Rideshare
Als Rideshare (deutsch etwa „Gemeinschaftsfahrt“) wird in der Raumfahrt der Start von Kleinsatelliten oder kleinen Raumsonden zusammen mit Nutzlasten weiterer Kunden mit derselben Trägerrakete bezeichnet. Auf diese Weise können kleine Nutzlasten zu relativ günstigen Preisen transportiert werden. Der Begriff steht in erster Linie für eine Dienstleistung, die Angebot und Nachfrage für Transportkapazitäten in den Weltraum zusammenbringt. Zudem entwickelten manche Rideshare-Anbieter eigene Nutzlastträger – teils auch Raumschlepper –, die jeweils mehrere Satelliten transportieren können.
Anbieter (Auswahl)
Spaceflight
Das US-amerikanische Unternehmen Spaceflight, Inc.[1] (gegründet 2010 als Spaceflight Services) spezialisierte sich von Beginn an auf Rideshare-Flüge. Spaceflight vermittelt einerseits Sekundärnutzlasten auf Flügen, die noch nicht voll ausgelastet sind, und bucht andererseits auch ganze Raketenstarts für eigene Kunden. Spaceflight organisierte unter anderem Rideshare-Missionen mit den Raketen Falcon 9 (Nutzlastkapazität bis zu 23 Tonnen), PSLV (4 Tonnen) und Electron (0,3 Tonnen). Bis August 2019 vermittelte das Unternehmen nach eigenen Angaben den Start von 270 Satelliten.[2][3] Für Falcon-9-Starts verwendet Spaceflight eigene Nutzlastträgerringe namens Sherpa.[4][5]
Exolaunch
Das in Berlin ansässige Unternehmen Exolaunch organisiert seit 2013 Rideshare-Missionen mit Sojus-Raketen. Seit dem ersten SpaceX-Rideshare-Flug Transporter 1 vermittelt Exolaunch auch Nutzlasten für die Falcon 9. Das Unternehmen verwendet eigene Adapter für Cubesats und andere Kleinsatelliten, die auch schon mit der neuseeländischen Kleinrakete Electron zum Einsatz kamen.[6]
SpaceX
Das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX kündigte im August 2019 ein eigenes Smallsat Rideshare Program (Kleinsatelliten-Rideshareprogramm) an. Während bei anderen Anbietern bestimmte Nutzlasten fest für bestimmte Flüge gebucht werden, möchte SpaceX die Rideshare-Flüge unter der Missionsbezeichnung Transporter regelmäßig innerhalb fester Zeiträume starten lassen. Eine Nutzlast startet dann mit dem nächsten freien Flug, sobald sie bereitsteht. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass sich die Starts anderer Kunden nicht verschieben, wenn sich die Bereitstellung einzelner Nutzlasten verzögert. Ein Nachteil besteht darin, dass nur die von SpaceX festgelegten (sonnensynchronen) Umlaufbahnen zur Verfügung stehen.[2] Durch den Einsatz von Raumschleppern, die ähnlich einer Kickstufe funktionieren, soll allerdings der Weitertransport von Satelliten bis 250 kg Masse in verschiedene Orbits ermöglicht werden.[7]
Die Starts sollen zunächst etwa alle sechs Monate mit Falcon 9 erfolgen, beginnend mit dem Flug „Transporter-1“ vom 24. Januar 2021. Die Rideshare-Nutzlasten werden mit standardisierten, stapelbaren ESPA-Adapterringen auf der oberen Raketenstufe befestigt.[8] Zusätzlich bietet SpaceX seit dem 2. Quartal 2020 monatliche Mitfluggelegenheiten mit Starts für die eigene Satellitenkonstellation Starlink an. Hier werden die Sekundärnutzlasten oben auf einen Stapel von Starlink-Satelliten montiert.[10]
Mit einem Preis von 1 Million US-Dollar für den Start eines 200-kg-Satelliten unterbietet SpaceX das bisherige Marktpreisniveau von um die 5 Millionen US-Dollar bei weitem.[11][12][13][14]
Arianespace
Der europäische Raumfahrtdienstleister Arianespace bietet mit der Rakete Vega einen Small Spacecraft Mission Service (SSMS, „Missionsdienstleistung für kleine Raumfahrzeuge“) an. Dabei handelt es sich um Rideshare-Flüge in niedrige Erdumlaufbahnen. Ein erster Start mit 65 Satelliten fand im September 2020 mit der Mission SSMS PoC statt (SSMS Proof of Concept – SSMS-Machbarkeitsnachweis).[15][16] Ein Teil der SMSS-Nutzlasten wird über Subanbieter wie (ehemals) Spaceflight Industries und das italienische Unternehmen D-Orbit vermittelt.[17] Tatsächlich identifiziert wurden nach dem Start nur 63 Satelliten in einer Erdumlaufbahn; zwei Lemur-2-Satelliten hatten sich anscheinend nicht von der oberen Raketenstufe getrennt.[18]
Als erster Anbieter möchte Arianespace ab Q3 2025 Rideshare-Flüge in geostationäre Umlaufbahnen (sog. direct-to-GEO-Flüge) durchführen, ab Q4 2025 auch zum Mond. Dazu wird die Rakete Ariane 6 verwendet, deren Erstflug für 2022 geplant ist. Ebenfalls geplant sind flüge zu Geotransferorbits, Sonnensynchronen Umlaufbahnen und niedrigen Erdumlaufbahnen.[2][19][20]
D-Orbit
Das italienische Unternehmen D-Orbit bietet Rideshare-Flüge mit einem eigenen Cubesatträger namens ION an (kurz für In Orbit Now – „jetzt im Orbit“). Die erste ION-Mission wurde mit dem ersten SSMS-Flug von Arianespace gestartet.[21] Beim zweiten Einsatz mit der SpaceX-Mission „Transporter 1“ kam eine angetriebene ION-Variante zum Einsatz.[22] Diese ermöglicht es, einzelne Cubesats gezielt in verschiedene Umlaufbahnen zu bringen.
Der Firmenname „D-Orbit“ entspricht in englischer Aussprache paradoxerweise dem Wort deorbit, welches das Entfernen von Satelliten aus einer Erdumlaufbahn bezeichnet.
Rekorde
Den Weltrekord für die größte Satellitenanzahl auf einem Rideshare-Flug hält SpaceX. Mit der Mission „Transporter-1“ brachte das Unternehmen am 24. Januar 2021 insgesamt 143 Satelliten ins All (einschließlich einer mitgezählten Sherpa-Transporthalterung und einem ION-Raumschlepper); dies übertraf den vorherigen Rekord der ISRO aus dem Jahr 2017 von 104 Satelliten.[23]
Einzelnachweise
- Privacy Statement auf der Website von Spaceflight, Inc., abgerufen am 8. Januar 2021.
- Stephen Clark: Launch providers announce rideshare missions large and small. In: Spaceflight Now. 19. August 2019, abgerufen am 22. August 2019 (englisch).
- Jeff Foust: Spaceflight purchases first commercial flight of new Indian small launcher. In: Spacenews. 6. August 2019, abgerufen am 22. August 2019 (englisch).
- SHERPA Rideshare Mission im eoPortal der ESA, abgerufen am 21. Januar 2021.
- SpaceX’s first dedicated Falcon 9 rideshare lines up dozens of smallsats. Teslarati, 23. Dezember 2020.
- Debra Werner: Exolaunch signs first launch agreement with SpaceX. Spacenews, 13. April 2020.
- Momentus To Provide In-Space Transportation Service to its Customers On SpaceX SmallSat Rideshare Launch. SpaceX-Pressemeldung vom 22. August 2019 (englisch).
- Simon Alvarez: SpaceX announces Falcon 9 SmallSat Rideshare program with launches to start in 2020. In: Teslarati. 5. August 2019, abgerufen am 22. August 2019 (englisch).
- Stephen Clark: SpaceX rideshare provides new path to orbit for BlackSky. Spaceflight Now, 26. Juni 2020.
- Frank Wunderlich-Pfeiffer: Nur noch eine Million US-Dollar für einen Satelliten. In: golem.de. 29. August 2019, abgerufen am 29. August 2019.
- Spaceflight – Schedule and Pricing. Abgerufen am 29. August 2019.
- Small Satellite Market 2018 Global Industry Size, Share, Forecasts Analysis, Company Profiles, Competitive Landscape and Key Regions 2023 | 360 Market Updates, 22. August 2019.
- SpaceX smashes record with launch of 143 small satellites. Spaceflight Now, 24. Januar 2021.
- Vega rocket deploys 53 satellites on successful return to flight mission. Spaceflight Now, 3. September 2020.
- Vega PoC flight for SSMS (Small Spacecraft Mission Service) rideshare mission im eoPortal der ESA, abgerufen am 16. Februar 2021.
- Jeff Foust: Arianespace completes manifest for Vega dedicated rideshare mission. In: Spacenews. 9. Mai 2019, abgerufen am 23. August 2019.
- Lemur-2 auf Gunter’s Space Page, abgerufen am 22. Januar 2021.
- Caleb Hebry: Arianespace targets 2023 for lunar Ariane 6 rideshare mission. In: Spacenews. 22. Oktober 2019, abgerufen am 23. Oktober 2019.
- All flights opportunities. Abgerufen am 29. September 2021.
- D-Orbit Satellite Carrier delivers Planet SuperDoves to desired orbits. Spacenews, 28. Oktober 2020.
- SpaceX puts record 143 satellites in orbit, with Spaceflight playing a supporting role. Geekwire, 24. Januar 2021.
- SpaceX launches record-setting cluster of smallsats. Spacenews, 24. Januar 2021.