Protest
Der Protest (lat. protestor, -ari ‚öffentlich bezeugen‘) ist ein verbaler oder nonverbaler Ausdruck der Zurückweisung oder des Widerspruchs gegenüber bestimmten Geschehnissen, Situationen oder gegenüber einer bestimmten Art der Politik. Proteste können sehr verschiedene Formen annehmen, von individuellen Meinungsäußerungen bis zu Massendemonstrationen. Protestierende können einen Protest organisieren, indem sie ihre Meinung publik machen, um Einfluss auf die öffentliche Meinung oder die Politik zu gewinnen, oder indem sie mittels einer direkten Aktion versuchen, die erwünschten Veränderungen herbeizuführen.[1]
Der Protest einer systematischen und friedlichen gewaltfreien Bewegung, die ein bestimmtes Ziel mit politischem Druck und Überredungskunst verfolgt, ist mehr als der Begriff Protest im engeren Sinn beinhaltet. Diese Form des Protests wird besser als gewaltfreier Widerstand oder gewaltfreie Aktion beschrieben.[2]
Verschiedene Formen des Protests sind teilweise per Gesetz (z. B. erforderliche Genehmigungen für Demonstrationen), durch ökonomische Umstände, religiöse Glaubensvorschriften, soziale Strukturen oder monopolisierte Massenmedien eingeschränkt.[3] Liegen solche Einschränkungen vor, kann der Protest die Form offenen zivilen Ungehorsams, subtilere Widerstandsformen gegen diese Einschränkungen annehmen oder sich auf andere Bereiche ausweiten, wie z. B. Kultur und Emigration. Protest kann sich über Meinungsverschiedenheiten, Sitzblockaden, Unruhen, Aufstände, Revolten bis hin zu politischen bzw. sozialen Revolutionen steigern.
Schließlich kann der Protest zuweilen selbst Gegenstand eines Gegenprotestes sein, in welchem Fall die Unterstützer des letzteren die Positionen, gegen welche sich der ursprüngliche Protest richtet, befürworten.
Ursachen von Protesten
Ursachen von Protest sind vielfältig, sie umfassen Proteste marginalisierter Gruppen, die von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind, so etwa Proteste im Kontext der Arbeiterbewegung sowie der Frauenbewegung oder antirassistische Proteste. Die Marginalisierung kann dabei verschiedene Formen und Schweregrade annehmen, von informeller Benachteiligung über formelle Ausschlüsse wie fehlendes Wahlrecht bis hin zu purem Hunger – Ursache für zahlreiche spontane Unruhen und Proteste während des Ersten Weltkrieges.[4][5] Im allgemeinen Sinn des Wortes kann „Protest“ jedoch auch eine Verteidigung von Privilegien mittlerer oder oberer Gesellschaftsschichten umfassen. Dies ist oft eine Reaktion auf soziale Veränderung und Umverteilung.
In seinem 2020 erschienenen Buch Das große Nein. Eigendynamik und Tragik des gesellschaftlichen Protests untersucht Armin Nassehi die Funktion und die Form von Protest. Protest ist nach Armin Nassehi eine besondere Sozialform in einer funktional differenzierten Gesellschaft. Er macht Konflikte sichtbar, die in den institutionalisierten Bearbeitungsroutinen nicht klein gearbeitet werden können. In der Buchdruckgesellschaft konnten „Nein-Stellungnahmen“ einigermaßen bearbeitet werden. Im Internetzeitalter gibt es durch die vielen Sprecher fast eine symmetrische Kommunikation, was diese aber unübersichtlich macht. Da Protest dazu auch eine Steigerungslogik inhärent ist, führt dies heute zur Überforderung der Gesellschaft. Es fehlt eine „Stoppregel für Nein-Stellungnahmen“.[6] Das Tragische am Protest ist, dass die Forderungen nie ganz umgesetzt werden können. Protest kann ein „Demokratiegenerator“ sein, wenn er zum Beispiel rationale Entscheidungen in der Politik (Klimakatastrophe) fördert. Im Protest wird der Machtkreislauf sichtbar und Protest will und kann den Machtkreislauf unterbrechen, und er zwingt den Machthaber, sich dazu zu äußern. Protest kann aber auch ein „Demokratiegefährder“ sein, wenn er Gruppen ohne demokratisch erworbenes Mandat ermächtigt.[7][8]
Moderne Form des Protestes
Eine moderne Form des Protestes ist die zeitweise Abschaltung von Servern und daraus resultierende Nichterreichbarkeit von Webseiten. Wikipedia nutzte dieses Mittel in Deutschland zum ersten Mal, um gegen eine anstehende Urheberrechtsreform der Europäischen Union zu protestieren.[9]
Auswahl bekannter Proteste
- Europa im 16. Jahrhundert: Liste von Bauernaufständen, Protestantismus
- Nordamerika in den 1770ern: Amerikanische Revolution
- Julirevolution von 1830
- Pariser Kommune
- Weltweite Studentenrevolutionen 1964–1968: siehe z. B. Außerparlamentarische Opposition
- Mai 1968
- Montagsdemonstrationen 1989/1990 in der DDR
- Lebensmittelunruhen
- Pazifismus, Ostermärsche, Anti-Atomkraft-Bewegung
- Bürgerrechtsbewegung, Stonewall-Unruhen
- Freitagsdemonstrationen Fridays for Future
Siehe auch
Literatur
- Immanuel Ness (Hrsg.), The International Encyclopedia of Revolution and Protest: 1500 to the Present, Malden, MA [etc.]: Wiley & Sons, 2009, ISBN 1-4051-8464-7.
- Veronika Helfert: Gewalt und Geschlecht in unorganisierten Protestformen in Wien während des ersten Weltkrieges. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft II/2014
- Irena Selisnik, Ana Cergol Paradiz, Ziga Koncilija: Frauenproteste in den slowenischsprachigen Regionen Österreich-Ungarns vor dem und im Ersten Weltkrieg, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2016.
- Das große Nein. Eigendynamik und Tragik des gesellschaftlichen Protests. kursbuch.edition, Hamburg 2020, ISBN 978-3-96196-128-3.
- Sabine Mecking (Hrsg.): "Polizei und Protest in der Bundesrepublik Deutschland." Springer: Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-29477-9.
- Detlef Pollack: Das unzufriedene Volk. Protest und Ressentiment in Ostdeutschland von der friedlichen Revolution bis heute. transcript, Bielefeld 2020, ISBN 978-3-8376-5238-3.
Weblinks
- Bericht über ein Urteil des OLG Frankfurt am Main betreffend Online-Protest
Einzelnachweise
- St. John Barned-Smith, How We Rage: This Is Not Your Parents' Protest, Winter 2007: S. 17–25.
- Adam Roberts, Introduction, in: Adam Roberts, Timothy Garton Ash (Hrsg.), Civil Resistance and Power Politics: The Experience of Non-violent Action from Gandhi to the Present, Oxford University Press, 2009, pp. 2–3.
- Daniel L. Schofield: Controlling Public Protest: First Amendment Implications. in the FBI's Law Enforcement Bulletin. November 1994. Abgerufen am 16. Dezember 2009.
- Veronika Helfert: Gewalt und Geschlecht in unorganisierten Protestformen in Wien während des ersten Weltkrieges. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft II/2014.
- Irena Selisnik, Ana Cergol Paradiz, Ziga Koncilija: Frauenproteste in den slowenischsprachigen Regionen Österreich-Ungarns vor dem und im Ersten Weltkrieg, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2016.
- Armin Nassehi: Das große Nein. Eigendynamik und Tragik des gesellschaftlichen Protests. S. 58
- Armin Nassehi: Montagsblock /105, 13. April 2020
- Armin Nassehi: Montagsblock /107, 11. Mai 2020
- Focus.de - Internet Online Lexikon Wikipedia