W. A. Th. Müller
Wilhelm Adolph Theodor Müller, später Müller-Neuhaus (* 1874[1]; † unbekannt), war ein deutscher Ingenieur, Fahrzeugkonstrukteur und Unternehmer („Müller-Züge“) sowie Nationalökonom.[2] Müller führte seinen Namen grundsätzlich mit vorangestelltem W. A. Th. anstelle der ausgeschriebenen Variante seiner Vornamen.
Leben
Wilhelm Müller war Oberingenieur bei den Siemens-Schuckertwerken. Nebenbei befasste er sich mit dem von den Brüdern Charles und Paul Renard entwickelten „Train Renard“, einem Zug für die Straße. Seine Studienergebnisse publizierte er 1907 im technischen Verlag M. Krayn, Berlin.
W. A. Th. Müller Straßenzug, später Müllerzug
Im Jahr 1907 gründete er in Berlin-Steglitz die Firma Wilhelm A. Th. Müller Straßenzug-Ges.m.b.H. (kurz: Wilhelm A. Th. Müller GmbH), die bis 1914 unter diesem Namen bestand.[3] Das Stammkapital betrug zunächst 100.000 Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 638.000 Euro).[4] 1908 trat der Werdauer Kaufmann Wilhelm Schön als Mitgesellschafter in das Unternehmen ein. Das Stammkapital wurde auf 400.000 Mark erhöht.[5] Zu seiner Unterstützung stellte er den Maschinenbauingenieur Erwin Aders, der bis zu seinem Wechsel zu Büssing im Jahr 1912 als Konstrukteur im Unternehmen verblieb. Mit Aders entwickelte er gemeinsam bis 1908 den ersten Straßenlastzug mit einer Gesamtnutzlast von 30 t. Die beiden Motoren der Zugmaschine lieferten auch den Strom für die Radnabenmotoren des gesamten Zuges.[6]
Im Ersten Weltkrieg diente Wilhelm Müller im Reserveregiment 27, dann bei der Inspektion des Kraftfahrwesens, zuletzt im Dienstgrad eines Hauptmannes (später: Hauptmann d. R.).[7]
1921 erfolgte – gemeinsam mit dem Kaufmann Walther von Wiese – die Wiederaufnahme und Fortführung des Unternehmens unter dem mittlerweile als geläufig geltenden Namen Müllerzug Gesellschaft mit beschränkter Haftung.[8] Mittels der Verkaufsbroschüre Ohne Wegebau und Schienengleis wollte Müller-Neuhaus mit seinem „Müllerzug“ Ödland und Heide erschließen und entfernt liegende Rohstoffe an deren Verarbeitungszentren transportieren.[9]
Müllers Berliner Firma fertigte und betrieb Kraftwagenzüge. Zudem gehörte zum Geschäftsbetrieb der „An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen und Zugmaschinen fremder Bauart sowie die Einrichtung und der Betrieb von Straßen- und Landverkehrsanlagen“. Für den Einsatz seiner Fahrzeuge erforschte Wilhelm Müller unter Verwendung einer Droschke der Siemens-Schuckertwerke unter anderem die Verwendung von Gummireifen.[10]
Die „ottoelektrischen“ und trolley-elektrischen (siehe: Hybridelektrokraftfahrzeug) Lastkraft- und Omnibuszüge mit später teilweise bis zu 60 t Nutzlast wurden zwischen 1907 und 1938 weltweit ausgeliefert. Bereits 1911 wurde von der Heeresverwaltung auch die militärische Erprobung des „Müllerzugs“ erwogen.[11] Im Gegensatz zu dem von den Siemens-Schuckertwerken gebauten „schweren Armeelastzug“ mit nur 15 t Nutzlast, konnte der „Müllerzug“ für den Lastentransport doppelt soviel transportieren.[12]
Jeder selbstspurende Zweiachsanhänger verfügte über eine elektromotorgetriebene Einheitsdrehachse. Die zweimotorigen Zugwagen verfügten über Leistungen von 110, 132 und 184 kW. Die Züge konnten außer auf der Straße auch auf Schienen sowie unter Oberleitungen betrieben werden. Eingesetzt wurden diese vorwiegend von der Breslauer Actien-Gesellschaft für Eisenbahn-Wagenbau und Maschinenbau-Anstalt Breslau (hervorgegangen aus der Breslauer A.-G. für Eisenbahn-Wagenbau und der Maschinenbau-Anstalt Breslau GmbH; später aufgegangen in der Waggonfabrik Linke-Hofmann-Busch). So zum Beispiel lieferte Wilhelm Müller auch während des Ersten Weltkriegs. 1916 zählte Müllers Unternehmen in Australien in seiner Verbindung mit dem Parlamentarier R. S. Falkiner zu den „hoffnungsreichsten“ deutschen Unternehmungen.[13]
Im Jahr 1940 erhielt Wilhelm Müller ein Patent[14] für „elektrische Kraftübertragung für den Vielräderantrieb von Kraftwagenzügen und Schwerkraftwagen“.[15]
Sonstiges
Wilhelm Müller-Neuhaus wurde 1920 – damals wohnhaft am Kronprinzenufer 23 in Berlin – Mitglied in der Kant-Gesellschaft.[16] Zudem war er Mitglied im Elektrotechnischen Verein.[17] Später wohnte er in Schwerin am Teupitzer See (seinerzeit: Kreis Teltow), dort in der Dorfstraße 2.[18]
Seine Meldeadresse in Schwerin bestand auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem im September 1952 vom Politbüro der SED verabschiedeten „Gesetz zum Schutz des Volkseigentums und anderen gesellschaftlichen Eigentums“ VESchG wurde er seines Vermögens (Laufzeit 1946–1951) enteignet.[19]
Publikationen (Auswahl)
als Wilhelm Adolph Theodor Müller:
- Der Automobil-Zug. Eine Studie über die allgemeinen Grundlagen der Automobilzug-Systeme, durchgeführt an dem Beispiel des Train-Renard (= Bd. 2 von Automobiltechnische Bibliothek), M. Krayn, Berlin 1907. (Neuaufl. Forgotten Books, London 2018. ISBN 0-3646-7370-2 online)
als W. A. Th. Müller(-Neuhaus):
- Kraftfahrzeuge in der Uebergangs-Wirtschaft und Zukunft. In: Automobil-Rundschau, Ausgabe 5 (1910), Mitteleuropäischer Motorwagen-Verein, S. 210 ff.
- Ueber die Neuordnung des Landverkehrs nach dem Kriege. In: Automobil-Rundschau, Mitteleuropäischer Motorwagen-Verein, Ausg. 5 (1910), S. 102 ff.
- Die „Gleislose Bahn“ der Gemeinde Berlin-Steglitz. In: Elektrotechnische Zeitschrift, 33. Jg., H. 25 (20. Juni 1912), S. 645–646.
- Kapitalismus und Sozialismus in den politischen Parteien der Gegenwart am 12. Dez. 1918. Eine Einführung in die Grundbegriffe der Politik zur Erweckung von Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit. Vortrag im Rahmen der Ersten Sozialistischen Wirtschaftskonferenz (27.–29. Dezember 1918, Berlin) des Bundes Neues Vaterland; veröffentlicht im Selbstverlag, Berlin, 1919; unter anderem auch in Technik und Wirtschaft (1919) sowie in den Protokollen von Hermann Beck: Wege und Ziele der Sozialisierung. Neues Vaterland, Berlin, 1919.
- Die Grundlagen der sozialistischen Produktion. Ihr Wesen und ihre Aufgaben. In: Wirtschaftliches Kampfbuch für Betriebsräte. Hrsg. von der Rätegenossenschaft für wirtschaftlichen Aufbau, Räte-Bund, Berlin 1920.
- Mitarbeit an Richard Bussien (Hrsg.): Automobiltechnisches Handbuch. Handbuch der Automobiltechnischen Gesellschaft e. V. Hrsg. von der Automobiltechnischen Gesellschaft, Verlag M.Krayn, Berlin 1921, S. 2.[20]
- Die Wasserpolizei-Vorschriften für Sportboote. Zur Stauderbrief-Prüfung für Eigner und Steuerleute von Ruder-, Segel- u. Motorbooten auf den Märkischen Wasserstraßen. Schwerin am Teupitzsee, Selbstverlag, 1927 (auch erschienen bei Geisel, Berlin, 1927).
- mit K. Lüdde und Fritz Marguerre: Die hochalpinen Wasserkräfte im Rahmen der mitteleuropäischen Stromversorgung. In: Elektrotechnische Zeitschrift 38 (1932), S. 907–911.
- Wie ist Wirtschaftslehre als Wissenschaft im 20. Jahrhundert möglich? Technik und Wirtschaft, Ausg. 29 (1936), S. 4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Müller, Wilhelm Adolph Theodor, 1874–. In: The National Union Catalog. Pre-1956 Imprints. Bd. 400, Library of Congress, Mansell, 1975, S. 226.
- VDI-Z Bd. 63 (1919),Tl. 2, S. 1126. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Automobiltechnische Zeitschrift; Nr. 24 (1921), S. 358. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- MAN Nutzfahrzeuge (Hrsg.): Leistung und Weg. Zur Geschichte des MAN Nutzfahrzeugbaus. Springer-Verlag, 2013, S. 329 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Nr. 5697 W. A. Th. Müller, Straßenzug-Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In: Deutscher Reichsanzeiger, 242, 1908, S. 12. (Digitalisat)
- Olaf von Fersen: Ein Jahrhundert Automobiltechnik. Nutzfahrzeuge. Springer-Verlag, 2013, ISBN 3-6620-1119-0, S. 123. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Automobil-Rundschau. Bd. 16; S. IV.
- Der Motorwagen 24, Automobil- und Flugtechnische Gesellschaft, S. 358.
- Müllerzug. In: Erik Eckermann: Vom Dampfwagen zum Auto. Motorisierung des Verkehrs. Rowohlt, 1981, S: 83 ff. ISBN 3-4991-7707-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Arnold Heller: Motorwagen und Fahrzeugmaschinen für flüssigen Brennstoff. Ein Lehrbuch für den Selbstunterricht und für den Unterricht an technischen Lehranstalten. Springer-Verlag, Berlin 2013, S. 14, 17. ISBN 3-6425-1335-2. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Rüstung und Abrüstung. Eine Umschau über das Heer- und Kriegswesen aller Länder. Bd. 37, E. S. Mittler & Sohn, 1911, S. 354.
- Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 23, 1912, S. 572.
- In Australien. In: Automobil-Rundschau, 1916, S. III, IV, 19.
- DE717267C
- Olaf von Fersen: Ein Jahrhundert Automobiltechnik. Nutzfahrzeuge. VDI-Verlag, Düsseldorf 1987, ISBN 3-18-400656-6, S. 324. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Kant-Studien, Bd. 25, H. 1. 1920, S. 91.
- Mitgliederverzeichnis. Abgeschlossen im Herbst 1925. Verband Deutscher Elektrotechniker, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 1925, S. 57. ISBN 3-6429-8971-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Adreßbuch des Kreises Teltow. Robert Rhode, Berlin 1927, S. 273. (online)
- 203 AVE 997. Wilhelm Müller-Neuhaus, Schwerin / Kr. Teltow (1946–1951), Brandenburgisches Landeshauptarchiv.
- Werbehinweis des Verlags M.Krayn (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)