Riparo Bombrini
Riparo Bombrini (Bombrini-Felsüberhang oder Bombrini-Abri) ist eine archäologische Fundstätte bei Ventimiglia im Nordwesten Italiens nahe der französischen Grenze. Es handelt sich um einen eingestürzten Felsüberhang, der einen Teil des paläolithischen Fundkomplexes Balzi Rossi di Grimaldi in Ligurien bildet.[1] Bis zum Einsturz des Überhangs wurde er über zehn Jahrtausende von späten Neandertalern genutzt.
Riparo Bombrini | ||
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Riparo Bombrini (2019) | ||
Lage: | Bei Ventimiglia, Provinz Imperia, Region Ligurien, Italien | |
Höhe: | 10 m s.l.m. | |
Geographische Lage: | 43° 47′ 1,8″ N, 7° 32′ 6,3″ O | |
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Geologie: | Dolomitischer Kalkstein | |
Typ: | Abri | |
Entdeckung: | 1887 |
Entdeckung und Grabungen
Die Stätte wurde 1887 von E. Rivière entdeckt, nachdem sie bereits schwer vom Bau der Eisenbahnlinie zwischen Genua und Marseille geschädigt worden war. Obwohl der Riparo Bombrini mehr als ein halbes Jahrhundert bekannt war, wurde mit Grabungen erst 1938 durch das Istituto Italiano di Paleontologia Umana begonnen. Die Fundstätte wurde nach dem seinerzeitigen faschistischen Podestà Genuas Carlo Bombrini benannt, der einen Teil der Ausgrabungen finanzierte. Dabei konnte die Klingenindustrie dem Aurignacien zugewiesen werden.
1976 fand eine zweite Grabung statt. Dabei sollte nur das Balzi-Rossi-Museum über Pfade mit den benachbarten Fundstätten verbunden werden, die wiederum den Zugang für die Grabungsvorhaben der Union Internationale des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques in Nizza erleichtern sollten. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur Fundstücke aus dem Aurignacien vorhanden waren, sondern auch solche aus dem späten Moustérien. Neben lithischen und tierischen Stücken (Pferd und Hirsch konnten identifiziert werden) fand sich ein Schneidezahn, der in einem eindeutig zu datierenden stratigraphischen Zusammenhang stand. Er stammt demnach aus dem späten Paläolithikum und gehörte zu einem anatomisch modernen Menschen.
2002 bis 2005 fand eine dritte Grabung statt. Unter Leitung von Fabio Negrino, Brigitte M. Holt, Steve E. Churchill und Vincenzo Formicola sollten Fragen der Chronologie, des klimageschichtlichen Zusammenhangs und des Verhaltens beforscht werden. Diese bezogen sich vor allem auf den Übergang zwischen Mittel- und Jungpaläolithikum. Dazu gehörte die Frage, ob es zwischen Moustérien und Proto-Aurignacien einen abrupten Übergang gab. Tatsächlich fand sich zwischen diesen beiden Schichten, die bereits aus der früheren Grabung bzw. Veröffentlichung ihrer Ergebnisse (1984) bekannt waren, eine weitere, beinahe sterile Schicht von Moustérienelementen. Die Grabungen befassten sich mit 3 m² der Fläche, die von Vicino bereits 1976 ergraben worden war, hinzu kamen 8 m² innerhalb des Abri, die bisher unberührt geblieben waren. Ausgesiebt wurde bis zu einer Mindestgröße von 2 mm, 2 bis 5 cm große Fundstücke wurden einzeln gescannt und dreidimensional verarbeitet.
Seit 2015 werden die Ausgrabungen am Riparo Bombrini fortgeführt.
Artefakte, Rohmaterialien aus einem Umkreis von bis zu 350 km
Der größte Teil der lithischen Artefakte besteht aus Bearbeitungsabfällen, also Abschlägen, Klingen, einigen prismatischen und wenigen pyramidenförmigen Kernen.[2] Außerdem fand sich eine Reihe von Dufour bladelets, jedoch nur wenige Werkzeuge wie endscraper, also schmale Klingen oder Abschläge mit mindestens einer konvexen Seite zum Schaben, Grabstichel und Schaber. Meist wurde lokales Steinmaterial genutzt, doch Feuerstein wurde auch aus Vaucluse und der Provence beschafft. Rhyolithe stammten aus dem Esterel-Massiv, Jaspis stammte aus dem östlichen Ligurien und aus der Gegend von Parma, also aus Beständen jenseits der Apenninen. Einige kleine Klingen, die charakteristisch braun bis rötlich gefärbt sind, stammen sogar aus der Scaglia-Formation in den Marken. Diese liegen an der Adria rund 350 km vom Bombrini-Abri entfernt.[3]
Fundschichten und Datierungen
Die beiden Fundschichten des Spät-Moustérien und Proto-Aurignacien sind 35 bis 45.000 Jahre alt. Im Aurignacien-Stratum fanden sich zahlreiche lithische Artefakte und stark fragmentierte tierische Überreste. Neben Knochen zählen dazu Schalen von Krebstieren, Überreste von Vögeln und Hasen. Daneben fanden sich Feuerstellen, durchbohrte Muscheln, beschnitzte Objekte und Farbstoffe. Drei Vogelknochen weisen parallel verlaufende, tiefe Schnitte auf.
Das dem Spät-Moustérien zuzurechnende Stratum ist deutlich lehmhaltiger. Während in der oberen Schicht nur wenige Reste von Holzkohle zu finden waren, weisen Verdichtungen in der älteren Schicht auf zwei Feuerstellen hin. Die älteste Proto-Aurignacien-Schicht ist etwa 42.000 Jahre alt und durch eine 1500 Jahre alte Schicht von der jüngeren Moustérien-Schicht (M4) getrennt. Die älteste Schicht (M7) ist etwa 45.000 Jahre alt.
Aus den Funden lässt sich ein relativ warmes Klima erschließen, wenn auch die oberste Moustérienschicht (M1 und M2) Hinweise auf eine drastische Abkühlung enthält. Die beinahe sterile Zwischenschicht weist Anzeichen für eine Erwärmung auf, während die Aurignacienschichten (A1 und A2) wiederum starke Temperaturgegensätze aufweisen.
Hinweise auf das organisatorische Verhalten der Neandertaler
In der Art der Nutzung zeigten sich erhebliche Unterschiede. Während die Werkzeuge (nur wenige retuschierte Stücke) darauf hinweisen, dass die Schichten M2 bis M5 eher als Basislager für Jagdunternehmen zu deuten sind, zeigen die Schichten M1 sowie M6 bis M7 ein anderes Verhalten. Diese Gruppen waren wohl eher ortsfest und schwärmten von hier in die Umgebung aus. Die Schicht MS weist auf nur kurzzeitige, gelegentliche Aufenthalte hin. Zwar wurden dieser Untersuchung die Zusammensetzung der Werkzeuge, die Beschaffung der Rohmaterialien und Managementstrategien zugrundegelegt, jedoch wurde die räumliche Organisation innerhalb der Fundstätte oder die Beschaffung der Jagd- und Fangbeute nicht untersucht.
Bei nachfolgenden Untersuchungen zeigte sich, dass die Art der räumlichen Selbstorganisation durch die Neandertaler je nach Nutzungszusammenhang oder Mobilitätsstrategie differierte. Die Verteilung der Artefakte legt nahe, dass sie Räume auseinanderhielten, die zur Schlachtung, Wohnung oder Werkzeugherstellung dienten. Da diese Untersuchung jedoch noch nicht abgeschlossen ist, steht dieses Ergebnis dem aus der Grotta Breuil gegenüber, das keinerlei Anzeichen dieser Art der Korrelation von Nutzung und „Wohnraum“ zulässt.
Literatur
- Julien Riel-Salvatore, Ingrid C. Ludeke, Fabio Negrino, Brigitte M. Holt: A spatial analysis of the Late Mousterian levels of Riparo Bombrini (Balzi Rossi, Italy), in: Canadian Journal of Archaeology/Journal Canadien d’Archéologie 37,1 (2013) 70–92.
- Giuseppe Vicino: Lo scavo paleolitico al Riparo Bombrini (Balzi Rossi di Grimaldi, Ventimiglia). In: Rivista Ingauna e Intemelia. Nuova Serie Bd. 39, 1984, ISSN 1122-2107, S. 1–10.
Weblinks
- Twitter-Konto des Grabungsteams
Anmerkungen
- Zum Fundkomplex gehören die Grotta del Conte Costantini, die Grotta dei Fanciulli, dann der Riparo Lorenzi, die Grotta di Florestano, der Riparo Mochi, die Grotticella Blanc-Cardini, die Grotta del Caviglione, der Riparo Bombrini, dazu Barma Grande, die zerstörte Barma del Bausu da Ture, schließlich die Grotta del Principe (Art. Balzi Rossi bei treccani.it)
- Dieser Abschnitt folgt Margherita Mussi, Patrizia Gioia, Fabio Negrino: Ten small sites: the diversity of the Italian Aurignacian, in: ʿOfer Bar-Yosef, João Zilhão (Hrsg.): Towards a Definition of the Aurignacian. Proceedings of the Symposium Held in Lisbon, Portugal, [Centro Cultural de Belém], June 25–30, 2002 (= Trabalhos de arqueologia. 45). Instituto Português de Arqueologia, Lissabon 2006, ISBN 972-8662-28-9, S. 189–209, hier S. 192–195.
- Fabio Negrino, Elisabetta Starnini: Patterns of lithic raw material exploitation in Liguria from the Palaeolithic to the Copper Age, in: Service Régional de l’Archéologie d’Auvergne: Les matières premières lithques en préhistoire (= Préhistoire du Sud-Ouest. Supplément Nr. 5). Association de Préhistoire du Sud-Ouest, Cressensac 2003, S. 235–243.