Paschinger Schlössl
Das Paschinger Schlössl ist ein villenartiger Bau auf dem Kapuzinerberg in Salzburg, Kapuzinerberg 5. Es wurde im 17. Jahrhundert erbaut und im 19. Jahrhundert mehrfach erweitert. Das Schlössl steht unter Denkmalschutz und gehört zum UNESCO-Welterbe Historisches Zentrum der Stadt Salzburg.
Bekannt wurde es vor allem dadurch, dass Stefan Zweig 1917–1937 Eigentümer des Hauses war, es sanieren ließ und 15 Jahre bewohnte.
Geschichte
Das gegenüber dem Kapuziner-Kloster liegende Gelände war 1650 als Garten ausgewiesen. Im Kriegsfall (der Dreißigjährige Krieg war erst zwei Jahre vorbei) sollte es als Waffenplatz unentgeltlich dem Erzbischof zur Verfügung gestellt werden. Zu diesem Ernstfall ist es aber, auch wegen der starken Stadtbefestigungen von Salzburg, nie gekommen. Der Grund des Paschingerschlössls wurde 1639 von Peter Ettinger erworben. Der Plan von 1644 von Philipp Harpff zeigt dort bereits ein kleines Gartenhäuschen. Der Bau stammt im Kern aus der 2 Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es befindet sich am oberen Rand eines in Terrassen gegliederten Gartens. Vor 1793 besaß Anna Helene Hermes von Fürstenhof das Anwesen und nutzte es mit ihrer Familie als Sommerhaus, Nannerl Mozart unterrichtete beide Töchter im Klavierspiel. Sowohl sie als auch Wolfgang Amadé Mozart besuchten Die Hermesin häufig, z. B. mehrmals im Sommer 1783.[1] In der Zeit hieß das Haus Hermesvilla.[2] Seinen späteren Namen erhielt es dann von Anton Paschinger, der das Schlösschen von 1793 bis 1823 besaß.[3]
1917 fiel der stark heruntergekommene Besitz Stefan Zweig und seiner zukünftigen Frau Friderike von Winternitz zufällig bei einem Besuch in Salzburg auf. Der Besitzer, ein Wiener Großindustrieller, war bereit, das Anwesen zu verkaufen. Die finanzielle Abwicklung wurde Friderike übertragen. Um das Haus bewohnbar zu machen, musste viel investiert werden, es hatte kein elektrisches Licht, keine ausreichende Heizung, kein Telefon, und auch der Weg auf den Kapuzinerberg war nicht beleuchtet. Mit einer Baufirma wurde – trotz der Kriegszeiten und des Mangels an allem – ein Vertrag über die Renovierung des Hauses abgeschlossen.[4] Nach vielen Unannehmlichkeiten – das Haus war nach dem Krieg zum Teil von anderen Bewohnern besetzt – konnte auch Stefan Zweig einziehen. Wegen des Mangels an Wohnungen wollte die Salzburger Stadtverwaltung den Rokokosaal in vier Zimmer umbauen lassen, um noch für zwei Familien eine Unterkunft zu finden. Friderike hatte aber bereits an eine Familie zwei Räume abgegeben. Durch Intervention beim Amt für Denkmalschutz – der Saal war in der Kunsttopographie des Landes Salzburg abgebildet – und nach Zahlung einer Ablöse, die fast den ursprünglichen Kaufpreis des Hauses ausmachte, konnte dies verhindert werden. Später zog hier der Polizeirittmeister Franz Schirl mit seiner Frau Erika ein, zu denen immer ein gutes Verhältnis bestand.
Hier nun lebte Stefan Zweig zwischen 1919 und 1934 mit seiner ersten Frau Friderike und deren beiden Töchtern Alix und Suse aus erster Ehe. Nach den Lebenserinnerungen seiner Frau hat Zweig in diesem Haus etwa 200'000 Manuskriptseiten verfasst.[5] Das Haus wurde mit einer überreichen Bibliothek ausgestattet, der Hausherr kaufte antike Möbelstücke (u. a. den Schreibtisch Ludwig van Beethovens) und brachte hier seine kostbare Autographensammlung unter. Der Dichter hatte trotz aller Weltläufigkeit eine enge Beziehung zur Stadt Salzburg, er ging regelmäßig den steilen Kalvarienweg in die Stadt hinunter, um im Café Bazar die Zeitungen zu lesen oder im Schachclub des Café Mozart mit dem damals sozialdemokratisch gesinnten Emil Fuchs Schach zu spielen. Der Gaisberg wurde von ihm im Gefolge von Hermann Bahr ebenso bestiegen wie der Untersberg.
Durch den berühmten Schriftsteller Zweig wurde das Paschinger Schlössl zu einem herausragenden Ort der Begegnung internationaler Größen dieser Zeit, vornehmlich von Schriftstellern und Musikern (u. a. Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, James Joyce, Richard Strauss, Arthur Schnitzler, George Wells, Carl Zuckmayer, Franz Werfel, Hans Carossa, Jakob Wassermann, Romain Rolland oder Hermann Bahr). Jules Romains hat wegen dieser zahlreichen auswärtigen Besucher dem Haus dem Namen „Villa (in) Europa“ gegeben.
Aufgrund der berechtigten Befürchtungen, dass der Nationalsozialismus vom deutschen Reich auf Österreich übergreifen könnte, aber auch infolge einer blitzartigen Hausdurchsuchung der austrofaschistischen Polizei und in der Zeit einer immer brüchigeren Ehe hat sich Stefan Zweig 1934 von Salzburg abgewandt und ist nach England gegangen. Versuche des Salzburger Landeshauptmanns Franz Rehrl, Zweig zum Verbleib in Salzburg zu bewegen, blieben erfolglos.[6] Zweig drängte seine Frau massiv zum Verkauf des Besitzes, und obwohl Friderike Zweig und ihre Kinder sehr an diesem Haus hingen, das zu ihrer Heimat geworden war, wurde es am 18. Mai 1937 an die Familie Gollhofer, Besitzer eines Kleidergeschäftes in Salzburg, verkauft. Diese Familie besaß die Villa bis ins Jahr 2020.
Das Schlössl ist unter den Namen seiner diversen Besitzer bekannt. Urkundlich ist ein Grundkauf 1639 durch Peter Ettinger, von 1766 bis 1793 gehörte es Anna Helena Hermes, von 1793 bis 1823 Anton Paschinger, von 1824 bis 1867 Matthias Gschnitzer, von 1867 bis 1905 Wilhelm Pletsch, Marie von Ziegler, von 1916 bis 1919 Dr. Josef Kranz, Industrieller, von 1919 bis 1937 Stefan Zweig und seit 1937 der Familie Gollhofer.[7][8]
Paschinger Schlössl
Das Haus stammt im Kern aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es wurde mehrmals umgebaut. Das Haus besteht aus einem langgestreckten Baublock und besitzt drei Stockwerke mit Walmdach und einen kleinen Turm. Im ersten Obergeschoss ist ein Erker aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es gibt seitlich zweigeschossige Anbauten unter einem Satteldach, im Süden mit einem Mansarddach. Die einheitliche Fenstergliederung ist aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.[7]
In dem fünffenstrigen Hauptraum befindet sich ein Rokokoofen und eine über 100-jährige Tapete des berühmten Tapetenmalers Dufour. Die alte Stadtbefestigung des Kapuzinerberges ist in das Haus einbezogen. Zwischen den Zimmern und der rückwärtigen Stadtmauer war vormals eine Kegelbahn eingerichtet und an der Wand hing eine Kugel, mit der Kaiser Franz Josef Kegel gespielt hatte. Mehrere Stützmauern und Freitreppen bilden einen Ziergarten unterhalb des Hauptbaus, der gegen die Terrassen einen Vorbau mit holzverkleidetem Untergeschoss und einem Obergeschoss samt Flachdach und Eisengeländer aufweist. Zu dem Haus führt ein steiler Weg, der früher mit Holzprügeln, daher die Bezeichnung Prügelweg, befestigt war (heute Asphaltbelag). Die Straße führt durch das 1632 erbaute Felixtor entlang eines zum Kloster führenden Kalvarienweges. Die selbst entworfene Tür am Fuße des Gartens zu dem Anwesen Am Kapuzinerberg 5 ist ein Geschenk der ersten Frau des Dichters.
Literatur
- Lorenz Hübner: Beschreibung der hochfürstlich- erzbischöflichen Haupt- und Residenzstadt Salzburg und ihrer Gegenden verbunden mit ihrer ältesten Geschichte. Erster Band. Topographie. Nebst 2 Kupfertafeln. Im Verlage des Verfassers (Gedruckt bey F. X. Oberer), Salzburg 1792.
- Friderike M. Zweig: Stefan Zweig – Wie ich ihn erlebte. Stockholm, Neuer Verlag (NV), 1947.
- Reinhard Medicus: Salzburgs Stadtberge und Stadtgärten im Wandel der Zeit. Anton Pustet Verlag, Salzburg 2021, ISBN 978-3-7025-1005-3.
Weblinks
Nachweise
- Günther G. Bauer: Mozart und Constanze 1783 zu Besuch in Salzburg. (Salzburg Studien, Forschungen zu Geschichte, Kunst und Kultur, Band 12). Salzburg 2012, ISBN 978-3-902582-05-8. S. 113f.
- Lorenz Hübner: Beschreibung der hochfürstlich- erzbischöflichen Haupt- und Residenzstadt Salzburg und ihrer Gegenden verbunden mit ihrer ältesten Geschichte. Erster Band, Salzburg 1792, S. 315 und 327.
- Reinhard Medicus: Siedlungsgeschichte des Kapuzinerberges. In Bastei, 2011, 60/3, 17–22.
- Friderike M. Zweig, 1948, S. 127.
- Friderike M. Zweig, 1948, S. 186
- Adolf Haslinger, Peter Mittermayr (Hrsg.): Salzburger Kulturlexikon. Residenzverlag, Salzburg 2001, S. 575 f., ISBN 3-7017-1129-1.
- Dehio Salzburg 1986, Salzburg rechts der Salzach, Eintrag Paschinger-Schlößl, S. 626.
- anno.onb.ac.at/Salzburger Volksblatt, 20. April 1937