Ulrichsberggemeinschaft
Die Ulrichsberggemeinschaft (Heimkehrer- und Europagedenkstätte) ist ein rechtsextremer österreichischer Verein mit politischem Interesse, der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde und sich nach dem Ulrichsberg in Kärnten benennt. Sie wird zu den Kärntner Traditionsverbänden gezählt. Motiv des Vereins ist die Pflege der Heimkehrergedenkstätte auf dem Ulrichsberg und in Klagenfurt sowie die Organisation eines jährlichen Treffens von Kriegsveteranen und Angehörigen. Letzteres ist gemeinhin als „Ulrichsbergtreffen“ bekannt geworden und Treffpunkt zahlreicher neonazistischer Akteure aus dem In- und Ausland.[1]
Der Verein
Die Vereinigung wurde am 1. Juni 1953 gegründet und hat ihren Sitz in Klagenfurt.[2] Ihr gehörten verschiedene Kärntner Politiker an, u. a. war der ehemalige Klagenfurter Bürgermeister Leopold Guggenberger (ÖVP) Präsident, dem der ehemalige Landeshauptmannstellvertreter Rudolf Gallob (SPÖ) folgte. Gallob trat allerdings 2009 zurück, da „die klare Vorgangsweise der Abgrenzung zu Extremismus“ gescheitert sei.[3] Auch Ex-Bundesminister Herbert Haupt (BZÖ) und der Klagenfurter Bürgermeister Harald Scheucher (ÖVP), dessen Vater Blasius Scheucher als ehemaliger Gebirgsjäger Mitbegründer der Gemeinschaft war, unterstützen die Gemeinschaft als Mitglieder. Seit dem Jahr 2002 finanziert sich der Verein neben Mitgliedsbeiträgen und Spenden zu einem wesentlichen Anteil aus öffentlichen Zuwendungen des Landes Kärnten. Zwischen 2005 und 2012 wurde die Gemeinschaft mit 115.000 Euro vom Land Kärnten subventioniert. Diese Finanzhilfen werden laut Landesrat Wolfgang Waldner in Zukunft gekürzt.[4] Zu einer völligen Abschaffung der Subventionen werde es laut Wallner kommen, wenn sich der UBG-Vorstand nicht hundertprozentig von rechtsradikalen Umtrieben distanziere.[5]
Ulrichsbergtreffen
Seit 1958 findet im Oktober auf der kleinen Wiese neben dem Kreuz eine Gedenkfeier für die Opfer beider Weltkriege und des Kärntner Abwehrkampfes statt. Die Feier gilt als Veranstaltung, an der auch rechtsextrem und neonazistisch Gesinnte teilnehmen. Sie wird vom österreichischen Verfassungsschutz beobachtet.[6]
2009 sagte das österreichische Bundesheer unter Norbert Darabos seine logistische Unterstützung für das Treffen ab. Der Verteidigungsminister verhängte zudem ein Uniformverbot für die Veranstaltung. Darabos distanzierte sich von dem Veteranentreffen, da „das Ulrichsbergtreffen seit jeher einen rechtsextremen Anstrich hatte“.[7] Infolgedessen, sowie aufgrund der politischen Kontroversen, wurde das Ulrichsbergtreffen 2009 nicht von der Ulrichsberggemeinschaft ausgerichtet. Die FPÖ Kärnten veranstaltete ein eigenes Ulrichsbergtreffen mit eigener Kranzniederlegung.[8] Auch BZÖ-Landeshauptmann Gerhard Dörfler distanzierte sich, da die Feier „politisch zu weit rechts“ stehe.[9]
2010 fand das Treffen stattdessen auf dem Herzogstuhl statt, es kamen 400 Besucher.[10] Etwa 100 Teilnehmer fanden sich laut Verfassungsschutz 2011 ein, als die Veranstaltung im Konzerthaus Klagenfurt stattfand.[11]
Im Jahr 2012 fand das Treffen wieder am Ulrichsberg statt. Eine der Reden wurde von einem ehemaligen Mitglied der Waffen-SS Herbert Belschan von Mildenburg gehalten, was jedoch die Veranstalter im Vorfeld verneint hatten. Statt der erwarteten 1.000 nahmen lediglich etwa 300 Personen an dem Treffen teil.[12]
Politische Auftritte und Kontroversen
Bei einer aufsehenerregenden Rede sprach FPÖ-Landesobmann Jörg Haider 1995 den anwesenden ehemaligen Waffen-SS-Soldaten seinen Dank aus:
„Dass es in dieser regen Zeit, wo es noch anständige Menschen gibt, die einen Charakter haben und die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind. […] Wir geben Geld für Terroristen, für gewalttätige Zeitungen, für arbeitsscheues Gesindel, und wir haben kein Geld für anständige Menschen.“
Jörg Haider prägte das öffentliche Bild vom Ulrichsberg mit seinen Reden entscheidend mit.
„[...] es kann nicht so sein, dass die Geschichte unserer Eltern und Großeltern aufgrund absonderlicher Kommentierungen zu einem Verbrecheralbum gemacht wird und ihre Leistungen von der Geschichte mit Füßen getreten werden."“
Das Treffen der Ulrichsberggemeinschaft und die Teilnahme der drei großen Landtagsparteien FPÖ, SPÖ und ÖVP stieß zunehmend auf Kritik, weshalb in den letzten Jahren keine Vertreter von Landesregierung und Parteien mehr am Ulrichsberg auftraten. 2017 hielt der Kärntner Landtagsabgeordnete Martin Rutter nach Ende der offiziellen Veranstaltung eine Rede zum Thema „Migrationslüge“ (Titel: Abwehrkampf gegen die Migration und Migrationslüge).[15] Zuvor hatte seine offiziell angekündigte Rolle als Hauptredner des Treffens zu seinem Ausschluss aus dem Team Kärnten geführt.[16][17]
Auch in der jüngeren Geschichte des Ulrichsbergtreffens haben weitere Kärntner Abgeordnete für Kontroversen gesorgt. Der Abgeordnete des Kärntner Landtages Martin Rutter forderte beim Ulrichsbergtreffen 2017 neben zahlreichen anderen Verschwörungstheorien nicht nur einen politischen Abwehrkampf gegen die Migration, Migrationslüge[18] sondern einen konsequenten Abwehrkampf gegen die Europäische Union, den Medien und die politische Korrektheit auf. Die kontroverse Rede des Landtagsabgeordneten war von historischen Inhalten des Kärntner Abwehrkampf und politischen Inhalten der Gegenwart verquickt. Er ruft in Bezug auf den historischen Kärntner Abwehrkampf und das Blut, was die Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg verflossen haben, einen neuen politischen Abwehrkampf aus und unterstellt im Gegenzug, das keine wirkliche Demokratie im Land vorherrsche.[19]
„[...] Einen konsequenten Abwehrkampf gegen die Migration und Migrationslüge […] und wenn keine Meinungsvielfall herrscht – leben wir in keiner Meinungsfreiheit und auch in keiner wirklichen Demokratie. "“
Proteste gegen das Treffen
In der Nacht auf den 17. August 1997 wurde die Gedenkstätte am Ulrichsberg beschmiert, und dort angebrachte Gedenktafeln zerstört. Zu der Aktion bekannte sich ein antifaschistisches „kommando z.a.l.a.“[21] In den letzten Jahren fanden zeitgleich zu den Ulrichsbergfeiern Gegenkundgebungen und Infopoints verschiedener Antifa-Organisationen statt, die auf ihrer Meinung nach geschichtsrevisionistischen Hintergründe dieser Gedenkkundgebung hinweisen. Diese wurden von Gruppierungen der Antifa-Szene Kärntens organisiert. Laut Verfassungsschutzbericht 2009 sollen ausländische Aktivisten – vor allem aus Deutschland – sich an den von Kärntner Gruppen organisierten Demonstrationen beteiligt haben. Bei den Gegenkundgebungen kam es 2008 auch zu Blockaden, Handgreiflichkeiten und Sachbeschädigungen.[22] 2007 wurde bei Handgreiflichkeiten ein Funktionär der Ulrichsberggemeinschaft und ein Polizist verletzt.[23]
Literatur
- Norbert Rencher: Ulrichsberg-Dokumentation, Nr. 1, 1999
- Walter Fanta, Valentin Sima (Hrsg.): „Stehst mitten drin im Land“. Das europäische Kameradentreffen auf dem Kärntner Ulrichsberg von den Anfängen bis heute. Klagenfurt: Drava, 2003. ISBN 3-85435-417-7
Weblinks
- Bericht Ulrichsbergstreffen 2007 auf der Website von FM4
- Deutscher Bundestag Drucksache, 14/7897, 14. Wahlperiode, 17. Dezember 2001 - Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Carsten Hübner und der Fraktion der PDS – Drucksache 14/7690 (PDF; 220 kB)
- Ulrichsbergtreffen 2017:Martin Rutter, Abwehrkampf gegen Migration und Migrationslüge (Rede)
Einzelnachweise
- Neues von ganz rechts – Februar 2020: Neue neonazistische Umtriebe am Ulrichsberg, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes vo Februar 2020; Zugriff am 8. Februar 2022
- Zentrales Vereinsregister des BMI, ZVR-Zahl 454661194
- 50. Ulrichsbergtreffen vorerst abgesagt. In: oesterreich.orf.at. 27. August 2009, abgerufen am 1. Dezember 2017.
- Kärnten will Förderung für Ulrichsberggemeinschaft kürzen. In: derStandard.at. 29. Mai 2013, abgerufen am 10. Dezember 2017.
- "Müssen wach sein, uns empören, aufschreien". In: derStandard.at. 7. Juni 2013, abgerufen am 10. Dezember 2017.
- Ulrichsberg-Treffen fand von Öffentlichkeit unbemerkt statt, derStandard am 16. September 2014
- Darabos sagt Teilnahme des Bundesheeres ab. In: derStandard.at. 24. August 2009, abgerufen am 11. Dezember 2017.
- Kärntnen: FPÖ veranstaltet eigenes Ulrichsbergtreffen. In: DiePresse.com. 3. September 2009, abgerufen am 19. Januar 2018.
- Veranstalter sagen Ulrichsberg-Treffen ab. In: derStandard.at. 27. August 2009, abgerufen am 11. Dezember 2017.
- http://www.mein-klagenfurt.at/mein-klagenfurt/events-veranstaltungen/warst-du-dabei/september-2010/ulrichsbergtreffen-am-herzogstuhl/
- "Rechte" bei Ulrichsbergtreffen vertreten. In: oesterreich.orf.at. 18. September 2011, abgerufen am 1. Dezember 2017.
- Mitglied-der-Waffen-SS-hielt-doch-Ansprache-bei-Ulrichsbergtreffen, derStandard am 16. September 2012
- Ruth Wodak, Anton Pelinka: The Haider Phenomenon in Austria, Transaction Publishers 2002. ISBN 0-7658-0883-8, S. 211
- Walter Fanta, Valentin Sima (Hrsg.): „Stehst mitten drin im Land“. Das europäische Kameradentreffen auf dem Kärntner Ulrichsberg von den Anfängen bis heute. Klagenfurt: Drava, S. 100.
- Ulrichsbergtreffen 2017:Martin Rutter, Abwehrkampf gegen Migration und Migrationslüge (Rede). Abgerufen am 3. September 2019.
- http://kaernten.orf.at/news/stories/2869606/, http://kaernten.orf.at/news/stories/2869606/, ORF, 1. Oktober 2017
- https://kaernten.orf.at/news/stories/2868859/, ORF, 28. September 2017
- Ulrichsbergtreffen 2017:Martin Rutter, Abwehrkampf gegen Migration und Migrationslüge (Rede). Abgerufen am 3. September 2019.
- Kurier, Rechte Politiker und Corona-Leugner organisieren die Demos in ganz Österreich. von Konstantin Auer, Michaela Reibenwein, Kid Möchel https://kurier.at/chronik/oesterreich/diese-personen-stecken-hinter-den-corona-demos/401155257
- Ulrichsbergtreffen 2017:Martin Rutter, Abwehrkampf gegen Migration und Migrationslüge (Rede). Abgerufen am 3. September 2019.
- Republik Österreich, Bundesministerium für Inneres, Verfassungsschutzbericht 1997 (PDF; 1,7 MB)
- Republik Österreich, BM.I Bundesministerium für Inneres, Verfassungsschutzbericht 2009 (PDF; 913 kB)
- Republik Österreich, BM.I Bundesministerium für Inneres, Verfassungsschutzbericht 2008 (PDF; 1,5 MB)