Vincent-Immanuel Herr
Vincent-Immanuel Herr (* 10. Oktober 1988 in Hamburg) ist ein deutscher Aktivist, Historiker und Feminist.
Mit Veröffentlichungen und politischen Kampagnen engagiert er sich für eine Reihe von politischen und gesellschaftlichen Fragen. Bekanntheit erlangte er als Teil des Autoren- und Aktivistenteams Herr & Speer mit der FreeInterrail Initiative, dem offenen Brief #EsIstZeit und seinem Engagement als Feminist. Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Bereich Generationengerechtigkeit, Europäische Integration, Demokratie sowie Geschlechtergerechtigkeit. Gemeinsam mit Martin Speer ist er Gründer der europäischen Autorengruppe The Young European Collective.[1] Herr sieht Mobilität als Schlüsselfaktor zur Sicherung des europäischen Zusammenhaltes und fordert in einem Tedx Vortrag: „Send all youth travelling.“[2]
Er setzt sich mit anderen Prominenten gegen Sexismus in der Bild ein.[3] Die Süddeutsche Zeitung zählte ihn 2016 zu den einflussreichsten deutschen Feministen.[4] Herr ist deutscher Botschafter der UN-Kampagne #HeforShe.[5]
Leben
Vincent-Immanuel Herr besuchte das Goethe-Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf und studierte anschließend Geschichte und Soziologie in den USA.[6] Nach Abschluss des Bachelor of Arts studierte er im Masterstudiengang Nordamerikanistik, Geschichte und Politik am John-F.-Kennedy-Institute der Freien Universität Berlin.[7][8]
Seit dem Wintersemester 2016/17 ist er Gastdozent an der Technischen Universität Hamburg-Harburg.[9]
Gesellschaftliches Engagement und Positionen
Feminismus
Herr ist Feminist und setzt sich mit Artikeln und Kampagnen für die Gleichstellung von Frauen und Männern ein. In einem 2015 für The European erschienen Artikel bezeichnet er Frauen als „Schlüssel zur Zukunft Europas“ („Women are Key to Europe’s Future“) und fordert mehr Anstrengungen im Einsatz für Gleichberechtigung besonders auch von Männern.[10] In einem offenen Brief an die Männer Europas für das Onlinemagazin Treffpunkteuropa wiederholt er diese Thesen und fügt hinzu: „Echte Männer degradieren Frauen nicht. Echte Männer belästigen Frauen nicht. Echte Männer schauen nicht weg.“[11] 2016 veröffentlichte er zusammen mit Martin Speer für Zeit Online eine Anleitung für Männer zum Feminist-Werden.[12] Herr ist Unterstützer der UN-Women-Kampagne HeForShe und setzt sich wiederholt öffentlich für die Initiative ein.[13] Seit Mitte 2017 schreibt er Blogbeiträge für die Frauenrechte-Organisation Pinkstinks.[14]
Geschichtswissenschaft und Gesellschaft
Im Sommer 2014 veröffentlichte Herr in der Zeit ein Plädoyer für eine Neubetrachtung der Geisteswissenschaften, insbesondere der Geschichtswissenschaften. In dem Text beschreibt er eigene Erfahrungen als Geschichtsstudent und geht besonders auf ein Vorurteil ein, nach dem Geschichtswissenschaft in der heutigen Zeit wenig nützlich sei. Herr fordert ein stärkeres gesellschaftliches Interesse an der Auseinandersetzung mit Geschichte und legt dar, warum historisches Wissen für aktuelle Entwicklungen und politische Entscheidungen von Wichtigkeit ist. In dem Text bezieht er sich explizit auf Friedrich Schillers Antrittsvorlesung zum Thema Universalgeschichte an der Universität Jena und schließt mit den Worten: „In einer globalisierten, vernetzten und gehetzten Welt lohnt es sich, über die Vorzüge eines schillerschen Verständnisses von Geschichte umso mehr nachzudenken. Denn wenn wir wissen wollen, wohin wir gehen, sollten wir wissen, woher wir kommen.“[15]
In einem Artikel für das Magazin The European im Jahr 2015 greift Herr diese Thesen auf und untersucht den Zusammenhang zwischen Gewalt und gesellschaftlichem Fortschritt. Der Artikel, erschienen zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa, fordert dazu auf, vergangene Entwicklungen und Katastrophen ernst zu nehmen, daraus zu lernen und so Gesellschaft in Zukunft friedvoller und respektvoller gestalten zu können.[16]
Europaforschung und Young European Collective
Herr setzt sich für die europäische Integration und eine bürgernähere Europäische Union ein. Im Rahmen einer von der Stiftung Mercator und der Heinrich-Böll-Stiftung finanzierten Forschungsreise im Jahr 2014 bereiste er 14 europäische Länder und führte Interviews mit über 200 jungen Menschen.[17] In der Folge gründete er gemeinsam mit dem Aktivisten Martin Speer das Young European Collective, welches aus 18 jungen Aktivisten aus 14 verschiedenen Ländern besteht.[18] Die Gruppe nimmt es sich zum Ziel, ihrer Generation in Europa eine Stimme zu geben und junge Menschen in Europa zum gesellschaftlichen Engagement zu motivieren. Im Juni 2017 erschien das Buch Wer, Wenn Nicht Wir? Vier Dinge, die wir jetzt für Europa tun können im Verlag Droemer Knaur.[19] Im Februar 2017 veröffentlichte die Gruppe einen Aufruf zum gesellschaftlichen Engagement in der Ära nach Brexit und der Wahl Donald Trumps in der ZEIT.[20]
Free Interrail
Im Jahr 2015 startete Herr zusammen mit Martin Speer die Free Interrail Kampagne mit dem Ziel, die Europäische Kommission von der Einführung eines kostenlosen Interrailtickets für alle EU-Bürger zum 18. Geburtstag zu überzeugen. Die Initiative erfuhr große mediale Aufmerksamkeit und wurde von Politikern verschiedener Parteien sowie einer gesellschaftlichen Mehrheit in Deutschland unterstützt.[21][22][23] Nach einem Pilotprojekt 2018 mit 15.000 kostenlosen Interrail-Tickets[24] plant die EU-Kommission im Zeitraum 2021 bis 2027 bis zu 700 Millionen Euro für #DiscoverEU bereitzustellen, wie die auf FreeInterrail basierende Initiative der EU genannt wird.[25]
#EuropeLovesUK
Im Vorfeld zum Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union im Vereinigten Königreich starteten Herr und Speer einen Aufruf mit dem Ziel, britische Wähler für eine Stimme für den Verbleib in der EU zu motivieren. Der Text, der auch als Kampagne auf der Petitionsseite Change.org in Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch verfügbar war, wurde von über 57.000 Menschen in Europa unterzeichnet.[26]
Familie
Herr ist Sohn der Kultur- und Musikwissenschaftlerin Annette Kreutziger-Herr und lebt mit seiner Frau in Berlin.[27]
Auszeichnungen
- „Berlins Beste“, Auszeichnung des Berliner Stadtmagazins Zitty, 2016[28]
- Nominierter für den „Blauen Bären“, Europapreis der Stadt Berlin 2017[29]
- Top 4 des „Europäischen Jugendkarlspreises“ 2017[30]
- Bayreuther Vorbildpreis der Bayreuther Dialoge 2017, dem Zukunftsforum für Ökonomie, Philosophie und Gesellschaft[31][32]
- Politikaward 2017 für die #FreeInterrail-Kampagne[33]
- Berliner Europapreis Blauer Bär 2018[34]
- Jean Monnet Prize for European Integration 2018[35]
- Innovation in Politics Award 2018, Kategorie: Quality of Life[36] – zusammen mit Alexander Graf Lambsdorff, Rebecca Harms, Martin Speer, Istvan Ujhelyi und Manfred Weber
- Good Lobby Award 2018, Kategorie: Citizen Lobbyists of the Year, für die #FreeInterrail-Kampagne[37]
- European Railway Award (Special Accolade) für #FreeInterrail[38]
Bücher
- Wer, wenn nicht wir? Vier Dinge, die wir jetzt für Europa tun können. Droemer Knaur, München 2017. ISBN 978-3-426-78946-9.
- #TunWirWas: Wie unsere Generation die Politik erobert. Droemer Knaur, München 2018. ISBN 978-3-426-30178-4
- #TunWirWas: Wie unsere Generation die Politik erobert. Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2019. ISBN 978-3-7425-0375-6
- Europe For Future: 95 Thesen, die Europa retten. Droemer Knaur, München 2021, ISBN 978-3-426-30268-2
Artikelauswahl
- „Weiße, heterosexuelle Männer kennen Diskriminierung nicht“, Tagesspiegel, November 2019
- „Europa ist unser Schicksal“, Jetzt.de, Juni 2019
- „Schenkt Europa den nächsten Erasmus Moment“, ZEIT ONLINE, April 2018
- „Wir Demokratieversager“, DIE ZEIT, September 2017
- „Deutschland braucht mehr Feministen“, ZEIT ONLINE, Februar 2016
- „Generation Interrail“, Süddeutsche Zeitung, Oktober 2016
- „Mit Leidenschaft - Studiert Geschichte. Jahrelang“, DIE ZEIT, September 2014
- „Europe's lost generation. Not yet“, Christian Science Monitor, Mai 2014
- „Wer nicht wählen geht, soll zahlen“, DIE ZEIT, August 2013
Weblinks
Einzelnachweise
- Wer, wenn nicht wir? – Buch von Droemer Knaur. Abgerufen am 22. Juli 2017.
- TEDx Talks: #FreeInterrail – A Vision of a Europe for All | Vincent-Immanuel Herr | TEDxOTHRegensburg. 6. Juni 2017, abgerufen am 22. Juli 2017.
- Testimonials. Abgerufen am 22. Juli 2017.
- Süddeutsche de GmbH, Munich Germany: Feministinnen, die Sie kennen sollten. Abgerufen am 22. Juli 2017.
- Botschafter*innen HeForShe Deutschland. Abgerufen am 10. März 2018.
- Meet Our Board | Public Affairs Conference 2013. Abgerufen am 12. November 2017 (amerikanisches Englisch).
- John-F.-Kennedy-Institute: Newsletter, Ausgabe 18, Februar 2015. Abgerufen am 12. November 2017.
- Optimistisch und materialistisch. 11. November 2015, abgerufen am 12. November 2017.
- Lehrbeauftragte | HUMANITIES. Abgerufen am 12. November 2017.
- Vincent-Immanuel Herr: Women are Key to Europe’s Future. In: TheEuropean. 22. Juli 2015 (theeuropean-magazine.com [abgerufen am 12. November 2017]).
- Von Mann zu Mann. In: treffpunkteuropa.de | europäisch, politisch, kritisch. 30. Oktober 2016 (treffpunkteuropa.de [abgerufen am 12. November 2017]).
- Vincent-Immanuel Herr, Martin Speer: Feminismus: Deutschland braucht mehr Feministen! In: Die Zeit. 11. Februar 2016, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 12. November 2017]).
- Joint press release from Gender@International Bonn. Abgerufen am 12. November 2017.
- Herr und Speer, Autor auf Pinkstinks Germany. Abgerufen am 12. November 2017.
- Ein Gastbeitrag von Vincent-Immanuel Herr: Geschichte: Mit Leidenschaft. Abgerufen am 12. November 2017.
- Vincent-Immanuel Herr: 70th anniversary of VE Day. In: TheEuropean. 13. Mai 2015 (theeuropean-magazine.com [abgerufen am 12. November 2017]).
- „Finding Young Europe“ – dem jungen Europa auf der Spur | Heinrich-Böll-Stiftung. In: Heinrich-Böll-Stiftung. (boell.de [abgerufen am 12. November 2017]).
- The Young European Collective. In: Who, If Not Us? (whoifnotus.eu [abgerufen am 12. November 2017]).
- Wer, wenn nicht wir? – Buch von Droemer Knaur. Abgerufen am 12. November 2017.
- Von Vincent-Immanuel Herr, Kevin Müller, Annika Päutz und Martin Speer, Deutschl, Antje Scharenberg: Jugendprotest: Jetzt ist es an uns! Abgerufen am 12. November 2017.
- Forschungsgruppe Wahlen > Umfragen > Politbarometer > Archiv > Politbarometer 2016 > September 2016. Abgerufen am 12. November 2017.
- FreeInterRail – #FreeInterrail. Abgerufen am 12. November 2017.
- Matthias Hempert: Mescheder Benediktiner-Schülerin reist mit Zug durch Europa. (wp.de [abgerufen am 12. November 2017]).
- Möchtest du diesen Sommer Europa entdecken? In: Europäisches Jugendportal. 30. April 2018, abgerufen am 26. Februar 2019.
- ZEIT ONLINE: Free Interrail: EU plant 700 Millionen Euro für kostenlose Interrail-Tickets. In: Die Zeit. 2. Mai 2018, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 26. Februar 2019]).
- Sign the Petition. Abgerufen am 12. November 2017 (britisches Englisch).
- Martin Speer: Öffnung der Ehe für Homosexuelle. In: TheEuropean. 2. Juni 2015 (theeuropean.de [abgerufen am 10. November 2017]).
- Berlins Beste 2016. In: ZITTY. 23. Dezember 2016 (zitty.de [abgerufen am 22. Juli 2017]).
- Berliner Europapreis Blauer Bär. 6. Juli 2017, abgerufen am 22. Juli 2017.
- Europäischer Jugendkarlspreis 2017 – Vorstellung der Projekte. Abgerufen am 22. Juli 2017.
- Universität Bayreuth: Die Bayreuther Dialoge – das Zukunftsforum für Ökonomie, Philosophie und Gesellschaft. Abgerufen am 10. November 2017.
- Bayreuther Vorbildpreis. In: bayreuther dialoge 2019. Abgerufen am 20. August 2019 (amerikanisches Englisch).
- Redaktion P&K: Politikaward 2017 – Mit wenig Budget schon viel bewegt. In: www.politik-kommunikation.de. 23. Februar 2018, abgerufen am 26. Februar 2018.
- Berliner Europapreis Blauer Bär. 1. November 2018, abgerufen am 20. November 2018.
- Winner of the 2018 Jean Monnet Prize: #FreeInterrail campaign. In: EuropeanConstitution.eu. (europeanconstitution.eu [abgerufen am 20. November 2018]).
- The Innovation In Politics Awards. (innovationinpolitics.eu [abgerufen am 20. November 2018]).
- thegoodlobby: The Good Lobby Awards 2018. In: The Good Lobby. Abgerufen am 12. Juni 2019 (amerikanisches Englisch).
- Check out the highlights of our 2021 'Year of Rail' edition - European Railway Award. Abgerufen am 13. Mai 2021.