Selbstenergiefunktionaltheorie

Die Selbstenergiefunktionaltheorie i​st ein variationelles Berechnungsverfahren d​er quantenmechanischen Vielteilchentheorie, d​ie Systeme m​it einer großen Zahl v​on miteinander wechselwirkenden Teilchen beschreibt. Das Verfahren w​ird vorteilhaft eingesetzt b​ei stark korrelierten (gekoppelten) Elektronensystemen, w​ie sie b​ei Magneten u​nd Supraleitern vorgefunden werden.

Anliegen

Die Rechenzeit für die Berechnung von Mehrteilchensystem steigt stark mit der Anzahl der Teilchen und das mindestens mit . Soll beispielsweise die Genauigkeit durch Verdopplung der Anzahl der betrachteten Teilchen verbessert werden, erhöht sich die Wartezeit vor dem Computer auf das Achtfache. Ein gern genutzter Lösungsansatz fasst Gruppen von Teilchen zusammen, approximiert also mit Clustern unter Vereinfachung der Wechselwirkungen der Teilchen in einem Cluster.

Ein anderer Ansatz besteht in der möglichst genauen Berechnung ähnlicher Vergleichssysteme und "Umrechnung" dieser Systeme in das gegebene System. Diesen Ansatz verfolgt die Selbstenergiefunktionaltheorie (SFT). In der Sprache der SFT heißt das: Die Selbstenergiefunktionaltheorie (SFT) liefert einen Ansatz, mit dem recht exakt die Selbstenergie großer Systeme mithilfe kleiner und vor allem mit relativ geringem Rechenaufwand möglichst exakt lösbarer Referenzsysteme berechnet werden kann. Mit diesem Verfahren entkoppelt der Rechenaufwand weitgehend von der Größe des Systems.

Systembeschreibung

Die SFT, erstmals als Selbstenergiefunktionalansatz (SFA) von M. Potthoff 2003 veröffentlicht, stellt ein Variationsprinzip ohne Approximation der funktionalen Abhängigkeit mit der Selbstenergie als dynamische Basisvariable dar. Dabei wird das aus der Thermodynamik bekannte großkanonische Potential als Funktional der Selbstenergie () konstruiert, das bei der exakten Selbstenergie des Systems stationär wird. Für die Test-Selbstenergien werden möglichst exakt lösbare Referenzsysteme mit der gleichen Wechselwirkung wie das Originalsystem benötigt. Hierbei bezeichnen bzw. den sog. Hopping-Parameter des nicht-wechselwirkenden Anteils des jeweiligen Hamilton-Operators und die Wechselwirkungsstärke.

Genauere Darstellung

(Die folgende Entwicklung benutzt d​en Greensfunktionsformalismus d​er Vielteilchentheorie (siehe Weblinks)).

Das großkanonische Potential ist als Funktional der temperaturabhängigen Greensfunktion (Matsubara-Funktion) gegeben durch:

wobei die Spur definiert ist als

und die inverse Temperatur ist. Das in dem großkanonischen Potential auftretende Luttinger-Ward-Funktional ist dabei definiert als Summe der Beiträge aller geschlossenen, zusammenhängenden, angezogenen Skelett-Diagramme:

Da i. A. der exakte funktionale Zusammenhang für unbekannt ist, bietet sich der Übergang zum Funktional der Selbstenergie an:

Dabei muss angenommen werden, dass lokal invertierbar ist, das System sich also nicht an einem kritischen Punkt für einen Phasenübergang befindet. Das großkanonische Potential als Funktional der Selbstenergie ist dann:

wobei die Legendre-Transformierte des Luttinger-Ward-Potentials ist.

Da das Luttinger-Ward-Funktional formal als Summe der Beiträge aller geschlossenen, zusammenhängenden angezogenen Skelett-Diagramme konstruierbar ist, ist dieses nur von der Wechselwirkung abhängig. Somit ist aber auch die Legendre-Transformierte nur abhängig von der Wechselwirkung. Haben nun die Referenzsysteme die gleiche Wechselwirkung wie das Originalsystem, so ist universell und lässt sich aus dem großkanonischen Potential eliminieren, indem durch das Referenzsystem ausgedrückt wird:

Damit i​st also d​as großkanonische Potential d​es Originalsystems:

Stationaritätsbedingung

Die genaue Selbstenergie erfüllt die folgende Stationaritätsbedingung:

d. h. für d​ie exakte Selbstenergie l​iegt für d​as großkanonische Potential e​in Extremum o​der ein Sattelpunkt vor. Diese Stationaritätsbedingung m​uss lediglich mithilfe d​er mit anderen Mitteln möglichst e​xakt berechneten Selbstenergien d​er Referenzsysteme getestet werden. Wird e​ine Selbstenergie gefunden, d​ie näherungsweise d​iese Bedingung erfüllt, s​o hat m​an eine Näherungslösung für d​ie Selbstenergie u​nd des großkanonischen Potential d​es Originalsystems.

Literatur

  • S. Bäse, Selbstenergiefunktionaltheorie mit stochastischem Cluster-Solver, Universität Hamburg (2008)
  • M. Potthoff, Eur. Phys. J. B 32, 429 (2003)
  • M. Potthoff, Phys. Rev. Lett. 91, 206402 (2003)
  • M. Potthoff, Eur. Phys. J. B 36, 335 (2003)
  • C. Dahnken et al., Phys. Rev. B 70, 245110 (2004)
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