Paul Nathan
Paul Nathan (* 25. April 1857 in Berlin; † 15. März 1927 ebenda) war ein deutsch-jüdischer Sozialpolitiker.
Leben
Nathan war der Sohn des Berliner Bankiers Wilhelm Nathan und Neffe des Bankiers Moritz von Cohn. Er arbeitete ab 1877 als Journalist und studierte an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin Geschichte und Nationalökonomie. Ab 1880 studierte er Archäologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1881 promovierte er zum Dr. phil.
1901 gründete er den Hilfsverein der deutschen Juden. Er förderte den Aufbau des Schulwesens in Palästina, die Volkshochschule Berlin und die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft. Nach den Kischinjow-Pogromen (1903) rief er die Vertreter von jüdischen Organisationen aus verschiedenen Ländern zu einer Erörterung der Situation zusammen und kontaktierte dem Zaren nahestehende russische Persönlichkeiten. Nach den Pogromen beim Bauernaufstand in Rumänien 1907 setzte er sich für eine Entschädigung der betroffenen Juden ein.[1] 1907 unternahm er seine erste Palästinareise, um die Lebensumstände der jüdischen Siedler kennenzulernen.[2] Ein Ergebnis dieser Reise war die Entscheidung des Hilfsvereins, in Palästina eine technische Hochschule zu gründen, das Technion in Haifa.
Begeistert begrüßte er den Ersten Weltkrieg. Für ihn galt es, „Deutschland vor politischer und wirtschaftlicher Vernichtung zu bewahren“.
Herausgeber
Nathan war Herausgeber der fünfbändigen Memoiren von Ludwig Bamberger und Mitherausgeber der Wochenschrift Die Nation (organisiert im Hilfsverein für die russischen Juden).
Politik
Im Deutschen Kaiserreich war er zunächst in der Nationalliberalen Partei. Von 1900 bis 1919 war er Stadtverordneter in Berlin für die Fortschrittliche Volkspartei. In der Weimarer Republik wurde er Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (1919) und der SPD (1921).
Werke
- Die Enttäuschungen unserer Gegner. Stuttgart 1914.
- Palästína und palästinensischer Zionismus. Berlin 1914.
- Die Ostjuden in Deutschland und die antisemitische Reaktion. Berlin 1922.
- Das Problem der Ostjuden. Berlin 1926.
Literatur
- Paul Nathan. In: Franz Osterroth: Biographisches Lexikon des Sozialismus. Verstorbene Persönlichkeiten. Bd. 1. J. H. W. Dietz Nachf., Hannover 1960, S. 230.
- Franz Menges: Nathan, Paul. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 746 f. (Digitalisat).
- Tobias Brinkmann: Why Paul Nathan Attacked Albert Ballin: The Transatlantic Mass Migration and the Privatization of Prussia's Eastern Border Inspection, 1886–1914. In: Central European History. 43, Nr. 01, 2010, S. 47–83. doi:10.1017/S0008938909991336
- Walter Tetzlaff: 2000 Kurzbiographien bedeutender deutscher Juden des 20. Jahrhunderts. Askania, Lindhorst 1982, ISBN 3-921730-10-4.
- Nathan, Paul. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 17: Meid–Phil. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. De Gruyter, Berlin u. a. 2009, ISBN 978-3-598-22697-7, S. 257–262.
- Ernst Feder: Paul Nathan, Politiker und Philanthrop, in Robert Weltsch Hg.: Deutsches Judentum, Aufstieg und Krise. Gestalten, Ideen, Werke. Vierzehn Monographien. Veröffentlichung des Leo Baeck Instituts. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1963, S. 120–144.
- David Hamann: Migration organisieren. Paul Nathan und der Hilfsverein der deutschen Juden (1881-1914/18), in: Kalonymos 19 (2016), 2, S. 6–10 online
- David Hamann: Von Hamburg in die Welt – Jüdische Auswanderung und der Hilfsverein der deutschen Juden, 2016, Teil der Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte online.
- Christoph Jahr: Paul Nathan: Publizist, Politiker und Philanthrop 1857-1927, Göttingen: Wallstein Verlag [2018] ISBN 978-3-8353-3297-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- Haim Hillel Ben-Sasson: Geschichte des jüdischen Volkes – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 1992, ISBN 3-7632-4070-5 (Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg in einem Band, Seite 1139).
- Zeev Sadmon: Die Gründung des Technions in Haifa im Lichte deutscher Politik, 1907–1920. Saur, München 1994, ISBN 3-598-23222-5, S. 63.