches Zentrum der Insel galt. Mitglieder der königlichen Familie Wehales flohen nach Osten und heirateten dort in Herrscherfamilien ein. Viele adlige Familien beanspruchen daher auch heute noch ihre Abstammung von Wehale, selbst wenn dies zum Teil sehrfragwürdig ist.[3] Spätere Quellen berichten nur spärlich von Wehale. 1665 wurde es vom Topasse Mateus da Costa erneut eingenommen und seine Bewohner als Sklaven verkauft. In portugiesischen Berichten des frühen 18. Jahrhunderts taucht Wehale wiederholt auf, ohne dass man ihm große Bedeutung zuschreibt.
Als 1749 ein portugiesischer Angriff auf das niederländische Kupang in einem Desaster endete, brach die portugiesische Herrschaft in Westtimor zusammen. Ein Großteil der regionalen Herrscher Westtimors schlossen 1756 Verträge mit der niederländischen Ostindien-Kompanie. Darunter auch ein Jacinto Correa, König von Wewiku-Wehale und Großfürst von Belu, der auch im Namen vieler Gebiete im Zentrum Timors den dubiosen Vertrag von Paravicini unterschrieb. Dies beinhaltete Dirma, Lakekun, Samoro, Fatulete, Letisoli, Batuboro, Lanqueiro, Suai, Atsabe, Reimeia, Diribate, Maroba, Lidak, Jenilu, Sukunaba, Biboki und Insana und zudem die Einflusssphäre Wehales: Wewiku, Manufahi, Tiris, Alas, Luca, Viqueque, Corara und Banibani. Zum Glück der Portugiesen war Wehale nicht mehr mächtig genug, die lokalen Herrscher auf die Seite der Niederländer zu ziehen. So blieben die östlichen ehemaligen Vasallen Wehales unter der Flagge Portugals, während Wehale selbst unter niederländische Herrschaft fiel. 1906 wurde das Gebiet von Wehale endgültig in die Kolonialstruktur der Niederländer integriert, der lokale Herrscher verblieb. Er wurde als fetor (vom portugiesischen feitor für Pächter) oder korne (vom portugiesischen coronel für Oberst) betitelt. Eine kulturell-spirituelle Bedeutung Wehales für Timor blieb trotzdem erhalten. Als 1924 Nai Bot, der Große Fürst von Wehale starb, gab es auf ganz Timor Trauerbekundungen.
Siehe auch
Literatur
- H.G. Schulte Nordholt: The Political System of the Atoni of Timor, Den Haag 1971.
- Tom Terik: Wehali, the female land, 2004.
- B.A.G. Vroklage: Ethnographie der Belu in Zentral-Timor, Leiden 1953.
Belege
- Center for Southeast Asian Studies Northern Illinois University
- Hans Hägerdal:Servião and Belu: Colonial conceptions and the geographical partition of Timor (PDF-Datei; 338 kB)
- University of Coimbra - Population Settlements in East Timor and Indonesia (Memento vom 2. Februar 1999 im Internet Archive)
- History of Timor – Technische Universität Lissabon (PDF-Datei; 805 kB)
Einzelnachweise
- History and Politics: 2. b. Portuguese contact and historical experience – Center for Southeast Asian Studies, Northern Illinois University
- Frédéric Durand: Three centuries of violence and struggle in East Timor (1726-2008). (PDF-Datei; 237 kB) Online Encyclopedia of Mass Violence, (online), 7. Juni 2011, Zugriff am 28. Mai 2012, ISSN 1961-9898
- Douglas Kammen: Fragments of utopia: Popular yearnings in East Timor, Journal of Southeast Asian Studies, 40(2), S. 385–408 June 2009, doi:10.1017/S0022463409000216.