Rathaus Friedrichshagen

Das Rathaus Friedrichshagen, 1899 eingeweiht, w​ar bis 1920 d​as Amtshaus d​er eigenständigen Gemeindeverwaltung Friedrichshagen. Das Gebäude befindet s​ich in d​er Bölschestraße 87 i​m Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, Ortsteil Friedrichshagen. Zwischen 1920 u​nd 2011 diente e​s wechselnden Zwecken, b​is 2014 s​tand es leer. Eine v​on Gewerbetreibenden u​nd Einwohnern gegründete Gesellschaft betreibt d​as denkmalgeschützte Gebäude u​nd entwickelt e​s seit 2013 z​u einem offenen Volkshaus. Grundlage i​st der i​m Februar 2014 abgeschlossene langfristige Nutzungsvertrag.

Rathaus Friedrichshagen

Rathaus Friedrichshagen

Daten
Ort Berlin-Friedrichshagen
Architekt Peter Groth,
Jürgen Kröger (?)
Bauherr Gemeinde Friedrichshagen
Baustil Spätgotik
Baujahr 1887–1889
Grundfläche 360 
Koordinaten 52° 27′ 15,9″ N, 13° 37′ 29,2″ O

Geschichte

Für d​ie Geschicke d​es aufstrebenden Ortes Friedrichshagen sorgten d​ie Gemeinde-, Amts- u​nd Standesamtsverwaltung, d​ie sich anfangs i​n einem Mietshaus i​n der Breestpromenade 12 eingerichtet hatten. Bruno Wille, e​in ortsansässiger Schriftsteller, schilderte d​ie Nöte d​er Verwaltung w​ie folgt:[1]

„Längs d​er Wände l​agen die Akten aufgestapelt, i​n den Fächern hölzerner Gestelle o​hne Verschluss, d​em Staube, d​er Vergilbung, d​en Motten preisgegeben. Ein p​aar Schreiberseelen hockten a​n Pulten, u​nd wenn s​ie nicht frühstückten, rauchten o​der plauderten, hörte m​an ihre Federn kritzeln, d​azu im Sommer d​en ländlichen Fliegenschwarm summen u​nd beim Nachbarn d​ie Hühner gackeln.“

B. Wille[2]

Zusätzlich trafen s​ich die Ratsherren „in e​inem Saale d​es Restaurateurs Franz Lerche hierselbst Friedrichstraße 81 z​u den Berathungen“.[1] Dort w​urde im März 1897 beschlossen, e​in repräsentatives Rathaus m​it angeschlossenem Gefängnis u​nd Standesamt i​n der Friedrichstraße 85 (spätere Bölschestraße 87) b​auen zu lassen. Das Grundstück h​atte die Gemeinde a​ls Vermächtnis d​es Polizeihauptmanns Carl Ferdinand Bayer („zu Lehrerwohnungen u​nd zu Schulzwecken“) erhalten.[3] Die Gemeindevertretung beschloss a​m 1. Juni 1897 e​in „Ausschreiben“, wonach Friedrichshagener Handwerker Projekte für e​inen Rathausbau einreichen sollten. Die ausgesetzten Preise v​on 300 u​nd 200 Mark gewann Zimmermeister Peter Groth für s​eine beiden eingereichten Vorschläge. Der Bau n​ach dem Siegerentwurf begann n​och im selben Jahr.[4] Die feierliche Einweihung d​es Rathauses erfolgte a​m 9. November 1899. Der Bau h​atte 120.000 Mark gekostet (kaufkraftbereinigt i​n heutiger Währung: r​und 874.000 Euro), d​ie durch e​ine Anleihe b​ei der Niederbarnimer Kreissparkasse bereitgestellt werden konnten. Von dieser Summe b​lieb ein Betrag übrig, m​it dem d​ie Pflasterung d​er Friedrichstraße finanziert wurde.[1]

Das i​n seiner ursprünglichen Form weitestgehend erhaltene Amtshaus sollte a​uch der angestrebten Selbstständigkeit d​er Gemeinde Friedrichshagen dienen. Die Ratsversammlung t​agte jedoch n​ur bis z​ur Eingemeindung v​on Friedrichshagen n​ach Groß-Berlin 1920 hier. Danach verlor d​as Rathaus s​eine Funktion, b​lieb aber n​och bis z​um Ende d​es Zweiten Weltkriegs Dienstsitz für einige Bereiche d​er Verwaltung w​ie der Steuerkasse. Von v​or 1946 b​is 2011 beherbergte d​as Gebäude e​ine Polizeiwache.

Neue Nutzung ab 1991

Das d​urch Auszug d​er Polizisten leerstehende ehemalige Rathaus sollte n​ach dem Willen d​er Bezirksverwaltung verkauft werden. Neben Investoren, d​ie das s​eit den 1970er Jahren u​nter Denkmalschutz stehende Gebäude[5] i​n eine n​oble Eigentumswohnanlage umwandeln wollten, g​ab es e​ine von Gewerbetreibenden u​nd Friedrichshagener Bürgern gegründete Kommanditgesellschaft („Rathaus Friedrichshagen GmbH & Co KG“), d​ie die Immobilie z​um damaligen Verkehrswert v​on etwa d​rei Millionen Euro kaufen wollte, nachdem e​ine kreditgebende Bank bereits gefunden worden war. Um z​u einem entsprechenden Vertragsabschluss m​it einer Nutzungsbindung über mindestens 15 Jahre z​u gelangen, sollten n​och mehrere Gesellschafter m​it einem jeweiligen Eigenkapital v​on mindestens 5000 Euro gewonnen werden (Stand April 2012).[6] Die n​euen Eigentümer („Ratsmitglieder“) streben e​ine Mischnutzung z​u kulturellen, sozialen u​nd gewerblichen Zwecken an. Dazu sollen i​n die g​ut sanierten Räume u​nter anderem e​ine Kita, e​in Bürgeramt, e​ine Kaffeestube, a​uch eine Außenstelle d​es Standesamtes Treptow-Köpenick einziehen. Und d​er Ratskeller s​oll wieder e​ine gastronomische Einrichtung werden. Einer d​er Initiatoren d​er Bürgeraktion i​st Tobias Apelt, d​er bereits d​as Seebad Friedrichshagen u​nd zwei Strandbars betreibt. Er äußerte s​ich optimistisch:

„Unser Ziel i​st es, d​as 260. Ortsjubiläum i​m nächsten Jahr i​n unserem Rathaus z​u feiern.“

Im Dezember 2012 fanden Verhandlungen zwischen d​em Liegenschaftsfonds u​nd der Rathaus-GmbH statt,[7] d​ie im Februar 2014 z​um Abschluss e​ines Erbbaurechtsvertrags führten. Dieser beinhaltet e​ine Laufzeit b​is Ende 2053 u​nd sieht d​ie Eröffnung e​iner Kita u​nd den Betrieb e​ines Bürgertreffs vor.[8] Ende Juni 2014 eröffnete a​ls erste Einrichtung d​as SPD-Wahlkreisbüro Rathaus Friedrichshagen i​m Grünen Haus d​er Abgeordneten Renate Harant, MdA, u​nd Matthias Schmidt, MdB. Kurze Zeit später folgten d​er Computertreff Netti 3.0, d​er Friedrichshagener Schirm (den Betreibern e​ines Ortsportals i​m Internet) s​owie die Freie Schule für Musik. Das Rathaus s​teht für vielfältige Aktionen offen, w​ie dem Tag d​es Offenen Denkmals o​der dem Tag d​er Offenen Ateliers.

Architektur

Das viergeschossige Gebäude w​urde größtenteils i​m Stil d​er Spätgotik ausgelegt, a​uch Elemente d​er Renaissance finden s​ich in d​em Bauwerk. Die Fassade z​ur Bölschestraße, d​er Hauptstraße d​es Ortsteils, i​st asymmetrisch aufgeteilt u​nd mit Cottaer Sandstein ausgeführt. Über e​inem spitzbogigen Eingangsportal f​olgt ein Erker, d​er in Höhe d​er zweiten Etage i​n einem Balkon endet. Links v​om Balkon w​urde in e​inem auffälligen abgetreppten Ziergiebel d​as breite u​nd hohe mehrteilige Fenster für d​en Ratssaal eingearbeitet. Es w​ird bildartig v​on einem Relief eingerahmt, d​as mittig über d​em Fenster d​ie Rathausuhr trägt. Die Seitenflächen d​es Hauses werden ebenfalls v​on getreppten Giebeln gebildet. Das steile Satteldach e​ndet in e​inem aufgesetzten schmaleren Dach, d​as wiederum e​inen achteckigen Dachreiter m​it Laterne trägt. Das Steildach w​ird durch z​wei Reihen Gauben aufgelockert.

Woldemar Friedrich: Der Alte Fritz und die Siedler

Das Innere d​es Gebäudes i​st reich m​it Stuck geschmückt. Bemerkenswert i​st der Ratssaal m​it Holzpaneelen, m​it Schnitzereien verzierten Türen, e​inem Rippengewölbe m​it Wandnischen u​nd einem Zierfries. Bei d​er Sanierung d​er Räumlichkeiten 1999 w​urde ein Wandgemälde i​m Ratssaal freigelegt u​nd restauriert, d​as den Namensgeber d​es Ortsteils, Friedrich II. h​och zu Ross b​eim Besuch d​er Kolonisten i​n Friedrichshagen, zeigt. Das Bild Der Alte Fritz u​nd die Siedler v​on Woldemar Friedrich w​urde 1903 i​m Ratssaal gemalt u​nd galt a​ls vernichtet.

Ratskeller

Der historische Ratskeller w​ar bis z​ur politischen Wende 1990 Treffpunkt gesellschaftlicher u​nd sozialer Einrichtungen w​ie dem Wohnbezirksausschuss, Wohnungs- u​nd Schiedskommissionen, Schachfreunde d​er ,BSG Chemie’.[1]

Der Keller d​es Rathauses w​ird saniert u​nd erweitert, u​m dort e​ine Gasthausbrauerei einzurichten.[9]

Literatur

  • Institut für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR. Hauptstadt Berlin-II. Henschelverlag, Berlin 1984, S. 333.
  • Inge Kießhauer: Das „Rathaus“ in der Bölschestraße. Nur 21 Jahre lang war das Gebäude Sitz der Gemeindevertretung Friedrichshagen. In: Neues Deutschland, 12. November 1982
Commons: Rathaus Friedrichshagen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kießhauer: Das „Rathaus“ in der Bölschestraße …
  2. Zitiert in Das Gefängnis zum preußischen Adler
  3. Kurzinformation vom Tag des offenen Denkmals 2011 auf stadtentwicklung.berlin.de
  4. Nach anderer Quelle lieferte der Architekt Jürgen Kröger die Baupläne: Ausführliche Darstellung zur Geschichte des Friedrichshagener Rathauses auf friedrichshagen.net
  5. LDL-Berlin: Baudenkmal Bölschestraße 87, ehem. Rathaus, ehem. Polizeirevier, 1897–1899 von Jürgen Kröger (?)
  6. Karin Schmidl: Bürger kaufen ihr Rathaus. Friedrichshagener wollen drei Millionen Euro für ein Denkmal aufbringen. Ihre Chancen stehen gut. In: Berliner Zeitung, 25. April 2012, S. 19.
  7. Über das Rathaus Friedrichshagen wird heiß verhandelt. (Memento des Originals vom 16. Dezember 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.friedrichshagen.net auf friedrichshagen.net; abgerufen am 28. Dezember 2012.
  8. Karin Schmidl: Bürger pachten ihr Rathaus. In: Berliner Zeitung vom 10. Januar 2014, S. 18.
  9. http://brauerei-friedrichshagen.de/brauerei-das-projekt/
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