Schwarzenbergscher Schwemmkanal
Der Schwarzenbergsche Schwemmkanal (tschechisch Schwarzenberský plavební kanál) ist eine Holzschwemmanlage, die im 18. Jahrhundert angelegt und bis ins 20. Jahrhundert wirtschaftlich genutzt wurde. Er führt nordöstlich des Dreisesselberges von der Světlá (Lichtwasser) an der bayerisch-tschechischen Grenze über die Europäische Hauptwasserscheide nahe dem Růžovský vrch (Rosenhügel, 939 m n.m.) weiter über den Otovský potok (Reithbach) und den Zwettlbach/Světlá knapp vor Haslach in die Große Mühl.
Geschichte
Adam Fürst zu Schwarzenberg, der 1719 die Allodialherrschaften Krumau, Winterberg und Wallern erworben hatte, erkannte rasch die wirtschaftliche Bedeutung der ausgedehnten Waldgebiete des Böhmerwaldes und ließ 1721 das erste Forstamt anlegen. Der im Laufe des 18. Jahrhunderts stark angestiegene Holzbedarf der Städte bot einen florierenden Absatzmarkt. Der Abtransport ins Binnenland erfolgte vornehmlich mit Fuhrwerken. Versuche zur Nutzung der Moldau zur Schwemme von Scheitholz nach Prag waren für die Fürstlich Schwarzenbergische Forstverwaltung mit hohen Verlusten verbunden, da es nicht gelang die Stromschnellen an der Teufelswand zu überwinden. Aus diesem Grunde entstanden Überlegungen über die Möglichkeit einer Holzschwemme in andere Gegenden, z. B. nach Wien.
Der Fürstlich Schwarzenbergische Ingenieur Joseph Rosenauer legte dazu bereits zwischen 1775 und 1778 Pläne vor, die Wasserscheide zwischen Moldau und Donau – und damit zwischen Nordsee und Schwarzem Meer – über einen Kanal von der Großen Mühl in den Böhmerwald zu überwinden. Rosenauer entwarf auch einen Plan für einen 6,3 Kilometer langen Schwemmkanal zur Umgehung der Stromschnellen auf der Moldau. Letzterer wurde in der Zeit von 1780 bis 1785 favorisiert, später jedoch wegen der gegenüber den Baukosten zu geringen Erlöse für Schwemmholz in Prag sowie die weiterhin bestehende kostenintensive Holzanfuhr aus den Wäldern wieder verworfen. Nachdem die Fürsten Schwarzenberg zum Ende des 18. Jahrhunderts weitere Güter erworben hatten und damit im Böhmerwald 24.000 Joch Waldgebiete besaßen und zur selben Zeit der Feuerholzbedarf in Wien sprunghaft angestiegen war, fiel die Entscheidung zum Bau eines Schwemmkanals nach der Großen Mühl. Eigentümer der Mühlschwemme war das Stift Schlägl, das das Privilegium zum Holzschwemmen von jährlich 20.000 Klaftern Holz ab 1767 für 20 Jahre an das Hochstift Passau zu einem Klafterpreis von zwei Gulden 15 Kreuzer für Hartholz und einen Gulden 40 Kreuzer für Weichholz verpachtet hatte. Das in Folge der Josephinischen Reformen in seiner Existenz bedrohte und ab 1782 unter staatliche Aufsicht gestellte Stift Schlägl erlangte 1788 zwar die alleinige Verfügungsgewalt über sein Eigentum zurück; jedoch sah der zum größten Grundbesitzer im Königreich Böhmen aufgestiegene und am Hof einflussreiche Johann I. Fürst zu Schwarzenberg eine günstige Möglichkeit, die für das Schwemmkanalprojekt erforderlichen Rechte an der Mühlschwemme zu erlangen.
Im Dezember 1788 erneuerte der Schlägler Abt Siard II. Dengler das Passauer Mühl-Schwemmprivileg für weitere 16 Jahre, wobei eine jährliche Schwemme von 5000 Klaftern zu einem Preis von zwei Gulden 39 Kreuzer für Hartholz und einen Gulden 40 Kreuzer für Weichholz vereinbart wurde. Nachdem durch das Hochstift innerhalb von knapp zwei Jahren bereits die im Vertrag von 1767 genannte Gesamtmenge von 400.000 Klafter erreicht worden war, erklärte Kaiser Joseph II. am 27. August 1789 das Passauer Privileg zum 7. November 1790 für beendet. Zugleich wurde das Stift Schlägl für 30 Jahre zur weiteren jährlichen Abgabe von 5000 Klafter Holz verpflichtet, wobei der Preis gegenüber dem Passauer Privileg auf drei Gulden für Hartholz bzw. einen Gulden 45 Kreuzer für Weichholz herabgesetzt wurde.
Baubeginn für den Schwemmkanal war der 20. April 1789. Kaiser Leopold II. erteilte Joseph II. Fürst von Schwarzenberg am 18. Juni 1790 zunächst für 30 Jahre das ausschließliche Privileg für die gesamte Schwemmstrecke. Damit musste das Stift Schlägl auf seinem Gebiet die Anlegung eines 6400 Klafter langen Kanalabschnittes einschließlich des Begleitweges dulden. Da das Stift nicht zum Verkauf der Grundstücke bereit war, überließ die Allodialherrschaft Krummau dem Stift für die Zeit der Nutzung des Schwemmkanals 24 Joch Wald in der Brunnau nordwestlich des Reischlberges. Die Jagd- und Fischereirechte verblieben beim Stift Schlägl, das zudem für als Ausgleich für die entstanden Fischereinachteile mit der Fischerei in der Moldau zwischen dem Rotbach (Pestřice) und dem Iglbach (Ježová) entschädigt wurde. Der erste Bauabschnitt war bis 1791 ausgeführt.
Von der Großen Mühl aufwärts bis zur Wasserscheide in der Nähe des Rosenhügels wurden natürliche Wasserläufe aufwendig reguliert. Der anschließende Hangkanal verlief mit minimaler Steigung an den Hängen des Böhmerwalds und endete in Hirschbergen. Er wird oft als ingenieurtechnische Meisterleistung bezeichnet und wurde im 19. Jahrhundert als „achtes Weltwunder“ gefeiert. Das Holz des Böhmerwaldes wurde so erschlossen und verkauft. Am Ende des Kanals auf österreichischer Seite trieb das Holz lose weiter auf der Großen Mühl bis kurz vor deren Mündung in die Donau. Dort wurde es im Ausschwemmkanal mit Rechen abgefangen, auf Schiffe verladen, nach Wien transportiert und – wegen der niedrigen Transportkosten mit großem Gewinn – als Brennholz verkauft. Über den Schwarzenbergischen Schwemmkanal wurden ca. 8 Mio. Raummeter Brennholz transportiert.
Ursprünglich 29,3 km lang, wurde er später mehrfach verlängert. Für eine größere Länge wurde von Rosenauer ein zu geringer Wasserzulauf aus den verschiedenen Bächen befürchtet. Der 80 cm tiefe Kanal war typischerweise am Kanalboden 2,20 m breit und oben 2,80 m. In der Morau, bei St. Oswald bei Haslach verläuft die Steilstufe des Schwemmkanals, dort befindet sich ein Grenzstein von Maria Theresia.
Gespeist wurde der Alte Kanal über die Seebachriese, Hirschbachriese und Roßbachriese mit Wasser aus dem Plöckensteiner See, dessen Wasserspiegel dafür 1793 mittels eines festen Dammes um acht Fuß erhöht wurde, sowie aus der Hirschbachklause und der Roßbachklause. Zur Schlägerung des Holzes und zur Arbeit bei der Holzschwemme siedelte Joseph II. Fürst von Schwarzenberg Forstarbeiter aus österreichischen und bayerischen Gebieten an.
In den Grenzwäldern entstand eine Vielzahl kleiner Holzhackerkolonien, die in acht Gemeinden mit eigenem Richter zusammengefasst wurden. Dies waren St. Thomas mit 25 Häusern, Fleißheim (Horní Borková) mit 31 Häusern, Guthausen (Dobrá) mit 34 Häusern, Haberdorf mit 55 Häusern, Hüttenhof (Huťský Dvůr) mit 52 Häusern, Neuthal mit 43 Häusern, Schoberstätten (Seníky) mit 23 Häusern und Uligthal mit 16 Häusern; hinzu kamen noch die 13 Flößerhäuser bei Neuthal. Jeder der Siedler erhielt mit dem Ansiedlungskontrakt das Eigentum an seinem Haus mit dem Vorbehalt eines Einlösungsrechtes bei der unbegründeten Nichterfüllung seiner Verpflichtungen. Diese bestanden aus dem jährlichen Verhacken von 100 Klaftern zu einem Festpreis; darüber hinausgehende Scheitholzmengen wurden mit einem höheren Preis vergütet. Diese Arbeiten hatten nach der Schneeschmelze zu beginnen und die tägliche Menge sollte zwei Klafter betragen. Während dieser Zeit lebten die Holzhacker in selbst errichteten Waldhütten in ihrem zugewiesenen Schlag. Je nach Entfernung vom Wohnhaus kehrten sie mehrmals in der Woche nach Hause zurück oder lebten wochenlang im Wald und wurden dort durch ihre Familien mit Nahrung versorgt. Ab Mitte Juni kehrten die Männer aus dem Wald zurück und konnten ihre häuslichen Obliegenheiten erledigen. Zu den Häusern gehörten fünf bis sechs Joch Land zu einer mäßigen Pacht für die Erzeugung der allernötigsten Lebensmittel und die Ernährung eines kleinen Nutzviehstandes.[1]
In der Hochblüte waren mit dem Schwemmen des Holzes bis zu 800 Arbeiter beschäftigt. Das auf der oberen Moldau geflößte Scheitholz wurde vom Salnauer Schwemmplatz über das Scheiterstraßl mit Fuhrwerken hinauf zum Kanal transportiert. Nach dem Elferschlag wurde die dem Stift Schlägl bis 1819 auferlegte Holzlieferungsverpflichtung, die inzwischen die Schlag- und Bringungskosten nicht mehr deckte, für Joseph II. von Schwarzenberg zu einem lukrativen Geschäft; der Klafterpreis war in Haslach für Hartholz auf 28 Gulden und für Weichholz auf 19 Gulden gestiegen.
In den Jahren 1821/1822 wurde der Kanal aufgrund des großen Holzbedarfes neuerlich erweitert. Dabei entstand der Neue Kanal, der vom Lichtwasser, zum Teil unterirdisch durch den 419 m langen Hirschbergen-Tunnel nach Hirschbergen führte, sodass der gesamte Kanal schließlich eine Länge von 52 km aufwies. Der Kanal erhielt ca. 87 Brücken und wurde während der Holzschwemme aus 22 Bächen gespeist, die durch Schleusen abgesperrt und in den Kanal geleitet wurden.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sank der Brennholzbedarf, und Kohle aus Schlesien gelangte mit der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn nach Wien. Stattdessen stieg der Bedarf an Stammholz, wofür der Kanal aber im Bereich der Großen Mühl wegen zahlreicher Wehre und Mühlen nicht geeignet war. Deshalb wurde ein 22 km langer Teil in Böhmen umgebaut, so dass nun ganze Stämme zur Moldau geflößt werden konnten. Dazu wurde zwischen 1887 und 1888 die 3,8 Kilometer lange „Hefenkrieger Glitsche“ bzw. „Salnauer Riese“ (Novopecký smyk) zur Moldau bei Salnau angelegt, von wo bis 1892 eine Eisenbahnverbindung nach Budweis entstand. Nach dem Bau der Mühlkreisbahn von Linz nach Aigen im Jahre 1888 wurde die Holzschwemme auf der Großen Mühl zur Donau immer mehr reduziert, da sich auch der Brennholzverkauf kaum mehr rentierte. 1916 wurde letztmals Scheitholz vom Rosenhügel bis Haslach geschwemmt.
1927 erhielt das Stift Schlägl eine dreijährige Schwemmkonzession für den Abschnitt zwischen dem Rotbach und der Aigener Bundesstraße. Zum 1. Jänner 1935 erhielt das Stift Schlägl den oberösterreichischen Kanalabschnitt vom Rotbach bis zum Iglbach von der Schwarzenbergischen Forstdirektion Oberplan zurück, damit endete auch die Konzession für den Schwemmbetrieb im österreichischen Teil. Der tschechische Teil zwischen der Světlá und der Moldau bei Želnava war bis 1961 in Benützung.
Nach der Errichtung des Eisernen Vorhangs war der in die Grenzzone gefallene tschechische Abschnitt ab 1951, mit einer Unterbrechung von 1965 bis 1974 nicht mehr öffentlich zugänglich.
Heute sind große Teile des Kanals in Böhmen als Baudenkmal wieder restauriert. Im Kanal fließt noch Wasser und es gibt ein jährliches Schauschwemmen. Die historische Begleitstraße ist als Radweg markiert und führt durch den Nationalpark Šumava (Böhmerwald).
Verlauf
Der Schwarzenbergsche Schwemmkanal wurde mit dem Wasser von 27 Bächen und dem Plöckensteiner See gespeist. Zur Sicherung der Wasserversorgung wurden drei Stauweiher angelegt. Geschwemmt wurde von April bis Juni, wenn nach der Schneeschmelze im Böhmerwald im Schwemmkanal die dafür erforderliche Mindestwasserhöhe von 40 Zentimeter erreicht wurde. Bis Glöckelberg führte er durch den böhmischen, danach durch den österreichischen Teil des Böhmerwaldes. Am Rosenhügel (Růžovský vrch) führte der Kanal bei Ottenschlag (Otov) unweit Deutsch Reichenau wieder über böhmisches Gebiet, bevor er bei St. Oswald bei Haslach wieder auf österreichisches Territorium wechselt.
Der aus den Abschnitten Hirschbach–Rosenhügel (32,4 Kilometer) und Zwettlbach–Große Mühl (7,5 Kilometer) bestehende Alte Kanal hatte eine Länge von 49,9 Kilometern. Zum Alten Kanal hinzugerechnet wird auch die 28,3 Kilometer lange Mühlschwemme zwischen Großer Mühl und Donau.
Der Neue Kanal zwischen Lichtwasser und Hirschbach hat eine Länge von zwölf Kilometern.
Insgesamt führt der Schwarzenbergsche Schwemmkanal über 51,9 Kilometer, einschließlich der Mühlschwemme sind es 80,2 Kilometer.
Siehe auch
Literatur
- Česká lesnická společnost: Schwarzenberský plavební kanál 200 let od svého založení. Základní pobočka ČSVTS VLS Horní Planá, Horní Planá 1989, ISBN 80-02-99453-1 (Festschrift).
- Erhard Fritsch: Der Schwarzenberg-Schwemmkanal im Wandel der Zeit. In: Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich. Band 39, Nr. 1, 1993, S. 43–74 (zobodat.at [PDF; 16,8 MB]).
- Walter Kogler (Hrsg.): Der Schwarzenbergsche Schwemmkanal. W. Kogler, Wien 1993, ISBN 3-9500254-0-5.
- Fritz Lange: Von Böhmen nach Wien. Der Schwarzenbergische Schwemmkanal (= Die Reihe Archivbilder.) Sutton, Erfurt 2004, ISBN 3-89702-723-2.
- Carl Ernst Mayer: Beschreibung der großen Schwemm-Anstalt auf der Herrschaft Krummau in Böhmen. Mit 2 Plänen und 8 lithographierten Ansichten. Sollinger, Wien 1831 (Sonderabdruck aus: Allgemeine österreichische Zeitschrift für den Landwirth, Forstmann und Gärtner. Band 2, 1830, ZDB-ID 965303-x; Digitalisat).
- Paul Praxl: „Den Segen der Heimat erschloss er …“ Josef Rosenauer und der Wiener Schwemmkanal. In: Paul Praxl: Der Dreiländerberg. Grenzland Bayern – Böhmen – Österreich. Morsak, Grafenau 1979, ISBN 3-87553-110-8, S. 101–116.
- Jiří Záloha: Zur Geschichte der Holzausfuhr aus Böhmen nach Österreich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (Wiener oder Schwarzenbergischer Holzschwemmkanal). In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. 1: Abhandlungen. Band 120, 1975, ZDB-ID 553321-1, S. 257–269 (ooegeschichte.at [PDF; 1,3 MB]).
Weblinks
- Schwarzenbergscher Schwemmkanal. In: encyklopedie.ckrumlov.cz. Město Český Krumlov (Stadtverwaltung Krummau)
- Sarah Ehrhardt, Christine Bäuerle: Der Schwarzenberger Schwemmkanal – Verbindung vom Böhmerwald über die Donau bis nach Wien. In: schule.de (PDF-Datei einer Seminararbeit; 630 kB).
- Homepage Schwemmkanal auf schw-kan.com.
Einzelnachweise
- Beschreibung der grossen Schwemm-Anstalt auf der Herrschaft Krummau in Böhmen. Wien 1831, S. 49–51.