Speckdäne
Speckdäne ist eine abwertende Bezeichnung (Ethnophaulismus) für Angehörige der dänischen Minderheit in Südschleswig. Der Begriff unterstellt, dass die verstärkte Hinwendung zur dänischen Volksgruppe nach den beiden Weltkriegen allein durch Lebensmittelpakete aus Dänemark und somit ausschließlich durch materielle Beweggründe oder wirtschaftliche Vorteile veranlasst sei. Die Betroffenen werden damit als „Separatisten aus niederen Beweggründen“ denunziert.[1] Das Wort entstand zur Zeit der Volksabstimmung in Schleswig 1920 als Teil der deutschen Propaganda vor dem Hintergrund der damals stärkeren dänischen Wirtschaft.[2]
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in Südschleswig zum Teil auch zu Vandalismus an dänischen Einrichtungen. Plakate mit der Aufschrift „Speckdäne“ zeigten teilweise deutliche Parallelen zu den antijüdischen Plakaten aus der Zeit des Nationalsozialismus.[3] Einen Höhepunkt erreichten die Ausschreitungen, als in der Nacht vom 20. auf den 21. September 1952 zahlreiche Einrichtungen der dänischen Minderheit mit Parolen beschmiert wurden, in denen immer wieder das Schimpfwort „Speckdäne“ auftauchte. Unter anderem wurde die damalige dänische Schule in Schwabstedt (dän. Svavsted) mit einem Totenkopf und dem Satz Das sind Speckdänen beschmiert[4].
Indem der Begriff „Speckdäne“ allein materielle Gründe für die Hinwendung zur dänischen Seite unterstellt, blendet er andere Ursachen aus. Hinzu kommt, dass die Größe der dänischen Bevölkerung im Süden Schleswigs immer wieder schwankte. Wurde noch in der frühen Neuzeit etwa bis zu einer Linie Husum-Schleswig Dänisch gesprochen, rückte die Sprachgrenze bald weiter nach Norden. Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 kam Schleswig zu Preußen, die Möglichkeiten dänischer Kultur- und Bildungsarbeit wurden durch eine repressive staatliche Kulturpolitik stark eingeschränkt. Bei der Volksabstimmung 1920 stimmten in der zweiten Abstimmungszone (im nördlichen Südschleswig) 51.742 (80,2 %) für Deutschland und 12.800 (19,8 %) für Dänemark. Die dänische Volksgruppe in Südschleswig umfasste zu Beginn der Weimarer Republik etwa 20.000 Menschen.[5] Der Schleswigsche Verein hatte 1923 8.893 Mitglieder; gegen Ende der NS-Diktatur war diese Zahl auf 2.728 gesunken.[6] Nach dem Zweiten Weltkrieg stiegen die Zahlen jedoch wieder an und erreichten im Jahr 1947 sogar 75.000.[7] Auch die Stimmen für dänische Parteien bei politischen Wahlen nahmen zu. Später stabilisierten sich die Zahlen wieder auf einem niedrigeren Niveau. Der Südschleswigsche Verein hat heute beispielsweise 13.000 Mitglieder.
Weblinks
Einzelnachweise
- Dieter Felbick: Schlagwörter der Nachkriegszeit 1945 – 1949. de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017643-2, S. 504–506.
- Lars N. Henningsen: Zwischen Grenzkonflikt und Grenzfrieden, Flensburg 2011, S. 82
- So etwa das folgende Wahlplakat aus Süderbrarup vom 24. August 1946: „Verachtet diese Speckschweine !!! Setzt Euch zur Wehr !!! Deutsche werdet wach!! Deutsche kauft bei Deutschen !!! Boykottiert die Geschäfte der Speckdänen !!!! Ihr füllt sonst die Geldsäcke der Vaterlandsverräter !!! (...) Wir werden nicht eher ruhen, bis der letzte Speckdäne aufgehängt ist. Die Kandidaten der Dänenliste sind auch die ersten Todeskandidaten !!!“; zitiert nach Florian Greßhake: Deutschland als Problem Dänemarks. Das materielle Kulturerbe der Grenzregion Sønderjylland-Schleswig seit 1864, Göttingen 2013, S. 268
- Arkiv.dk: Svavsted danske Skole
- Jürgen Kühl: Die dänische Minderheit in Preußen und im Deutschen Reich 1864-1914, in: Hans Henning Hahn og Peter Kunze (Hrsg.): Nationale Minderheiten und staatlichen Minderheitenpolitik in Deutschland im 19. Jahrhundert, Berlin 1999, S. 131.
- Lars N. Henningsen (Hrsg.): Sydslesvigs danske historie, Flensburg 2009, S. 108
- Lars N. Henningsen (Hrsg.): Sydslesvigs danske historie, Flensburg 2009, S. 178