Porta praetoria (Regensburg)
Als Porta praetoria bezeichnet man in Regensburg die sichtbar erhaltenen Reste vom Nordtor des ehemaligen römischen Legionslagers Castra Regina, das im 2. Jahrhundert n. Chr. erbaut wurde. Die baulichen Reste des Tores haben sich erhalten als Einbauten in den heute weiß gekalkten Mauern des Gebäudes „Bischofshof“ und besonders in den Mauern einer dort ehemals östlich anschließenden zugehörigen Brauerei, die nach 1650 entstanden. Erst 1885 beim Abbruch der Brauerei wurden die überbauten beachtlichen Reste des römischen Lagertores wiederentdeckt und freigelegt.
Neben der größeren Porta Nigra in Trier sowie der Porte Saint-André und der Porte d’Arroux in Autun ist die Porta praetoria eine der wenigen erhaltenen römischen Toranlagen nördlich der Alpen.[1][2]
Begriff und antike Bedeutung
Als Porta praetoria bezeichneten die Römer in ihren Militärlagern das Haupttor (siehe auch Pforte). Es diente als Ausfalltor und befand sich im Normalfall auf der dem Feind zugewandten Seite des Lagers. Wie eine Bauinschrift von einem der Tore des tripolitanischen Kastells Gholaia aus dem Jahr 222 bezeugt, brachten die Soldaten bei den Baumaßnahmen große Leistungsbereitschaft auf,[3] denn militärische Einrichtungen waren die „physische Manifestation Roms“.[4] Die Bedeutung der hochaufragenden Tore beschreibt der Text aus Gholaia wie folgt: „Wie der Edelstein in Gold gefasst wird, so ziert das Tor das Lager.“[5] Und Tacitus schrieb: „Das Lager ist der besondere Stolz der Soldaten.“[6]
Geschichte
Unter Kaiser Marc Aurel wurde am südlichen Ufer der Donau, etwas westlich gegenüber der Regenmündung in die Donau das Legionslager Castra Regina (dt. Lager beim Fluss Regen) gegründet. Die Lagergründung war eine Reaktion auf die Markomannenkriege und machte eine Stationierung der 3. Italische Legion an diesem Ort erforderlich. Der Bau des Lagers, aus dem sich dann Im Laufe des frühen und späten Mittelalters die Stadt Regensburg entwickelte, wurde 179 vollendet.
Wie die meisten römischen Legionslager dieser Größe verfügte auch das Lager Castra Regina über vier Tore. Das Haupttor, die Porta praetoria, war nach Norden hin zur Donau ausgerichtet und wurde deshalb bereits im Jahr 932 in einer Urkunde mit dem Namen Porta Aquarum, Wassertor bezeichnet. Dieser Name bürgerte sich ein, denn die Toranlage bot noch im 17. Jahrhundert einen bequemen Zugang von der Innenstadt zum Ufer der Donau. So wie heute waren schon damals nur der linke, gut 11 m. hohe Turm und nur der rechte Durchgang vorhanden, ergänzt durch eine 7 m. rechts entfernte, fünf Lagen hohe Quadermauer. Diese Quader gehörten zur Fortsetzung der Lagermauer im Anschluss an den nicht mehr vorhandenen rechten Torturm, dessen ehemalige Existenz erst 1971 bewiesen wurde. Erst 1971 konnte die ursprüngliche Konstruktion der Porta prätoria als eine ehemals doppeltorige Durchfahrt, flankiert von zwei halbrund vorspringenden Türmen endgültig gesichert werden. Damals fand man bei einer Nachuntersuchung das bis dahin fehlende Fundament des rechten Torturms. Man fand es im 1887 konservierten und gesondert aufbewahrtem Fundament des Mittelbereichs der Toranlage, wo es damals übersehen worden war.[7]
Der Verlust eines Torturmes und eines Durchgangs könnte mit den großen Zerstörungen der Lagermauern beim Einfall der Alamannen um 280 n. Chr. zusammenhängen. Bei den damals erforderlichen Reparaturen der Mauern ging man sehr unsorgfältig vor und benutzte sogar zerschlagene Grabsteine für die Reparatur der Mauern. Es kam damals nicht mehr auf Repräsentation an, sondern nur noch auf die möglichst schnelle Wiederherstellung der Verteidigungsbereitschaft. Es ist gut vorstellbar, dass damals auch eine Hälfte der ursprünglich doppeltorigen Toranlage vermauert wurde.[8]
Der Name Wassertor ging im Laufe des 17. Jahrhunderts verloren. Damals verlor die Toranlage durch den Bau der mittelalterlichen Stadtmauer ihre Bedeutung als Verbindung zum Ufer der Donau, die nun hinter der Stadtmauer verborgen war. Die via praetoria wurde überbaut und dabei kamen auch Teile der Fundamente des Tormauerwerks unter das Straßenniveau. Endgültig in Vergessenheit geriet die Existenz des Tores in der Bevölkerung als im Jahr 1649 die Toranlage beim Bau des bischöflichen Brauhauses am Bischofshof völlig in den Neubau einbezogen wurde und aus dem Straßenbild verschwand. Zwar wurden bei der Überbauung Teile der Toranlage zerstört, jedoch blieben andere Teile nach dem Einbau erhalten. Erst ca. 240 Jahre später wurden 1885 beim Abbruch des ehemals vorgebauten Schlafhauses der Brauburschen die Reste der römischen Toranlage überraschend wieder neu entdeckt. In der Bevölkerung begann eine Diskussion um die Freilegung der römischen Mauerreste, denn damalige Mediziner befürchteten die Freisetzung von alten Thyphuserregern und den Ausbruch einer Seuche. Die Bedenken wurden nicht berücksichtigt und 1887 wurden die Mauerreste nach einer Zuwendung von 25.000 Goldmark im heute sichtbaren Ausmaß zwar freigelegt, aber es entstand eine falscher Grundrissplan mit nur einer Tordurchfahrt, die ohne Überprüfung in viele Publikationen übernommen wurde. Es wurde auch keine Skizze und kein Foto angefertigt, so dass die ursprünglich doppeltorige Durchfahrt des Nordtores, flankiert von zwei halbrund vorspringenden Türmen, erst 1971 durch Untersuchung der Fundamente endgültig gesichert werden konnte.[7][9]
In der Zeit nach 1950 war die Toranlage Gegenstand mehrerer Forschungsprojekte, die zur Entwicklung von Reinigungs- und Konservierungskonzeptionen führten.[10] Im Jahr 2017 wurde eine mehrjährige Sanierungsmaßnahme abgeschlossen, bei der auch die Zugänge und Außenanlagen umgestaltet wurden. Seitdem ist es möglich, im Rahmen von Führungen auch einen Innenraum der Toranlage zu betreten.[11]
Literatur
- Tilmann Bechert: Römische Lagertore und ihre Bauinschriften. Ein Beitrag zur Entwicklung und Datierung kaiserzeitlicher Lagertorgrundrisse von Claudius bis Severus Alexander. In: Bonner Jahrbücher 171, 1971, S. 201 ff.
- Thomas Aumüller: Die Porta Praetoria und die Befestigung des Legionslagers in Regensburg. Dissertation, Technische Universität München 2002, urn:nbn:de:bvb:91-diss2002122019021
Weblinks
- Regensburg.de: Beschreibung und Bilder
Einzelnachweise
- document Porta Praetoria Website der Stadt Regensburg. Abgerufen am 14. August 2020.
- Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. 6. Auflage. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2014, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 93.
- AE 1995, 01671.
- Simon James: Rom und das Schwert. Wie Krieger und Waffen die römische Geschichte prägten. WBG, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-534-25598-6, S. 161.
- Christof Flügel, Klaus Mühl, Jürgen Obmann und Ricarda Schmidt: „Wie der Edelstein in Gold gefasst wird, so ziert das Tor das Lager.“ Zur Rezeption römischer Kastelltore in der mittleren Kaiserzeit. In: Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 56, 2015, S. 395–407; hier: S. 395.
- Tacitus, Historien 3,84.
- Karl Heinz Dietz, Udo Osterhaus, Sabine Riekhoff-Pauli, Konrad Spindler: Regensburg zur Römerzeit, Verlag Friedrich Pustet Regensburg (1979), ISBN 3-7917-0599-7, S. 192 - 198
- Karlheinz Dietz , Udo Osterhaus, Sabine Riekhoff-Pauli: Regensburg zur Römerzeit. Friedrich Pustet, Regensburg, Regensburg 1979, ISBN 3-7917-0599-7, S. 197 f.
- Klemens Unger, Julia Weigl: Regensburg Leben im 19. Jahrhundert. Klemens Unger, Kulturreferat der Stadt Regensburg, Regensburg 2000, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 77.
- uni-regensburg.de: Porta Praetoria: Rekonstruktionsmodelle (Memento vom 13. September 2018 im Internet Archive)
- Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. 6. Auflage. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2014, ISBN 3-935052-28-6, S. 92–94.