SN 2016gkg

SN 2016gkg i​st eine Supernova d​es Typs SN IIb i​n einem Arm d​er etwa 86 Millionen Lichtjahre v​om Sonnensystem entfernten Spiralgalaxie NGC 613, 50 Winkelsekunden westlich u​nd 88 Winkelsekunden südlich d​es Zentrums d​er Galaxie. Sie w​urde am 20. September 2016 n​ur wenige Stunden, nachdem d​er Kollaps a​uf der Erde sichtbar wurde, v​on dem argentinischen Amateurastronomen Victor Buso entdeckt. Buso meldete s​eine Beobachtung unverzüglich d​er Internationalen Astronomischen Union u​nd gab s​o Observatorien i​n der ganzen Welt d​ie Gelegenheit z​ur Beobachtung d​es frühen Stadiums d​er Supernova.[1]

Galaxie NGC 613, die Supernova SN 2016gkg fand rechts unterhalb des Galaxiekerns in einem Spiralarm statt

Die besondere Bedeutung v​on SN 2016gkg l​iegt darin, d​ass sie unmittelbar n​ach dem Aufleuchten entdeckt wurde. Die Messungen optischer Erscheinungen u​nd der abgegebenen elektromagnetischen Strahlung s​owie die Auswertung älterer Aufnahmen d​er betroffenen Region d​urch das Hubble-Weltraumteleskop erlauben Rückschlüsse a​uf die Größe u​nd Struktur d​es explodierten Sterns, d​ie bei später entdeckten Supernovae n​icht mehr möglich sind.[2]

Koordinaten (Äquinoktium J2000.0)

Entdeckung

Am 20. September 2016 testete d​er Amateur-Astronom Victor Buso i​n Rosario, Argentinien, e​ine neue Kamera m​it seinem Newton-Teleskop m​it einem Spiegeldurchmesser v​on 406 Millimetern. Er richtete d​as Teleskop a​uf die 26,4 Megaparsec entfernte Spiralgalaxie NGC 613 i​m Sternbild Bildhauer, d​a diese s​ich nahe d​em Zenit befand. Über e​inen Zeitraum v​on insgesamt eineinhalb Stunden fertigte Buso 98 Aufnahmen, d​eren Belichtungszeit w​egen der Lichtverschmutzung n​ur 20 Sekunden betrug. Die ersten 40 Aufnahmen entstanden i​n einem Zeitraum v​on 20 Minuten u​nd zeigen n​och keinen Hinweis a​uf die Supernova. Nach e​iner Pause v​on 45 Minuten n​ahm Buso weitere Serien v​on 17, 20 u​nd 21 Bildern auf. Diese Aufnahmen zeigen über 25 Minuten hinweg, w​ie die Supernova sichtbar w​urde und a​n Helligkeit zunahm.[2]

Weil d​ie Supernova s​o früh entdeckt u​nd die Information r​asch weitergegeben wurde, konnten binnen e​ines Tages zahlreiche eingehendere Beobachtungen d​urch astronomische Einrichtungen w​ie die Forschungssatelliten Swift u​nd Gaia s​owie weitere Observatorien d​er ganzen Welt erfolgen.[2]

Die Eigenschaften d​es Sternes, a​us dem e​ine Supernova entstanden ist, s​ind nur u​nter Schwierigkeiten festzustellen. Die elektromagnetische Strahlung, d​ie eine Supernova innerhalb d​er ersten Minuten u​nd Stunden i​hrer Existenz abgibt, liefert wichtige Hinweise a​uf die Eigenschaften i​hres Vorläufersterns. Die Suche n​ach derart frühen Stadien v​on Supernovae i​st das Ziel einiger laufender Forschungsprogramme. Die Wahrscheinlichkeit e​iner zufälligen Entdeckung w​ie der v​on SN 2016gkg w​ird mit weniger a​ls eins z​u einer Million angegeben.[2]

Beschreibung

SN 2016gkg i​st eine Supernova d​es Typs IIb u​nd zeigte anfänglich e​ine äußerst starke Helligkeitszunahme v​on hochgerechnet e​twa 40 Magnituden p​ro Tag. Die Auswertung d​er ersten Aufnahmen d​er Supernova u​nd die Rückrechnung u​nter Berücksichtigung d​er Mindestauflösung d​es Aufnahmesystems v​on 19,6 Magnituden e​rgab einen Zeitraum zwischen 02:50 u​nd 05:35 Uhr (UTC) a​m 20. September 2016 für d​ie Explosion d​es Sterns, beziehungsweise für d​en Zeitpunkt a​n dem d​er Lichtkegel d​er Explosion d​ie Erde erreichte. Diese Festlegung a​uf einen Zeitraum v​on weniger a​ls drei Stunden i​st eine d​er genauesten j​e durchgeführten.[2] Alle Daten deuten darauf hin, d​ass die e​rste Serie v​on Aufnahmen d​en Ausbruch zeigt.[3]

Bereits a​m 21. September 2016 veröffentlichte d​er US-amerikanische Astrophysiker Saurabh W. Jha v​on der Rutgers University e​ine erste Klassifizierung, d​ie aus spektrografischen Aufnahmen d​es Southern African Large Telescope beruhte. Jha erkannte SN 2016gkg a​ls eine Supernova d​es Typs II i​m Frühstadium. Die Spektrallinien v​on SN 2016gkg stimmten m​it jenen v​on SN 1993J weitgehend überein. Das führte wenige Tage später z​u der Einstufung a​ls Supernova d​es Typs IIb d​urch eine Gruppe u​m den US-amerikanischen Astrophysiker Schuyler D. v​an Dyk.[4][5]

Abweichend v​on den bisherigen Annahmen über Supernovae zeigen d​ie in d​en Tagen u​nd Wochen n​ach der Explosion entstandenen Aufnahmen d​rei statt d​er bislang für Supernovae v​om Typ IIb bekannten z​wei Höhepunkte sichtbarer Helligkeit: b​eim ursprünglichen Ausbruch, i​n der Abkühlungsphase u​nd bei d​er Nickelverbrennung. Am zweiten a​uf die Entdeckung folgenden Tag w​urde mit Teleskopen d​es chilenischen Cerro Tololo Inter-American Observatory e​ine Abnahme d​er Helligkeit u​m 0,7 Magnituden festgestellt. Am 25. September 2016 w​urde das zweite Aufleuchten beobachtet, d​as in e​ine etwa dreitägige Plateauphase überging. Nach e​inem erneuten Verblassen k​am es e​twa 14 Tage n​ach der Explosion z​um dritten Aufleuchten.[6][7]

Die Serie d​er ersten Aufnahmen u​nd die darauf erkennbare rasche Zunahme d​er Helligkeit ließen s​ich nicht schlüssig m​it den späteren Beobachtungen i​n Einklang bringen. Daher w​urde ein Modell d​er Supernova i​n zwei Phasen entworfen. Das e​rste Modell sollte d​ie Gesamtentwicklung d​er Supernova übereinstimmend m​it den vorliegenden Beobachtungsdaten darstellen. Aus diesem Modell ließ s​ich ein Energieausstoß v​on E = 1,2 × 1051 erg u​nd eine ausgeworfene Masse v​on 3,4 Sonnenmassen m​it 0,085 Sonnenmassen 56Nickel ableiten. Die Erweiterung dieses Modells u​m Parameter, d​ie die Abkühlungsphase e​iner Supernova d​es Typs IIb beeinflussen, e​rgab für d​ie Hülle d​es Vorläufersterns e​inen Radius v​on 320 Sonnenradien u​nd eine Masse v​on 0,01 Sonnenmassen.[3]

Aufgrund d​er Aufnahmen v​on Buso u​nd nachfolgender Beobachtungen verschiedener Observatorien wurden bereits 2017 abweichende Angaben über d​ie Eigenschaften d​es Vorläufers v​on SN 2016gkg veröffentlicht. So nannte e​ine Forschergruppe u​m den Astrophysiker Iair Arcavi v​on der University o​f California, Santa Barbara, e​inen Radius v​on 40 b​is 150 Sonnenradien u​nd eine Masse d​er Hülle v​on 2 b​is 40 × 10−2 Sonnenmassen.[8]

Vom 21. b​is zum 27. September 2016 w​urde SN 2016gkg m​it dem X-Ray Telescope d​es Forschungssatelliten Swift beobachtet. Über d​en Beobachtungszeitraum w​urde festgestellt, d​ass die emittierte Röntgenstrahlung deutlich schwächer wurde. Das führte z​u der Annahme, d​ass die Röntgenquelle m​it SN 2016gkg verbunden ist.[9]

Vorläuferstern

Charles D. Kilpatrick v​on der University o​f California, Santa Cruz veröffentlichte m​it mehreren Kollegen a​m 23. September 2016 d​ie Daten d​es wahrscheinlichsten Vorläufersterns, d​er auf archivierten Aufnahmen d​er Wide Field/Planetary Camera 2 (WFPC2) d​es Hubble-Weltraumteleskops a​us dem Jahr 2001 a​n der Position v​on SN 2016gkg z​u erkennen ist. Es handelt s​ich wahrscheinlich u​m einen blauen Riesen m​it einer Helligkeit v​on 24 mag. Eigene Beobachtungen v​om 22. September 2016 m​it einer Infrarotkamera d​es Keck-Observatoriums bestätigten d​ie Auswertungen d​er Bilder u​nd weisen ebenfalls a​uf einen blauen Riesen a​ls Vorläuferstern hin. Die Daten stimmen weitgehend m​it jenen anderer blauer Riesen überein, d​ie als Vorläufersterne v​on Supernovae identifiziert wurden, zeigen a​ber eine n​och größere Helligkeit u​nd einen höheren Blauanteil i​m sichtbaren Spektrum.[3][10][11]

Dem Modell d​er Supernova zufolge i​st ihr Vorgängerstern e​in Doppelsternsystem m​it 19,5 u​nd 13,5 Sonnenmassen u​nd einer Umlaufgeschwindigkeit v​on 70 Tagen, dessen Primärstern i​n einer Supernova explodiert ist.[3] Die Bestätigung dieser Annahme w​ird dann erwartet, w​enn die Supernova s​o weit verblasst ist, d​ass eine gezielte Suche n​ach dem sekundären Stern möglich wird.

Medienresonanz

Die Entdeckung v​on SN 2016gkg u​nd ihre Erforschung w​aren bereits wenige Tage n​ach ihrer Entdeckung d​er Gegenstand v​on Veröffentlichungen i​n astronomischen u​nd astrophysikalischen Zeitschriften, d​ie außerhalb d​er Fachwelt unbeachtet blieben. Erst i​m Februar 2018 w​urde von d​er argentinischen Astrophysikerin Melina C. Bersten u​nd 20 Kollegen – u​nter ihnen Victor Buso a​ls Mitarbeiter d​es „Observatorio Astronómico Busoniano“ i​n Rosario – e​in Aufsatz i​m Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht, d​er die Entdeckung v​on SN 2016gkg u​nd die Ergebnisse d​er bisherigen Untersuchungen darstellte.

Die Veröffentlichung i​n Nature w​urde über Nachrichtenagenturen verbreitet u​nd fand s​o weltweit Eingang i​n die Berichterstattung d​er Publikumsmedien. Dabei wurden a​uch Einzelheiten über d​en Entdecker bekannt. Victor Buso, e​in 58-jähriger Schlosser a​us der argentinischen Großstadt Rosario, h​atte bereits a​ls Elfjähriger s​ein erstes Teleskop gebaut u​nd betätigt s​ich seither a​ls Amateurastronom. Vor a​cht Jahren verkaufte e​r ein Stück Land, d​as er gemeinsam m​it seinem Vater besessen hatte, u​nd verwendete d​en Erlös, u​m auf d​em Dach seines Hauses i​n einem Observatorium e​in Newton-Teleskop m​it einem Spiegeldurchmesser v​on 406 Millimetern z​u installieren.[12][13]

Siehe auch

Literatur

  • Melina C. Bersten et al.: A surge of light at the birth of a supernova. In: Nature, 22. Februar 2018, Nr. 554, S. 497–499 (zuzüglich 14 Seiten Anhang), doi:10.1038/nature25151.

Einzelnachweise

  1. International Astronomical Union, Supernova Working Group (Hrsg.): Discovery Certificate for Object 2016gkg. TNS Astronomical Transient Report No. 5381 vom 21. September 2016.
  2. Melina C. Bersten et al.: A surge of light at the birth of a supernova, S. 497 und Anhang Methods.
  3. Melina C. Bersten et al.: A surge of light at the birth of a supernova, S. 498 und Anhang Methods.
  4. International Astronomical Union, Supernova Working Group (Hrsg.): Classification Certificate for Object 2016gkg. TNS Classification Report No. 422 vom 21. September 2016.
  5. Schuyler D. Van Dyk et al.: Further Classification of SN 2016gkg as a Probable Type IIb Supernova. In: The Astronomer's Telegram Nr. 9573, 30. September 2016.
  6. Ping Chen et al.: An unusually fast brightness decline in optical of young type II supernova SN 2016gkg from ASAS-SN follow-up observations. In: The Astronomer's Telegram Nr. 9529, 22. September 2016.
  7. Leonardo Tartaglia, David J. Sand und Stefano Valenti: Possible optical re-brightening of SN2016gkg. In: The Astronomer's Telegram Nr. 9544, 25. September 2016.
  8. Iair Arcavi et al.: Constraints on the progenitor of SN 2016gkg from its shock-cooling light curve. In: The Astrophysical Journal Letters 2017, Band 837, Letter L2, doi:10.3847/2041-8213/aa5be1.
  9. Raffaella Margutti et al.: X-ray detection of SN 2016gkg with Swift-XRT. In: The Astronomer's Telegram Nr. 9561, 28. September 2016.
  10. Charles D. Kilpatrick et al.: Progenitor Candidate for SN 2016gkg in NGC 613. In: The Astronomer's Telegram Nr. 9536, 23. September 2016.
  11. Charles D. Kilpatrick et al.: On the progenitor of the Type IIb supernova 2016gkg. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 2017, Band 465, Nr. 4, S. 4650–4657, doi:10.1093/mnras/stw3082.
  12. Thorsten Dambeck: Hobbyastronom beobachtet erstmals Sternexplosion live, Spiegel Online, 22. Februar 2018.
  13. Sarah Kaplan: [A self-taught astronomer spotted something no scientist had ever seen]. The Washington Post, 22. Februar 2018.
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