Staatsversagen

Unter Staatsversagen (auch Politikversagen) versteht m​an in d​en Wirtschaftswissenschaften d​urch staatliche Eingriffe i​n den Markt verursachte, bezogen a​uf die neoklassische Theorie suboptimale Ergebnisse. Diese können s​ich beispielsweise a​ls ineffiziente Güterallokation, Instabilität o​der Ineffizienz i​n der Produktion äußern. In d​er Neuen Politischen Ökonomie w​ird Staatsversagen a​ls Gegenstück z​um Marktversagen aufgefasst.

Probleme

Staatsversagen mündet i​n den meisten Fällen i​n Wohlfahrtsverlusten, e​twa durch:

  • Einheitslösungen: Behandlung der Individuen als hätten sie identische Präferenzen. Die entstehenden Wohlfahrtsverluste sind umso größer, je differenzierter die Bedürfnisse sind.
  • Paketlösungen: Bürger wählen eine Partei mit einem Gesamtprogramm (Paket), dem sie nur selten in allen Punkten zustimmen.
  • Koalitionslösungen: Nach einer Wahl werden Maßnahmen aufgrund von Koalitionsbildungen eventuell anders umgesetzt als vorher von den einzelnen Parteien angekündigt.

Ein weiteres Problem i​st unter Umständen d​ie Einflussnahme v​on Interessengruppen a​uf staatliche Entscheidungsträger (Lobbyismus).

Ursachen

Staatsversagen w​ird darauf zurückgeführt, d​ass konstitutionell festgelegte Regeln d​er Entscheidungsprozesse ineffiziente Zustände hervorbringen u​nd dass d​ie Machtausübung innerhalb dieser Regeln ineffizient ist. So führt d​ie Delegation v​on Aufgaben innerhalb d​es Staatsapparates z​u Problemen w​ie dem

  • Prinzipal-Agent-Problem: Die beauftragten Organe handeln nicht unbedingt im Interesse des Auftraggebers, sondern verfolgen eigene Interessen.
  • Bürokratien: Ziel von Bürokratien ist in der Regel nicht die Minimierung der Kosten, sondern die Maximierung des zur Verfügung stehenden Budgets. Diese Tendenz kann durch die Monopolstellung einer Behörde und mangelnde Kontrollierbarkeit noch verschärft werden.
  • Informationsmangel: Genauso wie die Verbraucher verfügt auch der Staat nur über beschränkte Informationen. Dieser Informationsmangel von Seiten des Staates sorgt dafür, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen in den seltensten Fällen richtig dosiert werden und somit nicht zwangsläufig zum Wohlfahrtsoptimum führen.

Staatsversagen und Keynesianismus

Das Konzept d​es Staatsversagens m​uss verstanden werden a​ls Antwort a​uf die Keynesianische Schule, d​ie dem Staat d​ie Funktion d​er Steuerung d​es Wirtschaftsprozesses zuwies (Konjunkturpolitik). Kritiker e​iner Keynesianischen Wirtschaftspolitik verweisen, analog z​um Marktversagen, a​uf Situationen, i​n denen staatliches Handeln systematisch z​u Ineffizienz führt, insbesondere b​ei der Bereitstellung öffentlicher Güter. Als Gründe nennen sie:

  • Als eigennutzenmaximierende Individuen seien Politiker in erster Linie machtorientiert, weshalb sie dem Gemeinwohl nur dienten, wenn sie sich daraus einen Vorteil versprächen
  • Kurzfristige Perspektive: Maßgeblich sei für Politiker in erster Linie die nächste Wahl. Daher würden unpopuläre Entscheidungen verzögert bzw. aufgeschoben und langfristige Konsequenzen unzureichend berücksichtigt.
  • Die Ausrichtung an ihrem eigenen Vorteil mache wirtschaftspolitische Entscheidungsträger beeinflussbar durch Interessengruppen wie Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften. Dieses Verhalten sei für Wähler nur schwer zu kontrollieren. (Siehe hierzu auch Lobbyismus, Prinzipal-Agent-Theorie, politische Rente (rent seeking))
  • Die Komplexität des Marktes führe zu Unsicherheit bei der Planung, der Ausführung und der kurz- und langfristigen Wirkung wirtschaftspolitischer Maßnahmen.
  • Diktat der Bürokratie: Wenn die Bürokratie sich auf immer neue Handlungsfelder ausdehne und in der Folge keine Kosten-Nutzen-Analyse mehr stattfinde, verhindere sie den effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren.

Literatur

  • Daron Acemoglu, James A. Robinson: Why Nations Fail. The Origins of Power, Prosperity, and Poverty. Crown Publishing, New York, N.Y. 2012, ISBN 978-0-307-71921-8. Auf Deutsch: Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut, übersetzt von Bernd Rullkötter, S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-000546-5.
  • Olivier Blanchard, Gerhard Illing: Makroökonomie. 3., aktualisierte Auflage. Pearson Studium, München u. a. 2004, ISBN 3-8273-7051-5, Kapitel 24.
  • Arne Heise: Einführung in die Wirtschaftspolitik. Grundlagen, Institutionen, Paradigmen (= UTB. Politikwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften 8297). Wilhelm Fink, München u. a. 2005, ISBN 3-8252-8297-X, Kapitel 8.
  • Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen. (1792) (= Reclams Universal-Bibliothek. 1991). Nachdruck. Reclam, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-15-001991-7, S. 30ff.: Fehler des Staates.
  • Christoph Kaserer: Die deutsche Bankenkrise von 1931. Marktversagen oder Staatsversagen? In: Bankhistorisches Archiv. Zeitschrift für Bankengeschichte. Bd. 26, Nr. 1, 2000, ISSN 0341-6208, S. 3–26.
  • Berthold U. Wigger: Grundzüge der Finanzwissenschaft. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-540-28169-X.
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