Philippe Moureaux
Philippe Moureaux (* 12. April 1939 in Etterbeek; † 15. Dezember 2018) war ein belgischer Politiker der Parti Socialiste (PS). Moureaux war ein Mitglied zahlreicher Föderalregierungen aus den achtziger Jahren und Ministerpräsident der Französischen Gemeinschaft. Er war langjähriger Bürgermeister von Molenbeek-Saint-Jean/Sint-Jans-Molenbeek und zudem Vizepräsident der PS und Vorsitzender der Brüsseler Föderation der Partei. Nachdem er bei den Kommunalwahlen in Belgien 2012 sein Mandat verloren hatte, kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an.[1] Seit 1995 trug er den Ehrentitel „Staatsminister“.
Leben
Philippe Moureaux war der Sohn des ehemaligen liberalen Ministers Charles Moureaux. Er studierte an Université Libre de Bruxelles (ULB), wo er als „Docteur en philosophie et lettres“ promovierte. Danach war als Historiker und Professor an derselben Universität tätig. Moureaux gilt als Spezialist der österreichischen Niederlande und hat mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen über dieses Thema vorzuweisen.[2]
Er war der Ex-Ehemann von Françoise Dupuis, der ehemaligen sozialistischen Ministerin und Parlamentspräsidentin der Region Brüssel-Hauptstadt. Sein Bruder Serge Moureaux war ebenfalls als Lokalpolitiker in Etterbeek, Abgeordneter und Senator für die PS tätig. Philippe Moureaux hat drei Töchter, wovon Catherine Moureaux in den Gemeinderat von Schaerbeek/Schaarbeek gewählt wurde.
Im Juni 2010 heiratete der damals 71-jährige Philippe Moureaux, der zu der Zeit noch als Bürgermeister von Molenbeek im Amt war, seine 35 Jahre alte Lebensgefährtin Latifa Benaicha.[3][4]
Politische Laufbahn
Im Gegensatz zu seinem Vater hat sich Philippe Moureaux für eine politische Karriere bei der Parti Socialiste (PS) entschieden. Von Anfang an war das politische Wirken von Moureaux mit der institutionellen Entwicklung und der Verwandlung Belgiens in einen Bundesstaat verknüpft.
Als er 1980 sein erstes Amt als Justizminister in der Regierung unter Wilfried Martens antrat, machte Moureau durch ein Gesetz vom 30. Juli 1981, das fortan als das „Moureaux-Gesetz“ bekannt wurde, auf sich aufmerksam: Durch dieses Gesetz wurden erstmals in Belgien Rassismus und Xenophobie strafbar gemacht.[5]
Sein Einfluss während der zweiten Staatsreform von 1980, bei der die Französische Gemeinschaft als Nachfolgerin der französischen Kulturgemeinschaft aus der Taufe gehoben wurde, war entscheidend. Somit wurde er im Jahr 1981 als erster Ministerpräsident dieser neuen Institution vereidigt. Doch es ist vor allem die Aushandlung der dritten Staatsreform von 1988 und 1989, bei der einerseits das Unterrichtswesen – einer der größten Haushaltsposten des Landes – an die Gemeinschaften übertragen wurde, und andererseits die Region Brüssel-Hauptstadt mit ihren Eigenheiten, die das sensible Gleichgewicht zwischen französischsprachigen und niederländischsprachigen Bürgern in der Hauptstadt garantieren sollen, die Moureaux als Spezialisten für Staatsreformen avancieren ließen. Es war daher naheliegend, dass Moureaux bei allen folgenden Staatsreformen für die PS am Verhandlungstisch saß, so auch bei der Suche einer Lösung für den Wahlkreis Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV).[6]
In den neunziger Jahren verabschiedete sich Moureaux von seinen Ministerämtern und konzentrierte sich auf seine Karriere als Parlamentarier und Bürgermeister von Molenbeek-Saint-Jean/Sint-Jans-Molenbeek. Moureaux galt als Bürgermeister dieser Gemeinde, die eine große Anzahl Personen mit Migrationshintergrund (vor allem aus Marokko und der Türkei) besitzt, als ein Verfechter des Rechts für nicht-europäische Bürger, an den Kommunalwahlen teilzunehmen. Der Gesetzesvorschlag, der später zum Gesetz vom 19. März 2004 zur Gewährung des Stimmrechts für die Gemeindewahlen an Ausländer wurde, trägt ebenfalls seine Unterschrift.[7][8]
Philippe Moureaux war aber auch in der belgischen Politik dafür bekannt, besonders harte Positionen einzunehmen und markige Sätze von sich zu geben. So bezeichnete er beispielsweise den liberalen Vizepremier und Finanzminister Didier Reynders (MR) als rechtsextrem.[9] Bei den Verhandlungen über die Zukunft des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde war er einer der wenigen frankophonen Politiker, die eine Teilung des Wahlkreises offen akzeptierten, was bei verschiedenen anderen Frankophonen für Unmut sorgte.[10]
Nachdem er bei den Kommunalwahlen in Belgien 2012 sein Mandat an Bernard Clerfayt (FDF) verlor, zog er sich aus der aktiven Politik zurück.
Ehrungen
Philippe Moureaux war seit dem 3. Dezember 1987 Kommandeur des Leopoldsordens und wurde am 19. Mai 1995 mit dem Großkreuz des Ordens Leopolds II. ausgezeichnet. Seit dem 30. Januar 1995 durfte er den Ehrentitel „Staatsminister“ tragen und war seit dem 19. Mai 1995 Honorarmitglied der belgischen Abgeordnetenkammer.
Er war ebenfalls Honorarprofessor an der Université Libre de Bruxelles (ULB).
Kritik
Die Amtsführung Moureaux’ als Bürgermeister von Molenbeek geriet besonders im Anschluss an die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris in die Kritik, weil radikalisierte Muslime aus dem Bezirk eine führende Rolle bei der Planung und Ausführung gespielt hatten.[11][12]
Übersicht der politischen Ämter
- 1980: Minister für Inneres und institutionelle Reformen in der Regierung Martens III
- 1980–1981: Minister für Justiz und institutionelle Reformen in den Regierungen Martens IV und M. Eyskens
- 1981–1995: Mitglied der Abgeordnetenkammer (teilweise verhindert)
- 1981–1985: Ministerpräsident der Französischen Gemeinschaft
- 1983–2012: Gemeinderatsmitglied von Molenbeek-Saint-Jean/Sint-Jans-Molenbeek
- 1988: Ministerpräsident der Französischen Gemeinschaft
- 1988–1989: Vizepremierminister und Minister der Brüsseler Region und für institutionelle Reformen in der Regierung Martens VIII
- 1989–1991: Vizepremierminister und Minister der Brüsseler Region und für institutionelle Reformen, beauftragt mit der Neustrukturierung des Ministeriums für nationales Unterrichtswesen in der Regierung Martens VIII (nach Umstrukturierung)
- 1991–1992: Vizepremierminister und Minister der Brüsseler Region und für institutionelle Reformen, beauftragt mit der Neustrukturierung des Ministeriums für nationales Unterrichtswesen und des Ministeriums der Brüsseler Region in der Regierung Martens IX
- 1992–1993: Minister für Soziales in der Regierung Dehaene I
- 1992–2012: Bürgermeister von Molenbeek-Saint-Jean/Sint-Jans-Molenbeek
- 1999–2014: direkt gewählter Senator
Schriften
- Truck-system et revendications sociales dans la sidérurgie luxembourgeoise du XVIIIe siècle. Brüssel, Éd. de l’Institut de sociologie, 1968.
- Les Comptes d'une société charbonnière à la fin de l'Ancien Régime (La société de Redemont à Haine-St-Pierre - La Hestre). Brüssel, Palais des Académies, 1969.
- Les préoccupations statistiques du gouvernement des Pays-Bas Autrichiens et le dénombrement des industries dressé en 1764. Brüssel, Éditions de l’Université de Bruxelles, 1971.
- La Soupière chinoise. Brüssel, éditions Luc Pire, 2011.
Weblinks
Einzelnachweise
- Lalibre.be: Moureaux s'en va: "La trahison est monnaie courante en politique" (16. Oktober 2012) (frz.)
- Siehe u. a. P. Moureaux, Les préoccupations statistiques du gouvernement des Pays-Bas autrichiens et le dénombrement des industries dressé en 1764, Brüssel, Editions de l'ULB, 1971.
- Philippe Moureaux a dit "oui" à Latifa, rtl.be, 28. Juni 2010 à
- Philippe Moureaux (71) trouwt met 35-jarige Latifa Benaicha, gva.be, 28. Juni 2010 à
- Gesetz vom 30. Juli 1981 zur Ahndung bestimmter Taten, denen Rassismus oder Xenophobie zugrunde liegen (B.S. 8. August 1981); eine inoffiziell koordinierte Version in deutscher Sprache ist auf der Webseite (Memento des Originals vom 9. August 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (MS Word; 102 kB) der Zentralen Dienststelle für deutsche Übersetzungen einsehbar.
- Lalibre.be: Huit experts cherchent des solutions (16. Januar 2009) (frz.)
- Siehe den Gesetzesvorschlag, so wie er am 3. Juli 2003 im Senat eingereicht wurde, Parl. Dok. Senat, Sess. 2003, Nr. 3-13/1; in französischer und niederländischer Sprache einsehbar auf der Webseite des Senats.
- Das Gesetz vom 19. März 2004 wurde am 16. September 2004 in deutscher Sprache im Belgischen Staatsblatt veröffentlicht; einsehbar auf der Webseite (PDF; 23 kB) des Staatsrates.
- Lalibre.be: Moureaux classe Reynders à l'extrême-droite (22. Juni 2008) (frz.)
- Lalibre.be: Philippe Moureaux : "Oui, on scindera un jour BHV" (19. Oktober 2009) (frz.)
- Molenbeek: Merci Philippe ! In: La Libre. 17. November 2015, abgerufen am 26. November 2015.
- 'Door het negationisme van Moureaux & co werd Brussel een kruitvat'. In: knack.be. 22. November 2015, abgerufen am 26. November 2015.