Petruskirche (Gießen)
Die Petruskirche ist eine evangelische Kirche im Stadtzentrum von Gießen (Mittelhessen). Sie wurde in den Jahren 1960 bis 1962 nach Plänen des Architekten Alfred Schild gebaut und ist aufgrund ihrer künstlerischen und kirchengeschichtlichen Bedeutung hessisches Kulturdenkmal.[1]
Geschichte
Als die Stadtbevölkerung Gießens im 19. Jahrhundert angewachsen war, reichte die Stadtkirche von 1821 den Bedürfnissen nicht mehr. Deshalb wurde die Johanneskirche gebaut und die evangelische Stadtgemeinde wurde 1892 in vier selbstständige Kirchengemeinden aufgeteilt, die nach den Evangelisten benannt wurden. Mit Ausdehnung der Stadt nach Süden zu Beginn des 20. Jahrhunderts musste die Lukasgemeinde geteilt werden und es entstand zum 1. Januar 1929 die Petruskirchengemeinde. Im selben Jahr wurde ein Kirchenbauverein gegründet. Im Jahr 1932 wurde als Behelf die Petruskapelle im Alten Wetzlarer Weg eingeweiht und ein Baugrundstück Ecke Wartweg/Studentensteg erworben. Der Bau konnte aufgrund des Zweiten Weltkriegs, der Inflation und Währungsreform 1948 zunächst nicht ausgeführt werden.[2] Zu einer weiteren Verzögerung kam es, als der Entwurf des Architekten Alfred Schild von 1956 sich als zu groß erwies. Der veränderte Entwurf wurde im März 1960 freigegeben.[1] Ende März 1960 begannen die ersten Bauarbeiten, am 24. Juli 1960 fand die Grundsteinlegung und am Pfingstmontag 1962 die Einweihung statt. Altarkreuz, Lesepult, Orgel und Glocken wurden durch Spenden finanziert.[3]
Architektur
Die flachgedeckte Kirche ist nach Ost-Nordost ausgerichtet. Sie ist auf einem parabelförmigen Grundriss erbaut und hat zur Straßenseite im Westen einen geraden Abschluss mit einem freien Vorplatz. Die monumentale Konstruktion aus Stahlbeton ist außen mit Natursteinquadern verkleidet. Die rechteckige Westfassade hat im nördlichen Bereich zahlreiche sehr kleine rechteckige und quadratische Fenster mit Buntglas, ist ansonsten aber fensterlos. Die festungsartige Mauerfront wird nur durch ein Christusmonogramm und die bronzenen Eingangstüren aufgelockert. Das Kircheninnere wird an den Seiten durch Fensterbänder mit Buntglas belichtet, die durch Wandpfeiler gegliedert werden.[1]
An der Nordseite der Kirche schließt sich ein Andachtsraum an. Im Norden erhebt sich ein hoher, schlanker Glockenturm, der durch einen Zwischenbau zugänglich ist, aber freistehend erscheint.
Ausstattung
Der Innenraum der Kirche schließt mit einer hölzernen Flachdecke ab. An der Westseite ist eine Betonempore eingebaut, die als Aufstellungsort für die Orgel dient. Links der Orgel schlängelt sich ein Lebensband vertikal durch die Quaderfugen, das als Inschrift das Bibelwort aus Ps 121,7–8 zeigt.[4]
Der Altarbereich ist um drei Stufen erhöht. Die Kanzel wirkt von außen wie ein massiver Steinquader. Während die Seiten Quadergliederung aufweisen, ist die Frontseite aus Bruchstein in Kreuzform gestaltet. Die Altarplatte ist mit Steinen aus Rosenquarz unterlegt und ruht auf einem ausgehauenen Felsen. Das achtseitige Taufbecken steht auf einem kreisförmigen Bereich, dessen Bodenplatten sich durch ihre dunkle Farbe mit eingearbeiteten Goldsprengseln von den anderen Bodenplatten absetzen und der von einem großen Kreuz in Blautönen durchzogen wird. Die vergoldete Taufschale wird von einer Messingplatte bedeckt, deren Griff aus Rosenquarz gefertigt ist.[4] An der Ostwand ist ein großes, schlichtes Holzkreuz angebracht. Das schlichte, hölzerne Kirchengestühl ist in zwei Reihen zum Altarbereich ausgerichtet.
Orgel
Die Petruskapelle besaß seit 1957 ein Positiv der Licher Firma Förster & Nicolaus mit vier Registern und angehängtem Pedal. Für die neue Petruskirche schaffte die Gemeinde 1968 eine Orgel von Förster & Nicolaus an. 33 Register sind auf drei Manuale und Pedal verteilt. Die Prospektgestaltung geht auf Walter Supper zurück. Jedes Werk ist in einem andersförmigen Gehäuseteil untergebracht. Das Hauptwerk ruht auf einer dreieckigen Betonplatte, die aus der Empore in das Kirchenschiff hineinragt. Das Pedalwerk hat Holzpfeifen im rechtwinkligen Prospekt und schließt die Empore links ab. Über dem Brustwerk erhebt sich das Kronwerk in einem geschwungenen Gehäuse.[5] Die Disposition wurde von Hans Georg Bertram, Walter Supper und Manfred Nicolaus entworfen und lautet wie folgt:[6]
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- Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
- Spielhilfen: 4 freie Kombinationen, 1 freie Pedalkombination
Geläut
Der hohe Glockenturm der Petruskirche beherbergt ein Sechsergeläut. Die Glocken von der Firma Rincker wurden am 1. August 1961 gegossen und am 9. September 1961 geliefert.[7]
Nr. | Gießer und Gussjahr | Durchmesser (mm) | Masse (kg) | Schlagton | Inschrift |
1 | Rincker, 1961 | 1520 | 1966 | c1 | Mt 16,16 |
2 | Rincker, 1961 | 1290 | 1296 | es1 | Mt 14,3 |
3 | Rincker, 1961 | 1103 | 826 | g1 | Joh 21,22c |
4 | Rincker, 1961 | 1030 | 666 | as1 | Joh 6,68 |
5 | Rincker, 1961 | 927 | 481 | b1 | Lk 22,32 |
6 | Rincker, 1961 | 815 | 323 | c2 | Joh 21,8 |
Kirchengemeinde
Die evangelische Petrusgemeinde umfasst etwa 4000 Mitglieder (Stand: 2015) und gehört neben 28 anderen Kirchengemeinden in und um Gießen zum Evangelischen Dekanat Gießen, das Teil der Propstei Oberhessen innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ist.[8]
Die Petrusgemeinde engagiert sich in der Flüchtlingsarbeit. Sie ist Ort der Hochschulgemeindegottesdienste. Die Nähe zum Klinikum legte Beziehungen zur Klinik- und Notfallseelsorge.[9] Für verschiedene kirchenmusikalische Tätigkeiten wurde eine hauptamtliche Organisten- und Kantorenstelle eingerichtet.
Die Petrusgemeinde hatte folgende Pfarrer:
- 1929–1933: Friedrich Waas
- 1933–1962: Otto Trapp
- 1963–1970: Karl Dienst
- 1970–1992: Karl-Adolf Lebrecht
- seit 1992: Matthias Leschhorn
Eine zweite Pfarrstelle (Pfarrvikar) wurde 1988 eingerichtet, nach 12 Jahren aber wieder aufgehoben.
- 1988–1992: Matthias Leschhorn
- 1992–1996: Kathleen Niepmann
- 1996–2000: Hanne Allmannsberger
Literatur
- Karl Dienst: Der lange Weg vom Alten Wetzlarer Weg zum Wartweg. Aus der Baugeschichte der Gießener Petruskirche. In: Karl Dienst: Gießen – Oberhessen – Hessen. Beiträge zur evangelischen Kirchengeschichte. Verlag der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung, Darmstadt 2010, S. 519–540.
- Ev. Petrusgemeinde Gießen (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Petruskirche. Gießen 2012.
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), Karlheinz Lang (Bearb.): Kulturdenkmäler in Hessen. Universitätsstadt Gießen. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Verlagsgesellschaft Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1993, ISBN 3-528-06246-0, S. 452.
- Peter Weyrauch: Die Kirchen des Altkreises Gießen. Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft, Gießen 1979, DNB 800512863, S. 62 f.
Weblinks
- Homepage der evangelischen Petrusgemeinde Gießen
- Evangelische Petrusgemeinde auf dekanat-giessen.ekhn.de
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Petruskirche In: DenkXweb, Online-Ausgabe von Kulturdenkmäler in Hessen
Einzelnachweise
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Petruskirche In: DenkXweb, Online-Ausgabe von Kulturdenkmäler in Hessen, abgerufen am 23. Oktober 2015.
- Dienst: Der lange Weg vom Alten Wetzlarer Weg zum Wartweg. 2010, S. 520.
- Ev. Petrusgemeinde Gießen (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Petruskirche. Gießen 2012, S. 6.
- Ev. Petrusgemeinde Gießen (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Petruskirche. Gießen 2012, S. 10.
- Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,1. Teil 1 (A–L)). Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7, S. 374–375.
- Orgel der Petruskirche Gießen, abgerufen am 23. Oktober 2015.
- Dienst: Der lange Weg vom Alten Wetzlarer Weg zum Wartweg. 2010, S. 532.
- Das Evangelische Dekanat Gießen, abgerufen am 11. Mai 2019.
- Ev. Petrusgemeinde Gießen (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Petruskirche. Gießen 2012, S. 16–20.