Topologische Landkarte
Topologische Landkarte ist ein Terminus aus dem mathematischen Teilgebiet der Topologischen Graphentheorie. Der Terminus hat Bedeutung insbesondere im Zusammenhang mit Untersuchungen zu Färbungsproblemen und hier nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Vier-Farben-Satz und verwandten mathematischen Lehrsätzen.
Definitionen und Bezeichnungen
- Eine topologische Landkarte auf einer Fläche ist ein Tripel , wobei und zwei endliche Mengensysteme von Teilmengen von sind und ebenfalls eine endliche Menge darstellt.
- Dabei ist die Kantenmenge eines topologischen Graphen in und ist die zugehörige Knotenmenge.
- besteht genau aus denjenigen Punkten von , welche für eine der Jordankurven als Anfangs- oder Endpunkt auftreten.
- Das Mengensystem besteht genau aus den Wegzusammenhangskomponenten der Komplementmenge .
- Man bezeichnet hierbei jedes Element von als Land, jedes Element von als Grenzlinie und jedes Element von als Ecke der topologischen Landkarte .
- Ein Punkt ist Randpunkt eines zu der Landkarte gehörenden Landes , wenn er dem relativen topologischen Abschluss von in angehört.
- Zwei Länder und von heißen benachbart oder Nachbarländer, wenn unter den Grenzlinien von eine vorkommt, welcher ganz aus Randpunkten sowohl von als auch von besteht.
- Eine zu einer ganzen Zahl gegebene Abbildung nennt man -Färbung.
- Die Elemente von bezeichnet man (in Einklang mit den Gepflogenheiten der Graphentheorie) als Farben.
- Eine -Färbung heißt zulässig, wenn je zwei benachbarten Ländern vermöge stets zwei verschiedene Farben zugeordnet sind.
- Gestattet eine topologischen Landkarte auf für eine ganze Zahl eine zulässige -Färbung, jedoch keine zulässige Färbung mit weniger als Farben, so nennt man diese ganze Zahl die chromatische Zahl von und bezeichnet sie mit .
- Bildet man über alle topologischen Landkarten auf das Supremum aller zugehörigen chromatischen Zahlen und ist diese ganze Zahl , so ist dies die chromatische Zahl von . Sie wird mit bezeichnet.[1]
Anmerkung
- Die untersuchten Flächen sind in aller Regel Flächen .
Bedeutende Lehrsätze
- Satz von Weiske: Ist der oder die Einheitssphäre , so gibt es keine Landkarte mit fünf paarweise benachbarten Ländern.[2]
- Zweifarbensatz: Ist ein Rechteck und sind darüber hinaus die Grenzlinien einer gegebenen topologischen Landkarte so beschaffen, dass jede von ihnen nur zwischen Randpunkten des Rechtecks verläuft oder eine innerhalb des Rechtecks verlaufene geschlossene Jordankurve darstellt, so existiert zu einer solchen topologischen Landkarte stets eine zulässige -Färbung.[3]
- Vier-Farben-Satz: Ist der oder die Einheitssphäre , so existiert zu jeder topologischen Landkarte auf eine zulässige -Färbung.
- Fünf-Farben-Satz: Ist der oder die Einheitssphäre , so existiert zu jeder topologischen Landkarte auf eine zulässige -Färbung.
- Sechsfarbensatz für das Möbiusband: Das Möbiusband hat die chromatische Zahl und es besitzt auf ihm jede topologische Landkarte eine zulässige -Färbung, wobei es unter diesen auch mindestens eine gibt, die nicht mit fünf Farben auskommt.[4]
- Heawoodsche Ungleichung: Ist für eine ganze Zahl eine geschlossene orientierbare Fläche vom Geschlecht und ist dabei ,[5] so existiert zu jeder topologischen Landkarte auf eine zulässige -Färbung. Mit anderen Worten: Für jede derartige Fläche erfüllt die chromatische Zahl die Ungleichung .[6]
- Es gilt sogar für ein solches stets die Identitätsgleichung .[7]
- Insbesondere hat der Volltorus die chromatische Zahl und es besitzt auf ihm jede topologische Landkarte eine zulässige -Färbung, wobei unter diesen auch solche vorkommen, die nicht mit sechs Farben auskommen.
Anmerkungen zu den Lehrsätzen
- Der Satz von Weiske geht auf den Philologen Benjamin Gotthold Weiske (1783–1836), einen Freund des Mathematikers August Ferdinand Möbius, zurück. Die Urheberschaft für dieses Resultat wurde von dem Geometer Richard Baltzer bei Durchsicht des Nachlasses von Möbius herausgefunden. Als Baltzer über den Satz von Weiske und seine Geschichte in einem Vortrag im Jahre 1885 berichtete, setzte er dann jedoch den Irrtum in die Welt, dass sich mit Weiskes Satz bereits der Vierfarbensatz als leichte Folgerung ergibt. Richtig ist dagegen, dass im Gegensatz zu der Darstellung von Baltzer Weiskes Satz allein eine leichte Herleitung des Fünffarbensatzes ermöglicht. Der Irrtum von Baltzer wurde erst im Jahre 1959 von dem Geometer Harold Scott MacDonald Coxeter abschließend beseitigt.[2]
- Der Vierfarbensatz wird heute zwar von vielen, jedoch keineswegs von allen Mathematikern als bewiesen angesehen.[8]
- Dass in der heawoodschen Ungleichung sogar das Gleichheitszeichen zu gelten hat, wurde schon von Percy John Heawood vermutet und konnte dann im Jahre 1968 von den beiden Mathematikern Gerhard Ringel und John William Theodore Youngs abschließend bewiesen werden.[7]
Das Fadenproblem
Das Fadenproblem besteht in der Frage nach der Lösung folgender Aufgabe:
- Es soll - wenn möglich - für eine gegebene natürliche Zahl diejenige kleinste natürliche Zahl bestimmt werden, für welche auf einer geschlossenen orientierbaren Fläche des Geschlechtes beliebig ausgewählte unterschiedliche Punkte immer paarweise durch einfache Jordankurven in der Weise verbunden werden können, dass all diese Jordankurven einander nie überkreuzen und höchstens in den ausgewählten Punkten treffen.[9]
Wie sich zeigt, ist das Fadenproblem lösbar und dabei ergibt sich die Formel
- .[10]
Dabei zeigt sich weiter, dass die Gültigkeit dieser Formel auch die Gültigkeit der heawoodschen Identitätsgleichung nach sich zieht.[11]
Literatur
- Rudolf Fritsch: Der Vierfarbensatz. Geschichte, topologische Grundlagen und Beweisidee. Unter Mitarbeit von Gerda Fritsch. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 1994, ISBN 3-411-15141-2 (MR1270673).
- Konrad Jacobs, Dieter Jungnickel: Einführung in die Kombinatorik (= de Gruyter Lehrbuch). 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. de Gruyter, Berlin (u. a.) 2004, ISBN 3-11-016727-1.
- K. P. Müller, H. Wölpert: Anschauliche Topologie. Eine Einführung in die elementare Topologie und Graphentheorie (= Mathematik für die Lehrerausbildung). B. G. Teubner Verlag, Stuttgart 1976, ISBN 3-519-02709-7.
- Gerhard Ringel: Das Kartenfärbungsproblem. In: Konrad Jacobs (Hrsg.): Selecta Mathematica III (= Heidelberger Taschenbücher. Band 86). Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1971, ISBN 3-540-05333-6 (MR0543809).
- Lutz Volkmann: Fundamente der Graphentheorie. Springer Verlag, Wien, New York 1996, ISBN 3-211-82774-9 (MR1392955).
- Klaus Wagner: Graphentheorie (= BI-Hochschultaschenbücher. 248/248a). Bibliographisches Institut, Mannheim (u. a.) 1970, ISBN 3-411-00248-4.
Einzelnachweise
- Die chromatische Zahl ist zu unterscheiden von der Euler-Charakteristik von , obwohl für beide Zahlen derselbe griechische Buchstabe als Bezeichner auftritt.
- Rudolf Fritsch: Der Vierfarbensatz. 1994, S. 25–26, 128
- K. P. Müller, H. Wölpert: Anschauliche Topologie. 1976, S. 67
- Müller, Wölpert, op. cit., S. 148–149
- ist die Gaußklammerfunktion.
- Gerhard Ringel: Das Kartenfärbungsproblem. in: Selecta Mathematica III 1971, S. 30 ff., 45–47
- Ringel, op. cit., S. 31
- Siehe Vier-Farben-Satz#Kritik!
- Ringel, op. cit., S. 32
- ist die Aufrundungsfunktion.
- Ringel, op. cit., S. 32–33
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