Rokytnice nad Jizerou
Rokytnice nad Jizerou (deutsch Rochlitz an der Iser) ist eine Stadt im Riesengebirge in Tschechien. Sie liegt im Tal des Huťský potok (Hüttenbach), eines Nebenflusses der Jizera (Iser) am Fuß des Kotel (Kesselkoppe), 5 km südlich von Harrachov (Harrachsdorf). Die Höhe wird mit 520 m n.m. angegeben.
Rokytnice nad Jizerou | |||||
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Basisdaten | |||||
Staat: | ![]() | ||||
Historischer Landesteil: | Böhmen | ||||
Region: | Liberecký kraj | ||||
Bezirk: | Semily | ||||
Fläche: | 3695,5404[1] ha | ||||
Geographische Lage: | 50° 44′ N, 15° 27′ O | ||||
Höhe: | 520 m n.m. | ||||
Einwohner: | 2.601 (1. Jan. 2021)[2] | ||||
Postleitzahl: | 512 44–512 45 | ||||
Kfz-Kennzeichen: | L | ||||
Verkehr | |||||
Bahnanschluss: | Martinice v Krkonoších–Rokytnice nad Jizerou | ||||
Struktur | |||||
Status: | Stadt | ||||
Ortsteile: | 7 | ||||
Verwaltung | |||||
Bürgermeister: | Petr Matyáš (Stand: 2007) | ||||
Adresse: | Dolní Rokytnice 197 512 44 Rokytnice nad Jizerou | ||||
Gemeindenummer: | 577456 | ||||
Website: | www.mesto-rokytnice.cz |
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Geschichte
Der Ort wurde etwa 1574 gegründet. Ab 1629 wanderten aus Arnau viele evangelische Glaubensflüchtlinge zu. Im Nachbarort, Horní Branná (Brennei), war die evangelische Kirche bis 1654 das Gotteshaus der Rochlitzer Protestanten. 1682 kam es auf Grund des Habsburger Rekatholisierungdruckes auf die evangelische Bevölkerung zu einer Exulantenflucht von 200 Personen. Sie zogen mit 300 Rindern als Transportmittel für ihre Habe über das Riesengebirge ins protestantische sächsische Schwarzbächl in der Herrschaft Uechtritz, um ihrer Glaubensfreiheit willen. Anführer waren Nathaniel Müller und der Dorfrichter George Gernert. Auf Geheiß des Kaisers Leopold II. und des Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg II. wurden 120 Exulanten wieder nach Rochlitz zurückgeführt.[3] Im Jahre 1776 kam es abermals in der Region zu einem Bauernaufstand. 1839 eröffnete J. Grossmann eine Textilfabrik. Die Textilindustrie ist immer noch eine der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Rokytnice. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bildete Rochlitz eine Gemeinde im Gerichtsbezirk Rochlitz an der Iser, wobei Rochlitz Sitz des Gerichtsbezirkes war.
1899 bekam Rokytnice einen Bahnhof an der Lokalbahn Starkenbach–Rochlitz.
Der Ort gehörte bis 1918 zu Österreich, dann zur Tschechoslowakei und wurde mit dem Sudetenland 1938 an das Deutsche Reich angegliedert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die deutsche Bevölkerung vertrieben. Die Rote Armee ließ in der Gernert-Weberei, nach der Besetzung des Ortes 1945, die Produktion von Bettwäsche sofort weiterlaufen, eine Familie Gernert und eine Familie Gebert durften zur Aufrechterhaltung der Textilfertigung dauerhaft bleiben.
Rokytnice hatte am 1. Januar 2004 3.281 Einwohner.
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Gemeindegliederung
Die Stadt Rokytnice nad Jizerou besteht aus den Ortsteilen Dolní Rokytnice (Niederrochlitz), Františkov (Franzenthal), Hleďsebe (Siehdichfür), Horní Rokytnice (Oberrochlitz), Hranice (Grenzdorf), Rokytno (Sahlenbach) und Studenov (Kaltenberg).[4] Grundsiedlungseinheiten sind Dolní Rokytnice, Františkov, Háj, Horní Rokytnice, Hranice, Malá Rokytnice (Kleinrochlitz), Rokytno, Studenov und Vilémov (Wilhelmsthal).[5]
Das Gemeindegebiet gliedert sich in die Katastralbezirke Dolní Rokytnice, Františkov v Krkonoších, Horní Rokytnice nad Jizerou und Rokytno v Krkonoších.[6]
Sehenswürdigkeiten
Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehört die Kirche St. Michael, die in den Jahren 1753 bis 1758 im Stil des Barock gebaut wurde und eine Kirche aus dem Jahr 1598 ersetzte. Als eine weitere Sehenswürdigkeit gilt das Rathaus aus den Jahren 1902 bis 1903, welches in den 1970er Jahren restauriert wurde. Mehrere Häuser in traditioneller Blockbauweise aus dem 17. und 18. Jahrhundert gibt es noch hier und da im Ort. Charakteristisch sind die ca. 30–40 cm starken schwarzen, behauenen Holzbalken dieser Häuser. Als sehenswert gelten ebenfalls eine Kapelle aus dem Jahr 1768, die Jugendstil-Grabmäler der Textilfabrikantenfamilien auf dem Friedhof und der Hüttenbachfall (Huťský vodopád) oberhalb von Rokytno.
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Im Sommer ist die Stadt ein guter Ausgangspunkt für Wandertouren, z. B. zur Hofbaude (Chata Dvoračky); im Winter ist der Ort optimal für Wintersport geeignet. Die Stadt ist von Bergen umgeben; die bekanntesten sind Studená (Kaltenberg, 989 m), Plešivec (Plechkamm, 1210 m), Lysá hora (Kahle Berg, 1344 m), Kotel (Kesselkoppe, 1435 m), Vlčí hřeben (Wolfskamm, 1140 m), Hejlov (Heilow, 835 m) und der Stráž (Wachstein, 782 m).
Wintersport
In Rokytnice gibt es mehrere räumlich voneinander getrennte Skigebiete. Das größte Skigebiet Horní domky liegt am Talende am Kahlen Berg (Lysá hora) und wird von 2 4er-Sessel- und 9 Teller-Schleppliften erschlossen. Mit einer Höhenlage von 657–1315 m bietet es sowohl die höchste Bergstation als auch den größten Höhenunterschied (658 m) aller Skigebiete auf der böhmischen Seite des Riesengebirges. (Die Bergstation auf der Schneekoppe liegt zwar mit 1602 m nochmals 287 m höher, ist jedoch nicht Teil eines Skigebietes.)
Das Skigebiet Studenov im gleichnamigen Ortsteil wird von 2 Teller- und 2 Bügel-Schleppliften erschlossen und liegt in einer Höhenlage von 620–933 m. Talwärts davon liegen die kleinen ortsnahen Skigebiete Pařez (2 Schlepplifte, 620–680 m), Hranice (2 Schlepplifte, 600–650 m), Zlatá podkova (1 Schlepplift, 595–675 m), Centrum (2 Schlepplifte, 595–625 m) und Koupaliště (2 Schlepplifte, 560–595 m). Ferner gibt es am Nordhang des Sachrův hřeben (Sacherkamm) noch die Skigebiete Sachrovka (1 Schlepplift, 620–720 m), Modrá Hvězda (2 Schlepplifte, 610–730 m) und Bahýnka (2 Schlepplifte, 630–700 m).
Söhne und Töchter der Stadt
- George Gernert (1630–1693), Exulantenanführer und Richter
- Franz Gernert, 1842 Fabrikbesitzer der Baumwollwaren Weberei
- Augustin Palme (1808–1897), böhmischer Historienmaler
- Franz Fühmann (1922–1984), deutscher Schriftsteller
- Erich Enge (* 1932), deutscher Maler und Grafiker
- Franz Donth und Hans H. Donth, deutsche Historiker der Stadtgeschichte
Siehe auch
Literatur
- Franz Finke: Bergheimat – die 200-jährige Geschichte des Hauses Sahlenbach Nr. 55 in Rochlitz. HK Hohenelbe/Riesengebirge e. V., Marktoberdorf 1997.
- Hans Pichler (Mineraloge): Die alte Heimat Rochlitz im Riesengebirge; 2. Band der Ortsbücher des Heimatkreis Hohenelbe/Riesengebirge e. V., Marktoberdorf 1991. Nachdruck auf Anfrage möglich.
- Hans Pichler (Mineraloge)/Übersetzerin Klára Antošová: Stará vlast Rokytnice v Krkonoších, tschechische Übersetzung des Ortsbuchs, Erstveröffentlichung 2021; Projekt der Stadt Rokytnice nad Jizerou, unterstützt durch Heimatkreis Hohenelbe/Riesengebirge e. V. und Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds. ISBN 978-80-270-9311-3
- Vincenz Elsner: Heimatkunde des Rochlitzer Gerichtsbezirkes mit … Starkenbach und Hochstadt. Hrsg.: Rochlitzer Lehrerverein. Selbstverlag des Rochlitzer Lehrervereins, Rochlitz an der Iser 1893, S. 182.
- Franz Donth, Hans H. Donth: Quellen zur Geschichte der Herrschaft Starkenbach im Riesengebirge im 17. Jahrhundert. In: Collegium Carolinum, Forschungsstelle für böhmische Länder (Hrsg.): Wissenschaftliche Materialien und Beiträge zur Geschichte und Landeskunde der böhmischen Länder. Nr. 17. Robert Lerche, München 1974, ISBN 3-87478-108-9, S. 786.
- Hans H. Donth: Rochlitz an der Iser und Harrachsdorf in der frühen Neuzeit. In: Collegium Carolinum (Hrsg.): Quellen zur Herrschaft und Alltag in einer ländlichen Industriesiedlung im Riesegebierge. Band 65. R. Oldenbourg, München 1993, ISBN 3-486-55869-2, S. 582.
- Hans H. Donth: Die Familien von Rochlitz a.d. Iser und Harrachsdorf: 1696 bis 1784. In: Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte, Deutsche Ortssippenbücher (Hrsg.): 63 Geschichte und Historische Hilfswissenschaften. Band 141 und 170, Reihe A, Teil I. und II. H. Donth, Bonn 1991, S. 151.
Weblinks
Einzelnachweise
- http://www.uir.cz/obec/577456/Rokytnice-nad-Jizerou
- Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2021 (PDF; 349 kB)
- Staatsarchiv Dresden, Geheimer Rat, Böhmische u. schlesische Exulanten
- http://www.uir.cz/casti-obce-obec/577456/Obec-Rokytnice-nad-Jizerou
- http://www.uir.cz/zsj-obec/577456/Obec-Rokytnice-nad-Jizerou
- http://www.uir.cz/katastralni-uzemi-obec/577456/Obec-Rokytnice-nad-Jizerou