Said Ramadan
Said Ramadan (arabisch سعيد رمضان, DMG Saʿīd Ramaḍān; * 12. April 1926 in Schibin al-Kaum im Nildelta; † 4. August 1995 in Genf) war ein ägyptischer Jurist und führender Aktivist der Muslimbrüder.
Leben
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs eröffnete Ramadan die erste Niederlassung der Muslimbrüder in Jerusalem.[1] 1946 schloss er ein Studium in islamischer Rechtswissenschaft ab und wurde Herausgeber der islamischen Wochenzeitschrift Asch-Schihab. 1948 kämpft er als Freiwilliger in Palästina, um die Gründung Israels zu verhindern.[2] Er reist in verschiedene muslimisch geprägte Länder und wird bei seinem Aufenthalt in Ägypten von Gamal Abdel Nasser inhaftiert. 1954 verließ Said Ramadan gemeinsam mit Sayyid Qutb Ägypten. Er ist der Schwiegersohn des Hassan al-Banna.
1959 promoviert er an der Universität zu Köln. Zwischen 1956 und 1958 reaktivierte er die Zweige der Muslimbrüderschaft in Jordanien, Syrien, dem Libanon und in Saudi-Arabien. Im August 1958 ließ er sich in Genf nieder, wo er im Jahre 1961 das Islamische Zentrum Genf (Centre islamique de Genève) gründet, das heute von seinem Sohn Hani Ramadan geleitet wird. 1962 war er an der Gründung der Islamischen Weltliga an führender Stelle beteiligt. Said Ramadan eröffnete mit dem Ziel der Islamisierung Europas eine Kette von islamischen, von den Regierungen der jeweiligen Länder unabhängiger Zentren.
Der Moscheebau in München
Der US-amerikanische Autor Ian Johnson hat die Planungen für den Bau einer Münchner Moschee, die ab 1957 auf bayrische staatliche Initiative hin erfolgte, ausführlich dargestellt. Zunächst wurde der frühere usbekische SS-Führer Nureddin Namangani zum Vorsitzenden der Moscheebau-Kommission bestimmt, ein „Oberimam“ aus dem Gefolge der islamischen SS-Truppen unter dem ideologischen Kommando des Mufti Mohammed Amin al-Husseini, nämlich der SS-Division „Osttürkischer Waffenverband“ (siehe dazu Reiner Olzscha). Namangani war auch bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstands aktiv gewesen. Bei seiner Wahl saß Said Ramadan, als damals bekanntester Führer der Muslimbruderschaft, im Raum.[3] Die CIA hatte diesen prominenten Muslimbruder als einen Kämpfer gegen den Kommunismus nach München geholt; dass Ramadan daneben auch die westliche Ordnung abzuschaffen trachtete, wollten seine Unterstützer nicht sehen. Damals wie heute wurde das Ziel der Bruderschaft, die Rückkehr zu einem ursprünglichen mythischen Zustand des „reinen Islam“, durch die äußerliche Verwendung moderner Symbole, z. B. westliche Kleidung und Rhetorik, camoufliert.[4]
Johnson kritisiert ironisch die politischen Spiele der Amerikaner mit Ramadan, weil sie sich von seinem gewandten Auftreten täuschen ließen, seine Ideologie dagegen anscheinend ignorierten. Tatsächlich ging die Muslimbruderschaft in München bald ihren eigenen Weg. 1960 hatte sie die alten bayrischen SS-Kader um Namangani aus der Moscheebau-Kommission verdrängt; diese Moschee wurde zu ihrem eigenen Zentrum.
- Fast alle westlichen Aktivitäten der Bruderschaft wurden von jener kleinen Gruppe von Menschen entfaltet, die diese Moschee führten. München war der Brückenkopf, von dem aus sich die Bruderschaft in westlichen Gesellschaften verbreitete... Hier in Europa hatten sie die Möglichkeit, im Schutz der Gesetze und der demokratischen Institutionen dauerhafte Strukturen zu entwickeln.[5]
Die Deutsche Islamkonferenz DIK nennt die Initiatoren der Münchner Moschee auf islamischer Seite so:
- 1958 wurde die „Geistliche Verwaltung der Muslimflüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland e. V.“ für ehemalige muslimische Wehrmachtsangehörige ins Leben gerufen.[6]
Am 9. August 1995 wurde Said Ramadan an der Seite seines Schwiegervaters Hassan al-Banna begraben.
Schriften
- Said Ramadan: Das Islamische Recht. Theorie und Praxis. Muslim Studenten Vereinigung in Deutschland, Marburg 1996, ISBN 3-932399-00-5.
Literatur
- Ian Johnson: A Mosque in Munich: Nazis, the CIA, and the Muslim Brotherhood in the West. Melia, Godalming 2010, ISBN 978-0-15-101418-7. (englisch).
- deutsch: Die vierte Moschee : Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus. Klett-Cotta, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-608-94622-2.
- Nina Nowar: Ramadans Erben. Die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V., IGD. Diplomica Verlag, Hamburg 2012, ISBN 978-3-8428-8381-9.
Einzelnachweise
- Ziad Abu Amr, Fundamentalism in the West Bank and Gaza, Univ. Press, Indiana University Bloomington, 1994, S. 3.
- Christopher de Bellaigue: Im Rosengarten der Märtyrer. Ein Porträt des Iran. Aus dem Englischen von Sigrid Langhaeuser, Verlag C. H. Beck, München 2006 (engl. Originalausgabe: London 2004), S. 319 f.
- Ausweislich eines erhaltenen Protokolls trat Ramadan 1958 in München in weiterer Funktion vor der Moscheebau-Gruppe auf, nämlich als "Generalsekretär" des Islamischen Weltkongresses und übergab dafür im Namen seiner Organisation eine Spende, 1000 DM. Nach Stefan Meining, Eine Moschee in Deutschland. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61411-8, S. 112, unter Bezug auf Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Sign. Laflü 1900: 22. Dezember 1958, "Protokoll Nr. 5: Sitzung der 'Dini Idare' auf breiterer Basis." Geistliche Verwaltung der Muslimflüchtlinge
- Ian Johnson: A Mosque in Munich. Nazis, the CIA, and the Muslim Brotherhood in the West. Melia, Godalming 2010, S. 127.
- S. XVI und S. 195.
- Verf.: Redaktion DIK, Abschnitt Nachkriegszeit bis heute. Zuletzt akt. 9. März 2013. Andere Quellen nennen bereits 1951 als Gründungsjahr des Vereins