Postagentur
Postagentur ist die Bezeichnung für eine Postannahmestelle, die nicht durch den eigentlichen Postdienstleister (wie z. B. Deutsche Post AG), sondern durch einen selbständigen Unternehmer (Postagent) geleitet wird.
Geschichte
Reichspost (1871 bis 1939)
Postagenturen wurden bei der Deutschen Reichspost 1871, in Württemberg 1876 und in Bayern 1898 eingerichtet. Seit Anfang 1923 wurden „Postagenturen mit Vollbetrieb“ und „Postagenturen mit einfachem Betrieb (m.e.B.)“ unterschieden. Die Postagenturen waren Postanstalten mit geringem Verkehr, die nicht von Berufsbeamten, sondern von Privatpersonen (Landwirten, Gewerbetreibenden, Lehrern, Gutssekretären usw.) im Nebenamt verwaltet wurden. Sie dienten in erster Linie den Verkehrsbedürfnissen der Bevölkerung auf dem flachen Lande, es gab nur wenige Postagenturen in den Städten. Die Postagenturen unterstanden als Zweigpostämter in Bezug Verwaltungs-, Personal-, Betriebs- und Kassenangelegenheiten einem Abrechnungspostamt. Im Bereich der Bayerischen Post gab es noch Postagenturen, die keinem Abrechnungspostamt, sondern der Oberpostdirektion unmittelbar unterstellt waren („unterstelle Postagenturen“), ferner mit Eisenbahndienststellen vereinigte Postagenturen, bei denen das Bahnpersonal den Postdienst mit versah „Postagenturen mit einfachem Betrieb“ hatten keine bestimmten Dienststunden und keinen Zustellbezirk.
Die Postagenturen wurden 1920 in sieben Gruppen eingeteilt. In besonderen Fällen wurde statt der Gruppenvergütung ein Pauschbetrag gewährt. Die Verwalter von „Postagenturen mit einfachem Betrieb“ erhielten einen Pauschbetrag, der auf etwa ein Viertel der Anfangsvergütung der Gruppe VII bemessen war. Die Postagenten der Vergütungsgruppen I bis III erhielten neben ihrer Vergütung einen Zuschlag, wenn sie den Dienst selbst verrichteten und nachwiesen, dass ihre Einnahmen aus sonstiger Tätigkeit nicht mehr als 40 Prozent der Postagentenvergütung betrugen. Die Postagenten mussten bei der Einstellung die nötige persönliche Eignung nachweisen und sich in gesicherter wirtschaftlicher Lage befinden; sie wurden für ihren Dienst durch Fachbeamte mehrere Wochen an Ort und Stelle ausgebildet. Die Jahresvergütung (ohne irgendwelche Zulagen) der Postagenten betrug:
- 1871: Mark 450
- 1900: 5.463,11 Euro) 750 Mark (entspräche einer heutigen Kaufkraft von
- 1908: 5.682,96 Euro) 900 Mark (
- 1920: 2 040–6900 Mark (1.110,41 bis 3.755,79 Euro)
- 1924: Goldmark (1. Januar) (912,4 bis 2.763,26 Euro) 210–636
- 1927: Reichsmark (2.178,71 bis 6.386,28 Euro) 567–1662
Die Zahl der Postagenturen betrug
- Reichspost- und Telegraphenverwaltung:
- 1871: 567
- 1875: 2.266
- 1885: 5.047
- 1895: 7.878
- 1900: 9.046
- 1905: 9.671
- 1914: 10.559
- Deutsche Reichspost:
- 1920: 12.157
- 1923: 10.494
- 1926: 10.858
- 1929: 11.157
- 1939: 12.484
Am 1. April 1939 erhielten die Postagenturen die Bezeichnung „Poststelle“, die Postagenten die Amtsbezeichnung „Posthalter“.[1]
Auch die Postanstalten in den deutschen Kolonien wurden im Allgemeinen als Postagenturen bezeichnet.[2]
Deutsche Post AG (ab 1995)
Im Zuge der Postreform Mitte der 1990er Jahre erfolgte eine Schließungswelle von Postämtern. Seitdem existieren sogenannte Postfilialen im Einzelhandel. Der Inhaber seines Betriebes schließt einen Partnervertrag und erhält neben einer bestimmten Basisvergütung (von unter 1000 EUR bei einschaltrigen Postagenturen) zusätzlich verschiedene Provisionen, die sowohl den eigentlichen Umsatz als auch Gewinn/Verlust ausmachen.
In Postagenturen werden neben klassischen Postprodukten auch andere Artikel verkauft. Postagenturen gibt es in Lebensmittelläden, Zeitschriftenkiosken, Schreibwarenläden, Toto-Lotto-Annahmestellen, aber auch in Tankstellen. Anfang 2003 unterbreitete Quelle ihren Shop-Betreibern ein Angebot der Deutschen Post, auch die Post-Dienstleistungen in ihren Läden anzubieten. Post-Service-Shops sollen unter Verzicht auf weniger gefragte, aber komplexe Dienstleistungen wie Einschreiben, Paketannahme oder Nachnahmesendungen ein postalisches „Basissortiment“ anbieten, das sich vor allem an Privatkunden richtet. Anders als vollwertige Postagenturen sind Verkaufspunkte auch für Ortschaften unter 2000 Einwohnern vorgesehen, können aber z. B. ebenso in postalisch unterversorgten Stadtteilen von Großstädten vorkommen.
Seit etwa 2006/2007 hat die Deutsche Post unter der Bezeichnung Verkaufspunkte auch eine sehr vereinfachte Form der Post eingeführt. Supermärkte oder andere Läden bekommen ein Basissortiment an Postwertzeichen (Briefmarken) und Paketmarken, die nur eingeschweißt erhältlich sind, ebenso sollen sie bereits freigemachte Brief und Paketsendungen entgegennehmen; einzelne Briefmarken sind hier nicht erhältlich. Seit Ende 2013 werden die Verkaufspunkte als DHL-Paketshop bezeichnet.[3][4]
Seit dem Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank 2010 sind auch die Postbank-Filialen als Postagenturen zu bezeichnen.
Die Schweizerische Post AG (ab 2006)
Die ersten Agenturen der Schweizerischen Post eröffneten 2005 in Oberbalm und Allenwinden.[5][6][7] Bis Ende 2020 wollte die Post weitere 500 traditionelle Filialen schließen und durch Agenturen ersetzen.[8] Diese werden häufig in Volg- sowie Voi-Läden installiert.[7][9] Auch Coop und Denner bietet in einzelnen Filialen die Agentur-Dienste der Post an.[10][11][12][13] Im Mai 2018 hatte die Post die 1000. Agentur eröffnet.[5] Im Mai 2019 sind 300 Migros-Filialen für den Empfang sowie Versand von Paketen dazugekommen.[14] Einer der markantesten Unterschiede dieser Postagenturen im Vergleich mit den klassischen Postschaltern ist, dass Einzahlungsscheine nur noch bargeldlos (Postfinance Card, Maestro- und V-Pay-Karte) beglichen werden können.[15][16] 2020 hatte die Schweizerische Post 1185 Agenturen.[17]
Österreichische Post AG
Die Österreichische Post hat seit der Privatisierung 2006 ihre eigenbetriebenen Filialen durch Post-Partner ersetzt. Bis zuletzt im Jahr 2017 auf 443 eigenbetriene Filialen und 1359 Post-Partner.
Literatur
- Handwörterbuch des Postwesens
- 1. Auflage; S. 422–423 (Aufsatz von L. Schneider)
- 2. Auflage; S. 491
Einzelnachweise
- Verfügung 143 im Amtsblatt 32 des Reichspostministeriums (RPM)
- Puche: Post- und Telegraphenwesen, in: Heinrich Schnee (Hrsg.): Deutsches Kolonial-Lexikon. Band III, Quelle & Meyer, Leipzig 1920, S. 89ff.
- http://www.dhl.de/paketshops?cid=c_dhl_bi_D20A_98087_05121_pa12bi854
- Focus: „Post schafft 20 000 neue Paket-Annahmestellen“
- Luzern/LU: Die 1000. Filiale mit Partner. In: post.ch, 22. Mai 2018, abgerufen am 23. August 2021.
- Oliver Flüeler: Wie Oberbalm vor 15 Jahren Postgeschichte schrieb. In: post-medien.ch, 29. April 2021, abgerufen am 23. August 2021.
- 300. Postagentur in einem Volg-Laden In: personalzeitung.post.ch (web.archive.org), abgerufen am 26. April 2018.
- Umfrage zum Service – Herr und Frau Schweizer wollen die alten Poststellen zurück. In: srf.ch, 24. November 2017, abgerufen am 26. April 2018.
- Termin für Post im Voi Migros-Partner bekannt. In: jungfrauzeitung.ch, 26. April 2018, abgerufen am 26. April 2018.
- Postagentur im Coop: Harziger Start. In: sp-bolligen.ch. 9. Februar 2021, abgerufen am 11. Februar 2021.
- Gossau/SG: In Gossau Mettendorf sind Postdienstleistungen ab 13. November im Denner erhältlich. In: post.ch. 28. August 2017, abgerufen am 30. September 2019.
- Sedrun/GR: Neues Postangebot im Denner Satellit. In: post.ch. 31. August 2018, abgerufen am 30. September 2019.
- Sachseln/OW: Die Post zieht in den Denner. In: post.ch. 20. November 2018, abgerufen am 30. September 2019.
- Post-Kooperation mit Migros – Päckli-Aufgabe beim Grossverteiler. In: srf.ch. 6. Mai 2019, abgerufen am 6. Mai 2019.
- Post von der Post für drei Gemeinden. In: bielertagblatt.ch. 16. April 2019, abgerufen am 16. April 2019.
- Dominik Meier: Reorganisation bei Poststellen – Mehr Agenturen, weniger Poststellen. In: srf.ch. 15. Oktober 2018, abgerufen am 16. April 2019.
- Bundesamt für Kommunikation BAKOM: Erfüllung des Grundversorgungsauftrags 2020. In: bakom.admin.ch. 27. Mai 2021, abgerufen am 31. Mai 2021.
Weblinks
- Bericht über die Einrichtung eines Postpoints in Mühlenbach (Schwarzwald)
- www.postagenturnehmer.de – Verband der privaten Postagenturbetreiber
- www.postagentur-marbach.de – Postagentur der Schillerstadt Marbach