Samuel Pisar
Samuel Pisar (* 18. März 1929 in Białystok; † 27. Juli 2015 in New York City, New York) war ein in Polen geborener US-amerikanischer Jurist, Autor und Holocaust-Überlebender.[1] Er war der Stiefvater des späteren US-Außenministers Antony Blinken.[2]
Leben
Pisar hatte litauische Eltern, David und Helaina Pisar (geb. Suchowolski). Sein Vater gründete das erste Taxi-Unternehmen in der polnischen Region.[3] Nach der sowjetischen Besetzung 1939 besuchte er eine russische Schule. Nach der deutschen Besetzung 1941 lebte er im Ghetto Bialystok.
Die Eltern und die jüngere Schwester kamen im Holocaust um. Er wurde nach Majdanek, Bliżyn, Auschwitz, Sachsenhausen, Dachau und als Zwangsarbeiter zum Engelbergtunnel nahe Leonberg verschleppt.[4] In den letzten Kriegswochen schickten die Nazis ihn und die anderen Häftlinge auf einen Todesmarsch. Als dieser durch nahende US-amerikanische Streitkräfte bombardiert wurde, flohen Pisar und einige andere in die Obhut der Amerikaner.[5]
Danach verbrachte er anderthalb Jahre in der deutschen US-Zone, wo er sich auf dem Schwarzmarkt betätigte. Seine Tante holte ihn nach Paris.[6] Vom Onkel, dem Journalisten Léo Sauvage, wurde er nach Melbourne geschickt, wo er seine Ausbildung fortsetzte. Er besuchte das Taylors College und studierte Jura an der University of Melbourne bis 1953.[7] Nachdem er von einer Tuberkulose genesen war, ging er in die USA und promovierte an der Harvard University. Außerdem erhielt er einen Doktortitel der Pariser Sorbonne.
Seit den 1950er Jahren arbeitete Pisar für die Vereinten Nationen in New York und Paris und kehrte 1960 nach Washington zurück, um für John F. Kennedy und verschiedene US-Institutionen zu arbeiten. Als internationaler Jurist hatte er die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Ostblock und den westlichen Ländern im Blick. Sein Buch Supergeschäft Ost-West (1970) empfahl einen verstärkten Ost-West-Handel, um den Kalten Krieg zu überwinden. In den USA und der BRD war dies eine Begründung für mehr Austauschgeschäfte mit der UdSSR, z. B. im Öl- und Erdgashandel (Deutsch-sowjetische Röhren-Erdgas-Geschäfte). Der französische Politologe Raymond Aron widersprach dem im Buch Le Spectateur Engagé (1981).
Pisars Memoiren Of Blood and Hope erhielten 1981 den Present Tense literary award.[8] Er schrieb eine Erzählung über seine Erfahrungen und seine Wut über Gott für Leonard Bernsteins 3. Symphonie „Kaddish“.
Pisar war einer der Begründer von Yad Vashem-France, ein Direktor der Fondation pour la Mémoire de la Shoah und Trustee der Brookings Institution in Washington. Er wurde 2012 von französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zum Großoffizier der Ehrenlegion ernannt, war Kommandeur des Verdienstordens der Republik Polen und wurde 1995 von Königin Elisabeth II. zum Ehrenoffizier des Order of Australia ernannt.
Familie
Pisar heiratete zweimal, hatte aus erster Ehe mit Norma Pisar zwei Töchter und die Tochter Leah Pisar (die für Bill Clinton arbeitete)[9] aus zweiter Ehe ab 1971 mit der Galeristin Judith Blinken, mit der er in Paris und New York City lebte. Deren Sohn Antony Blinken wurde 2021 US-Außenminister.
Schriften
- Supergeschäft Ost-West: Der Schlüssel zum Weltfrieden, 1970
- Das Blut der Hoffnung, rororo, Reinbek 1979 ISBN 978-3498052379
- Le Chantier de l'avenir : entretiens avec Samuel Pisar, 1989
Weblinks
Einzelbelege
- Steven Erlanger: Samuel Pisar Dies at 86; Lawyer and Adviser Survived Nazi Camps. In: The New York Times. 29. Juli 2015, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 26. Januar 2021]).
- 9 things to know about Antony Blinken, the next US secretary of state. 23. November 2020, abgerufen am 26. Januar 2021 (amerikanisches Englisch).
- Wrestling with God. Abgerufen am 26. Januar 2021 (englisch).
- Stuttgarter Zeitung, Stuttgart Germany: Leonberg: „Mein Überleben sollte kein Zufall sein“. Abgerufen am 26. Januar 2021.
- René Pfister: Der stille Amerikaner. In: Der Spiegel. Nr. 5, 2021, S. 78 ff. (online – 30. Januar 2021).
- Steven Erlanger: After Survival, a Journey to Self-Recovery (Published 2009). In: The New York Times. 10. Juli 2009, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 26. Januar 2021]).
- Blood and Hope: Samuel Pisar’s triumph of the spirit. In: Issues Archive - Harvard Law Today. Abgerufen am 26. Januar 2021.
- Johanna Kaplan Wins Award for 'O My America' (Published 1981). In: The New York Times. 4. Mai 1981, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 26. Januar 2021]).
- Obituary: Samuel Pisar, lawyer and holocaust survivor. Abgerufen am 26. Januar 2021 (englisch).