Wassil Tanew
Wassil Konstantinow Tanew (bulgarisch Васил Константинов Танев, deutsch-veraltet Wassil Konstantinoff Taneff, auch Vasil Taneff; * 21. November 1897 in Gevgelija, Osmanisches Reich; † 9. Oktober 1941 in Evangelistra) war ein bulgarischer Kommunist. Er wurde bekannt als einer der fünf Angeklagten im Reichstagsbrandprozess von 1933.
Leben und Wirken
Tanew erlernte das Schuhmacherhandwerk. Seit 1919 gehörte er der Bulgarischen Kommunistischen Partei an. 1923 nahm er am gescheiterten kommunistischen Septemberaufstand in Sofia teil. Anschließend floh er nach Jugoslawien. Die Jahre 1926 bis 1929 verbrachte er in der Sowjetunion, wo er für die Komintern tätig war. Später kehrte er nach Bulgarien zurück, wo er für die Partei tätig war, bevor er in den frühen 1930er Jahren nach Deutschland kam.
Wenige Tage nach dem Reichstagsbrand vom Februar 1933 wurde Tanew am 9. März 1933 in Berlin verhaftet – angeblich weil die Polizei Hinweise darauf hatte, dass er an der Inbrandsetzung des Gebäudes direkt als Mittäter oder hintergründig-organisatorisch beteiligt gewesen war.
Im Anschluss an die Voruntersuchung durch die Gestapo wurde Tanew im sogenannten Reichstagsbrandprozess zusammen mit dem im Reichstag angetroffenen Niederländer Marinus van der Lubbe sowie seinen beiden bulgarischen Landsleuten Georgi Dimitrow und Blagoi Popow und dem deutschen KPD-Politiker Ernst Torgler vor dem Reichsgericht in Leipzig angeklagt, den Anschlag auf das Reichstagsgebäude durchgeführt bzw. vorbereitet zu haben.
Die Verteidigung von Tanew und den anderen beiden Bulgaren übernahm der Rechtsanwalt Paul Teichert. Während der Verhandlungen, die sich vom 21. September bis 23. Dezember 1933 hinzogen, tat sich Tanew – wohl auch wegen seiner geringen Sprachkenntnisse – nur wenig hervor. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit galt vor allem van der Lubbe sowie dem prominenten Politiker Torgler und dem als Haupt-Wortführer der Angeklagten in Erscheinung tretenden Dimitrow.
Am Ende des Prozesses wurde Tanew am 23. Dezember zusammen mit Dimitroff, Popoff und Torgler freigesprochen, während van der Lubbe zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Trotz des Freispruchs wurden die drei übrigen Freigesprochenen nicht auf freien Fuß gesetzt, sondern zunächst in Schutzhaft gehalten. Über die Motive für diese Maßnahme werden in der Literatur unterschiedliche Gründe angeführt: Teilweise weil die NS-Führung über das Urteil des Gerichtes enttäuscht war und die Angeklagten ersatzweise durch Schutzhaft strafen wollte, und auch weil die Regierung sie vor wilden Übergriffen durch die SA schützen wollte, die in der Weltpresse ein negatives Licht auf den NS-Staat geworfen hätten.
Im Frühjahr 1934 bekamen Tanew, Popow und Dimitrow von Josef Stalin die sowjetische Staatsbürgerschaft verliehen. Daraufhin wurden sie zunächst nach Königsberg und von dort nach Moskau ausgeflogen. In der Sowjetunion galt Tanew wie die anderen beiden zunächst als Held, wurde später aber im Zuge der stalinistischen Säuberungen verhaftet und einige Jahre in einem Straflager am Polarkreis festgehalten.
Während des Zweiten Weltkrieges stellte Tanew sich der bulgarischen Partisanenbewegung zur Verfügung. Im September 1941 sprang er zusammen mit anderen Emigranten mit dem Fallschirm über Bulgarien ab. Dort wurde er schließlich verhaftet und erschossen.
Literatur
- Pierre Grégoire: Der Reichstagsbrand, 1978.
- Sven Felix Kellerhoff: Der Reichstagsbrand. Die Karriere eines Kriminalfalls. Be.bra-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-89809-078-0.
Weblinks
- Literatur von und über Wassil Tanew im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Alexander Bahar: Der Reichstagsbrandprozess, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politischen Strafprozesse, letzter Zugriff am 20. März 2020