Walther-Denkmal (Bozen)
Das Walther-Denkmal in Bozen wurde 1889 von Heinrich Natter geschaffen und ist Walther von der Vogelweide gewidmet. Es befindet sich auf dem zentralen Walther-von-der-Vogelweide-Platz. Das in Laaser Marmor ausgeführte Standbild Walthers steht auf einem Brunnen, der als Sockel dient.
Entstehung
Mit angestoßen von der Annahme, Walther von der Vogelweide stamme aus dem heutigen Südtirol, und vor dem Hintergrund einer darauf verweisenden Gedenktafelenthüllung in Lajen im Jahr 1874 wurde in Bozen kurz hernach ein Komitee gegründet, das sich für die Errichtung eines dem Dichter gewidmeten Denkmals einsetzte. Mitglieder dieses Komitees waren insbesondere Vertreter des deutschgesinnten nationalliberalen Bozner Bürgertums,[1] die Erzherzog Rainer für die Übernahme des Protektorats gewinnen konnten.[2] Das Denkmal sollte deutlich deutsch-nationale Symbolkraft besitzen und durch den nach Süden blickenden Walther gewissermaßen das Grenzgebiet des deutschen zum italienischen Sprach- und Kulturraum markieren und verteidigen.[3] Am 14. und 15. September 1889 wurde die Arbeit des Künstlers Heinrich Natter aus Laaser Marmor feierlich auf dem neben der Bozner Stadtpfarrkirche gelegenen Johannsplatz, der später in Waltherplatz umbenannt wurde, eingeweiht.[4] Die Festrede hielt der deutsche Germanist Karl Weinhold. Als Vorbild des Denkmals diente der 1873–1877 nach einem Entwurf Friedrich von Schmidts geschaffene Rudolfsbrunnen in Innsbruck.[5]
Baubeschreibung
„Das Walther-Denkmal selbst bildet eine wunderbare Zierde des Johannesplatzes. Es ist ein im romanischen Styl gehaltener Brunnen, dessen Abschluß die Statue des Sängers bildet. An der nördlichen und südlichen Seite sind zwei große Bassins, während an den beiden andern Seiten je ein Löwe als Wächter sitzt, der eine mit dem Wappen des alten deutschen Reiches, der andere mit dem Wappen Tyrols. Als Wasserspeier fungirt an der nördlichen, wie an der südlichen Seite, ein Schwan (Zeichen des Gesanges). Nach Oben geht der Aufbau in ein aus 10 Säulen gebildetes Rundtempelchen über, auf welchem das drei Meter hohe Standbild Walthers steht. Es hält die Arme über die Brust gekreuzt und schaut nachdenklich in die Ferne; eine Hand hält die Fiedel. Walther ist gedacht in der Stimmung, die sein Lied „ich hört' ein wazzer diezen“ (ich hört ein Wasser rauschen) ausdrückt. Sein Antlitz ist fein, würdevoll und edel und macht der Ausdruck des Kopfes allein schon dem Künstler alle Ehre.“[6]
Rezeption
Als Antwort auf das deutschnational konnotierte Walther-Denkmal wurde 1896 das irredentistisch aufgeladene Dante-Denkmal in Trient eingeweiht.[4]
Nach dem Ersten Weltkrieg und der Annexion Südtirols durch Italien wurde von Ettore Tolomei ab 1923 die Entfernung des Denkmals und seine Ersetzung durch ein Standbild von Drusus gefordert, dessen Aufstellung aber unterblieb, nachdem in der „Waltherfrage“ sogar eine außenpolitische Kontroverse zwischen Benito Mussolini, Gustav Stresemann und Heinrich Held entstanden war.[7] 1935 veranlassten die faschistischen Behörden eine Versetzung in den weniger zentral gelegenen Roseggerpark.[8] Der Vorgang fand sogar Resonanz in der deutschen Satirezeitschrift Simplicissimus, die 1935 eine entsprechende Vignette von Karl Arnold brachte.[9] Seit dem 2. November 1981 steht das Walther-Denkmal wieder an seinem ursprünglichen Standort, nachdem sich ein Bürgerkomitee seit 1976 für die Rückführung auf den Waltherplatz stark gemacht hatte.[10]
Literatur
- Georg Mühlberger, Elda Tabarelli: Walther von der Vogelweide und Südtirol. Stadtgemeinde Bozen, Bozen 1985.
- Joachim Albrecht: Limesfiguren. Denkmalkriege in Südtirol. In: Werner K. Blessing, Stefan Kestler, Ulrich Wirz (Hrsg.): Region – Nation – Vision. Festschrift für Karl Möckl. Universitätsverlag Bamberg, Bamberg 2005, ISBN 3-933463-19-X, S. 151–166.
- Oswald Egger, Hermann Gummerer (Hrsg.): Walther, Dichter und Denkmal. edition per procura, Lana 1990, ISBN 3-901118-00-4.
- Bruno Mahlknecht: Bozen durch die Jahrhunderte. Band 4. Athesia Spectrum, Bozen 2007, ISBN 978-88-6011-077-0, Das Walther-Denkmal in Bozen, S. 83–94.
Weblinks
- Die feierliche Enthüllung des Walther-Denkmals. Bericht der Bozner Zeitung, 467. Jg., Nr. 213, vom 17. September 1889 (Online auf digital.tessmann.it)
Einzelnachweise
- Hans Heiss (1990): Dichterfürst und Bürgertum – Walthers Beitrag zur Konstituierung und Selbstrepräsentation des bürgerlichen Lagers in Südtirol. In: Oswald Egger, Hermann Gummerer (Hrsg.): Walther, Dichter und Denkmal. Wien/Lana: edition per procura, S. 45
- Reinhard Johler (1995): Walther von der Vogelweide – Erinnerungskultur und bürgerliche Identität in Südtirol. In: Hanns Haas, Hannes Stekl (Hrsg.): Bürgerliche Selbstdarstellung. Städtebau, Architektur, Denkmäler. Wien: Böhlau, S. 200
- Hans Heiss, Hannes Obermair (2012): Erinnerungskulturen im Widerstreit. Das Beispiel der Stadt Bozen/Bolzano 2000–2010. In: Patrick Ostermann, Claudia Müller, Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.): Der Grenzraum als Erinnerungsort. Über den Wandel zu einer postnationalen Erinnerungskultur in Europa (Histoire 34). Bielefeld: transcript, ISBN 978-3-8376-2066-5, S. 63–79, Bezug S. 66.
- Werner Telesko (2008): Kulturraum Österreich: Die Identität der Regionen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts. Wien: Böhlau, S. 344
- Christoph Hölz, Klaus Tragbar, Veronika Weiss (Hrsg.): Architekturführer Innsbruck. Haymon, Innsbruck 2017, ISBN 978-3-7099-7204-5, S. 59.
- Andreas Hofer. Wochenblatt für das Tyroler Volk. Ausgabe vom 19. September 1889, S. 378.
- Hannes Obermair: Walthers Dichterexil vor 80 Jahren. In: Stadtarchiv Bozen (Hrsg.): Das Exponat des Monats des Stadtarchivs Bozen. Nr. 46, Oktober 2015 (Online [PDF; 337 kB; abgerufen am 30. Juni 2021]).
- Reinhard Johler: Walther von der Vogelweide – Erinnerungskultur und bürgerliche Identität in Südtirol. In: Hanns Haas, Hannes Stekl (Hrsg.): Bürgerliche Selbstdarstellung. Städtebau, Architektur, Denkmäler. Wien: Böhlau 1995, S. 186
- Simplicissimus, Jg. 40, 1935, Heft 2, S. 24.
- Walther kehrte vor 20 Jahren heim, in: Dolomiten, 31. Oktober 2001.