Rohrwald
Der Rohrwald stellt mit einem Gesamtausmaß von ca. 24 km² nach den Auenwald an der Donau und dem Ernstbrunner Wald den drittgrößten geschlossenen Waldkomplex des Bezirkes Korneuburg dar.
Der Rohrwald erstreckt sich über die Gemeinden Harmannsdorf, Leobendorf, Leitzersdorf und Niederhollabrunn, wobei der größte Teil in der Katastralgemeinde Rückersdorf liegt.
Der Rohrwald liegt auf einem Ausläufer der Flyschzone und ist daher für das Weinviertel eher untypisch von mehreren Bachläufen durchzogen. Im waldarmen, agrarisch intensiv genutzten Weinviertel hat der Rohrwald eine hohe ökologische Wertigkeit und wichtige Funktion als Naherholungsgebiet.
Geologie
Geologisch zählen die westlichen, selbst nicht mehr bewaldeten und damit gute Rundumsicht gewährenden Gipfel des Rohrwaldes – der Waschberg und der Michelberg – zur Waschbergzone bzw. Weinviertler Klippenzone (Niederösterreichische Inselbergschwelle), die über die Leiser Berge, Falkenstein und den Mährischen Karst nördlich Nikolsburgs (Mikulov) die Alpen mit den Karpaten verbinden. Die Weinviertler Klippenzone und somit auch Teile des Rohrwalds gehören zu den Natura 2000 und FFH Schutzgebiet Weinviertler Klippenzone.[1][2][3] Die Grundgesteine des Gebietes sind schiefrige Tone, Tonmergel und Greifensteiner Sandstein, die alle mehr oder weniger von Löß überlagert sind. Alte und neue Steinbrüche zeigen Kalkgestein, in dem sich Überreste von Urtieren finden.
Berge
Der Rohrwaldzug verläuft parallel zum Bisambergzug. Das Rohrbachtal teilt ihn in zwei Züge, den Kreuzensteinerzug und den Waschberg-Michelberg-Zug.
Der Kreuzensteinzug wird aus dem Schliefberg (246 m), dem Kreuzenstein (266 m) gekrönt von der Burg Kreuzenstein, dem Toblerberg (355 m), dem Daberg (279 m), dem Karnabrunner Kirchberg (358 m) und dem Galgenberg (398 m) gebildet.
Der Waschberg-Michelberg-Zug verläuft parallel zum Kreuzensteinzug und wird aus dem Waschberg (388 m), dem Michelberg (409 m), dem Höhlberg (323 m), dem Höchberg (347 m) und dem Steinberg (375 m) gebildet.
Vegetation und Nutzung
Dem trockenen, sommerwarmen, pannonischen Klima entsprechend, ist der Eichen-Hainbuchenwald die natürliche Vegetationsdecke. Begleitend bilden Vogelkirschen, Elsbeeren, Hainbuchen und lokal auch Rotbuchen die Oberschicht der Mittelwaldbestände. In der Unterschicht sind Stockausschläge von Hainbuche, Eiche, Winterlinde, Feldahorn und Hasel am häufigsten, in manchen Beständen sind auch Zitterpappel, Birke und Salweide in größerem Umfang beteiligt. Im Rohrwald gedeihen seltene Orchideenarten wie das Breitblatt-Waldvöglein (Cephalanthera damasonium), das Purpur- und Helm-Knabenkraut (Orchis purpurea und O. militaris), die Weiß- und Grünlich-Waldhyazinthe (Platanthera bifolia und P. montana) sowie der Frauenschuh (Cypripedium calceolus).
Die im Besitz von Agrargemeinschaften stehenden Flächen werden seit mehreren 1000 Jahren als Mittelwald (Ausschlagwald) bewirtschaftet, um die Bevölkerung mit Brennholz zu versorgen. Bei den in Großgrundbesitz befindlichen Flächen wird durch Erhöhung der Umtriebszeit eine Umwandlung in einen hochwaldartige Bestand angestrebt. Neben dem Rohrbach fließen der Wiesenbach und mehrere kleinere Zubringer durch den Wald. Die kleinen Bachläufe werden großteils von Mähwiesen eingenommen, zum Teil sind von Bruchweiden dominierte Bachauenwälder ausgebildet. Die größten Wiesen sind die entlang des Wiesenbach verlaufende "Lange Wiese", die in das Hanfthal führende "Neuwiese" und entlang des Rohrbaches die "Steinmandelwiese" sowie die "Türkenwiese".[4]
Die für das Weinviertel eher untypischen Bachläufe erhöhen die Habitateignung für den Schwarzstorch. Ein im Jahr 2010 entdeckter Großhorst lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Schwarzstorch zuordnen.[5]
Über Brutzeitbeobachtungen wurden insgesamt 46 Vogelarten als sichere oder mögliche Brutvögel erfasst, wobei in der Bachau die größte Artenvielfalt festgestellt wurde.[6] Fünf der insgesamt sechsundvierzig beobachten Arten sind besonders gefährdet und stehen auch auf der Rote Liste gefährdeten Arten. Es sind dies Sakerfalke, Wespenbussard, Ziegenmelker, Wendehals und der Mittelspecht. Der ebenfalls beobachtete Kuckuck zählt laut BirdLife auch zu den regelmäßig gefährdeten Brutvögeln. Im Jahr 2010 wurde ein, leider abgestützter, Großhorst entdeckt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Schwarzstorch zuzuordnen ist.[7][5][8]
Der Rohrwald ist aufgrund seiner Nähe zu Wien auch ein wichtiges Naherholungsgebiet und beliebtes Ausflugsziel. An der durch den Rohrwald verlaufenden Landesstraße 32 liegt ein seit 1935 bestehendes Gasthaus.
Besonderheiten
Im Rohrwald befinden sich mehrere frühbronzezeitliche Höhensiedlungen. Die größte Anlage "Auf der Kugel" ist aufgrund ihrer Lage im Tal am Fuße des Michelberg und ihrer ungewöhnlichen Größe besonders imposant. Das auf dem Höhenrücken einer Geländezunge gelegene, ovale Siedlungsplateau misst etwa 200 mal 150 Meter und umfasst den gesamten Höhenrücken einer Geländezung. Noch heute sind die terrassenförmig angelegten Walle erkennbar. Eine weitere Anlage befindet sich unweit des Goldenen Bründl zwischen der Neuwiese und Lange Wiese auf einem exponierten, bewaldeten Hügel an der Pforte zum Hanfthal.[9]
Im Rohrwald war im 12. Jahrhundert ein Dorf namens Wielandsdorf angesiedelt. Bereits 1312 wird das Dorf als verödet genannt. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheinen jedoch Balthasar und Stephan Wilestorfer welche auf eine temporäre Wiederbesiedelung schließen lassen. Im späten 15. Jahrhundert ist aufgrund der Ungarneinfälle jener Zeit die endgültige Verödung erfolgt.[10] Einige Grundmauern dieser Siedlung waren lt. Zeitzeugen noch bis 1970 sichtbar.[11] Die Überreste der Siedlung Wielensdorf befinden sich unter der Bezeichnung Wüstung Wilantisdorf unter Denkmalschutz.
Über die Quelle "Goldenes Bründl" ringt sich eine Sage, demnach der deutsche König Rudolf I von Habsburg am Weg zur Schlacht im Marchfeld gegen Ottokar II. Přemysl in der Quelle einen goldenen Becher fand, welchen er wiederum bei einer Nixe gegen einen goldenen Ring und Glück für ihn und seinen Nachkommen tauschte. Neben dem Goldenen Bründl befindet sich ein gleichnamiges Gasthaus.
Die sogenannten "Schwedenhöhlen" sind im 16. und 17. Jahrhundert in Löß geschlagene Erdställe. Sie dienten unter anderem während der Schwedenkriege als Unterschlupf und Versteck für die Bewohner der umliegenden Ortschaften. Noch während der Napoleonischen Kriege im Jahr 1809 waren die Schwedenhöhlen zusammen mit der "Alten Festung", einer verfallenen Fluchtburg, Zufluchtsstätte für die Bevölkerung. Auch im den letzten Kriegswochen des Jahres 1945 versteckten sich noch zahlreiche Frauen und Kinder in den Erdställen vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen.[12]
Die sogenannte "Schöne Säule" ist eine über fünf Meter hohe Pest- bzw. Dreifaltigkeitssäule. Sie wurde 1730 aus Dankbarkeit für einen an dieser Stelle unverletzt überstandenen Reitunfall im Jahre 1729 errichtet.[13] Siehe auch Liste der denkmalgeschützten Objekte in Harmannsdorf
An einer markanten Kreuzung von acht Wegen befindet sich das sogenannte "Schauerkreuz". Am 16. Mai 1878 fand an dieser Stelle die Einweihung eines Holzkreuzes statt. Jahr für Jahr findet eine Bittprozession zur Abwehr von Schlechtwetter und Hagel von der Kirche Harmannsdorf zum Schauerkreuz statt. Im Jahre 1903 wurde ein steinernes Denkmal errichtet.
An der Stelle wo der Forstverwalter Willibald Hausotter am 9. März 1937 bei einem Jagdunfall tödlich verunglückte, steht das genannte "Hausotter-Kreuz". Das Denkmal wurde von dem Bildhauer Karl Bodingbauer auf Wunsch der Jägerschaft errichtet und am 1. August 1937 feierlich enthüllt.[14]
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges drangen die sowjetischen Truppen, von Stetten kommend, in Rückersdorf-Harmannsdorf ein. Die Hauptkampflinie verlief unmittelbar am Rohrwald entlang. Die Wehrmacht mit dem Führer-Granadier-Division, dem SS-Panzergrenadier-Regiment 4 „Der Führer“ und dem SS-Begleit-Bataillon „Reichsführer“ verschanzte sich am Rande des Rohrwalds, die russischen Truppen östlich vom Rohrwald am Nirschbrunnberg. Ein Frontgedenkstein an der Landesstraße 32 erinnert an die Stelle, wo am Ende des Krieges vom 17. April bis 8. Mai 1945 die Front verlief.[15][16]
Der Michelberg hat eine lange Vergangenheit als Kultstätte und ist ein beliebtes Ausflugsziel in unmittelbarer Nähe zu Wien.
Der Jakobsweg Weinviertel sowie zwei Wanderwege (Rohrwaldweg 633, Kreuzensteiner Rundwanderweg 636) durchqueren den Rohrwald.
Es führen zwei Radwege durch den Wald: Der Themenradweg "Sagenhaft – Rund um die Burg Kreuzenstein" und die 2011 eröffnete Mountainbike-Strecke "Michelberg-Runde". Die durch den Rohrwald verlaufende Landesstraße 32 ist aufgrund der verkehrsarmen, schattigen Höhenmeter und der Nähe zum Donauradweg eine beliebte Strecke für Rennradfahrer.
Im Frühling 2020 wurde vom Stift Klosterneuburg im "Hanftal" der Waldfriedhof Klosterwald eröffnet.[17]
Bilder
- Blick vom Donaugraben Richtung Rohrwald
- Rohrwald – Rückersdorf
- Blick Richtung Wiener Pforte
- Der Wiesenbach im Rohrwald
- Blick vom Michelberg Richtung Burg Kreuzenstein
- Blick vom Alten Hollenstein auf den 347 Meter hohen Höchberg
- Schwedenhöhlen
- Eichen-Hainbuchen-Wald im Vorfrühling
- Wald mit hohem Totholzanteil
- Schlägerung mit Hilfe von schweren Forstmaschinen
Weblinks
Einzelnachweise
- noe.gv.at | Karte (Memento des Originals vom 3. Januar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- noe.gv.at | Kurzdarstellung der Europaschutzgebiete (Memento des Originals vom 26. November 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- noel.gv.at | Detailpläne zum FFH - Gebiet Weinviertler Klippenzone (Memento des Originals vom 24. Dezember 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf Seite des Land Niederösterreich.
- Franziszeischer Kataster auf arcanum.com
- BirdLife-Studie des Umweltbericht zum NÖ SekROP Windkraftnutzung, erstellt von Gábor Wichman und Manuell Denner im Auftrag der NÖ Umweltanwaltschaft, vom 11. November 2013
- Brutzeitbeobachtung im Rohrwald bei Stockerau (PDF; 543 kB) - Ein Beitrag zur Avifauna der Eichen-Mittelwälder im Weinviertel (NÖ) von Ulrich Straka, 1998
- salzburg.gv.at (Memento des Originals vom 1. November 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Aufgerufen am 30. Oktober 2013
- Positionspapier Hybridfalken (Memento des Originals vom 12. April 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF, 77KB) von BirdLife Österreich
- Der Michelberg und seine Kirchen von Ernst Lauermann, Verlag Marie Leidorf GmbH 2017, ISBN 978-3-86757-023-7
- Rohrwald. In: NÖ-Burgen online. Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Universität Salzburg
- Heimatbuch Harmannsdorf-Rückersdorf, Zusammengestellt von Pfarrer Rudolf Neumayer
- Korneuburger Kulturnachrichten Jahrgang 1971, Heft 2
- Inschriften am Sockel: "Anno 1730"
- Karl Bodingbauer - Gedächtnisausstellung anlässlich der sechzigsten Wiederkehr seines Todestages. Museum der Stadt Korneuburg 2006/07
- Heimatbuch Harmannsdorf-Rückersdorf, Zusammengestellt von Pfarrer Rudolf Neumayer
- „Die letzten Kämpfe des II. Weltkrieg“ von Friedrich Brettner
- https://www.klosterwald.at/harmannsdorf-rohrwald