Pyramiden (Spitzbergen)
Pyramiden (russisch Пирамида, Piramida) ist eine mittlerweile aufgegebene und unbewohnte Bergarbeitersiedlung auf Spitzbergen mit ehemals über 1000 Einwohnern.
Pyramiden | ||||
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Basisdaten | ||||
Staat | Norwegen | |||
Außengebiet | Svalbard | |||
Koordinaten: | 78° 39′ N, 16° 20′ O | |||
Einwohner: | 16 (1. Juli 2013[1]) |
Pyramiden liegt am Billefjord, einem Ausläufer des Isfjords, etwa anderthalb bis zwei Schiffsstunden nordöstlich von Longyearbyen, im sogenannten Dickson-Land. Der Ort verdankt seinen Namen der pyramidenartigen Form des gleichnamigen Berges, an dessen Fuß er liegt.
Geschichte
1921 bis 2000
Nachdem zunächst ein schwedisches Unternehmen 1921 mit dem Kohleabbau begonnen hatte, wurden die Rechte in den späten 1920er Jahren vom sowjetischen Trust Arktikugol erworben. Als Unterzeichnerstaat des Spitzbergen-Vertrags besaß auch die Sowjetunion das Recht, auf dem zu Norwegen gehörenden Archipel Rohstoffe abzubauen.
1941 wurde der Ort als kriegsbedingte Vorsichtsmaßnahme evakuiert, blieb jedoch im Wesentlichen unzerstört. Da die zweite russische Kohlesiedlung Barentsburg, die heute noch in Betrieb ist, praktisch gänzlich zerstört wurde, war Pyramiden nach dem Zweiten Weltkrieg die wichtigste und größte Kohleabbausiedlung der sowjetischen Regierung in der Arktis. Zeitweise lebten hier rund 1000 Menschen. Damit war Pyramiden einer der größten Orte Spitzbergens und zeitweise auch die nördlichste Siedlung der Welt. Infolge von Glasnost wurde in Pyramiden neben dem Kohleabbau ab den 1990er Jahren auch der Tourismus zu einer wichtigen Einnahmequelle und ein großes Hotel wurde in Betrieb genommen.
Anfang der 1990er Jahre wurden die ersten Bewohner zurück in ihre Heimat (zumeist Russland oder die Ukraine) geschickt, da der Kohleabbau reduziert wurde, und 1996 waren die meisten Familien nicht mehr vor Ort. Die russische Regierung beschloss 1998, den Kohleabbau in Pyramiden ganz stillzulegen, da dieser nicht mehr rentabel war. Am 31. März 1998 fuhr der letzte Kohlewagen,[2] und im Oktober wurde die Siedlung nahezu vollständig verlassen. Viele der Gebäude waren zu diesem Zeitpunkt nicht einmal zehn Jahre alt, da noch bis kurz vor Aufgabe des Orts viel investiert worden war. Im Jahr 2000 verließen die letzten Bewohner Pyramiden und es ist seitdem praktisch entvölkert. Damit ist Barentsburg die einzige verbliebene russische Ansiedlung auf Spitzbergen.
21. Jahrhundert
Nach der Aufgabe des Ortes wurden viele Gebäude geplündert und/oder durch Vandalismus beschädigt; einzelne Gebäude wurden vor der Aufgabe des Ortes durch Sprengung zerstört. Seit etwa 2007 sind jeden Sommer nun eine Handvoll Arbeiter in Pyramiden tätig, die den Zerfall der Stadt verhindern sollen und vor Ort aufräumen. Sie leben dann in dem alten Hotel, das inzwischen auch wieder für Touristen geöffnet wurde.
Im Sommer ist Pyramiden außerdem mehrmals wöchentlich Ziel von organisierten Tagesausflügen mit dem Schiff aus Longyearbyen, und es gibt Führungen, bei denen einige der Gebäude unter Aufsicht betreten werden können. Auch beginnen viele Tourenveranstalter hier einige ihrer Trekkingtouren, da die Umgebung bestens für Touren geeignet ist. Ein paar Basislager liegen in erreichbarer Nähe. Pyramiden wird zudem in der Sommersaison regelmäßig von Expeditionskreuzfahrtschiffen verschiedener Veranstalter angelaufen.
Im Jahr 2018 wurden im Rahmen der Northern Expo,[3] die vom 4. bis zum 7. Oktober 2018 auf Spitzbergen veranstaltet wurde, die Jazzmusikveranstaltungen in dem verlassenen Ort abgehalten.[4]
Das Leben zur Zeit des Betriebes in Pyramiden
Ortsbild
An den eher trübselig wirkenden Betonbauten sind Ansätze von Verschönerungen zu sehen. Die meisten Gebäude sind entweder mit Backsteinen oder Holzpaneelen verkleidet und teilweise auch farblich gestaltet. Auffallend sind auch die große Leninbüste vor dem Kulturhaus und ein paar erhaltene kommunistische Propagandazeichen.
Obwohl das arktische Klima dem Gedeihen vieler Pflanzen nicht zuträglich ist, wurde aus Russland Rasensamen importiert, und im gesamten Ort wächst bis heute hoher Rasen. Während der Ort bewohnt war, durften jedoch nur Vieh und Kinder den Rasen betreten.
Gebäude
Die meisten Gebäude sind Wohnhäuser. Zudem gibt es Lagerhallen, Viehställe, ein Gewächshaus, ein Krankenhaus, das Hotel, eine Kantine, ein Kultur- bzw. Gemeinschaftshaus, eine Schule und einen Kindergarten, ein Schwimmbad, ein Elektrizitätswerk und eine Vielzahl an Gebäuden, die dem Kohleabbau dienten (Verwaltung, Werkstätten und die Abbaugebäude selbst). Heute sind die Bauten zur Verhinderung von weiterem Vandalismus weitgehend verschlossen und können in der Regel nur bei Führungen besichtigt werden. Eine Besonderheit ist das ein wenig abseits gelegene Flaschenhaus, das lediglich aus Wodkaflaschen erbaut wurde: Bei gutem Wetter ist dort ein faszinierendes Farbenspiel zu sehen und bei Wind kann man ein „Flaschenkonzert“ hören.
Das Hotel „Tulpan“ (Tulpe) wurde renoviert und neu eröffnet und es können Übernachtungen gebucht werden.[5]
Bewohner
Die Bewohner Pyramidens waren fast ausschließlich Familien von Bergarbeitern. Nur die besten Arbeiter aus verschiedenen Kohlesiedlungen in Russland und der Ukraine wurden nach Pyramiden versetzt und durften dort zwei Jahre lang arbeiten und leben. Anschließend mussten sie wieder in ihre Heimat zurückkehren und wurden durch andere Arbeiter ersetzt. Berichten zufolge war das Leben in Pyramiden vor allem zu Zeiten der Sowjetunion deutlich besser als in Russland selbst.
Heute leben im Sommer 11 Personen in Pyramiden, vom Busfahrer, Post- und Hotelangestellten bis zum Kraftwerksingenieur. In der dunklen Jahreszeit wohnen nur 2 Personen in Pyramiden; eine kümmert sich um das Hotel, die andere um das Kraftwerk.
Die dunkle Jahreszeit geht vom 26. Oktober bis zum 16. Februar. In dieser Zeit geht die Sonne nicht auf. Die Mitternachtssonne scheint vom 18. April bis zum 26. August.[6]
Freizeit
In Pyramiden gab es neben einer Fußball- und einer Schwimmmannschaft auch eine Jazzband und verschiedene Tanz- und Theatergruppen. Im Kulturhaus waren eine Sporthalle, ein Ballettsaal, eine Aula mit Kinofunktion, diverse Musikräume und eine Bibliothek vorhanden. Im Kulturhaus hängen heute noch Bilder von Sportmannschaften und von diversen Veranstaltungen in der Aula.
Versorgung
Der größte Teil der Versorgung konnte über Pyramiden selbst geregelt werden. Neben einem entfernten Stausee, von wo das Trinkwasser geliefert wurde, gab es eine Viehzucht für die Frischfleischversorgung und ein Gewächshaus für frisches Gemüse.
Galerie
- Leninbüste vor dem Sport- und Kulturhaus auf dem zentralen Platz
- Das Erkennungsdenkmal von Pyramiden
- Das Flaschenhaus
- Der Hafen
- Der Hauptplatz mit dem Sport- und Kulturhaus im Hintergrund
Weblinks
- Angelika Franz: Vergessene Orte: Geisterstadt im Eis. Artikel in Spiegel Online im Portal einestages. 9. August 2010.
- Pyramiden auf der Website Yr.no, Norwegian Meteorological Institute and NRK.
Einzelnachweise
- Even Høydahl, Øivind Rustad: Population of Svalbard, 1 July 2013. Statistics Norway’s Information Centre, 24. September 2013, abgerufen am 31. Dezember 2013 (englisch).
- A Case Study of Pyramiden. In: thearcticinstitute.org. 9. Dezember 2019, abgerufen am 1. Mai 2021 (englisch): „the last coal was extracted from the mine on March 31“
- Abandoned for 20 years, this Russian ghost town now hosts a unique performance. In: edition.cnn.com. CNN Digital, 13. November 2018, abgerufen am 15. Februar 2021 (englisch).
- Ian Patterson: Northern Expo 2018. In: allaboutjazz.com. All About Jazz, 23. Oktober 2018, abgerufen am 15. Februar 2021 (englisch).
- Velkommen til Svalbard – det ekte Arktis. Abgerufen am 12. Juli 2018 (nb-NO).
- Sunrise and sunset times in Pyramiden, April 2018. Abgerufen am 12. Juli 2018 (englisch).