Osram-Höfe
Die Osram-Höfe sind ein denkmalgeschütztes Gebäudeensemble im Berliner Ortsteil Wedding. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Bergmann Electricitäts-Werke Aktiengesellschaft wurden ab 1904[1][2] die ersten Glühlampen in Deutschland produziert.[3] Ab 1935 war das Gelände das Werk B (Bergmann) der Osram GmbH und wurde zu einem der größten Glühlampenwerke Europas ausgebaut.[1] Nachdem das Unternehmen große Teile seiner Produktion zur Nonnendammallee nach Spandau verlegt hatte, erhielt das Gewerbezentrum an der Seestraße den Namen „Forum und Carrée Seestraße“, wobei im Volksmund der Begriff „Osram-Höfe“ erhalten blieb. Die Gebäude wurden 1997 von der THG-Immobilien-Verwaltung gekauft, die sie für einen dreistelligen Millionenbetrag in Büros und Geschäfte umbaute.[3] Heute firmiert das Gelände unter dem Namen „Carrée Seestraße“.[2]
Geschichte
Nachdem Sigmund Bergmann 1879 in den Vereinigten Staaten zusammen mit Thomas Alva Edison die erste Glühbirne erfunden hatte, waren diese bei der Pariser Elektrizitätsausstellung 1881 eine „epochale Sensation“.[3] In diesem Zusammenhang besuchte Bergmann 16 Jahre nach seiner Emigration in die USA erstmals wieder Deutschland. Durch die Gründung des Deutschen Reiches erlebten Industrie und Handel gerade einen starken Aufschwung und in Berlin erkannte der gebürtige Thüringer das Potential der noch jungen, aber sich dank Werner von Siemens gut entwickelnden Elektroindustrie.
Mit dem starken Wachstum von Bergmanns Betrieb in den USA stiegen im April 1881 zunächst Edward H. Johnson und im September 1882 Edison in die Firma ein, die nunmehr S. Bergmann & Company hieß. Als Edison 1889 beschloss, alle Firmen seines inzwischen verstreut gewachsenen Imperiums in der Edison General Electric Company zusammenzufassen, verkaufte Bergmann seine Anteile und ging zurück nach Deutschland. Mit dem Erlös der Anteile gründete er an der Fennstraße in Berlin-Moabit 1891 die offene Handelsgesellschaft (oHG) Sigmund Bergmann & Co., mit der er zunächst ähnliche Artikel wie zuletzt in New York herstellte. Bereits 1893 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und trug dann den Namen Bergmann Electricitäts-Werke Aktien-Gesellschaft. Ab 1904 stellte er die „Bergmann-Metallfadenlampe“ her. Da das bisherige Firmengelände in Moabit zu klein geworden war, begann er im gleichen Jahr mit dem Bau neuer Anlagen auf dem Areal der heutigen Osram-Höfe. Das Glühlampenwerk bestand aus mehreren Geschossfabriken, die in verschiedenen Bauabschnitten zwischen 1904 und 1910 entstanden sind, aber mit ihrer gelben Klinkerverkleidung ein einheitliches Bild bieten.[1] Bereits 1910 erreichte das Werk einen täglichen Ausstoß von 16.000 Metallfaden-Lampen. Damit gehörte Bergmanns Unternehmen zu den größten Arbeitgebern im Bezirk. Zu Hochzeiten arbeiteten hier 5500 Menschen.[3] Weitere Bauten kamen 1912 bis 1914 hinzu.
Die Glühlampenherstellung gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zu den am schnellsten wachsenden Bereichen der Elektroindustrie. Zu dieser Entwicklung trug die seit 1905 produzierte Wolframlampe mit einem Glühfaden aus Wolfram bei, für deren Vertrieb Carl Auer von Welsbach den Phantasienamen OSRAM kreierte, ein Kofferwort aus Osmium und Wolfram, das auf die beiden wegen ihres hohen Schmelzpunktes von über 3000 bzw. 3400 Grad für Glühfäden verwendeten Metalle verweist. Am 10. März 1906 meldete die Deutsche Gasglühlicht-Anstalt das Warenzeichen OSRAM für die Waren „Elektrische Glüh- und Bogenlichtlampen“ beim damaligen Kaiserlichen Patentamt in Berlin an. Im November 1918 gliederte die Deutsche Gasglühlicht AG ihr Glühlampengeschäft in die OSRAM G.m.b.H. KG mit Sitz im Berliner Ortsteil Friedrichshain (heutige „Oberbaum City“) aus. Nach dem Verlust der Auslandsmärkte durch den Ersten Weltkrieg erschien es den drei führenden deutschen Glühlampenherstellern AEG, Siemens & Halske (S & H) und Deutsche Gasglühlicht sinnvoll, die gemeinsamen Interessen zu bündeln. Das erste Geschäftsjahr und die Gründung der Gesellschaft wurden rückwirkend auf den 1. Juli 1919 festgesetzt.[4]
Neben dem Stammwerk in Berlin-Friedrichshain besaß Osram die beiden Werke von S & H und der AEG in der Helmholtzstraße in Charlottenburg (Werk S; Siemens) bzw. Sickingenstraße in Moabit (Werk A; AEG). Die Produktion der Glaskolben erfolgte später dann weitgehend in Weißwasser/Oberlausitz (Werk W). Die „Lampenstadt“, das Stammwerk Friedrichshain, wurde zum Osram-Werk D (Drahtwerk) und war bis 1945 Firmensitz. 1935 übernahm Osram schließlich die Fabrik der Bergmann Electricitäts-Werke (Werk B; Bergmann). In den Jahren 1936 und 1937 wurde die Fabrik noch einmal erweitert.[1]
Nachdem 1988 ein großer Teil der Lampenproduktion in die Siemensstadt verlegt worden war, endete die Produktion von Glühlampen in den Osram-Höfen. Nach Aufgabe der Produktion erhielten die Anlagen den Denkmalschutzstatus des Landes Berlin[1] und die „Carrée Seestraße GbR“ übernahm die Gebäude. Die Verwaltung lag zunächst bei der Treuhand-Immobiliengesellschaft, die die Gebäude sanierte, dann fielen sie an die Immobilienfirma Engel & Völkers. Heute arbeiten hier über 3000 Menschen in ca. 60 verschiedenen Firmen und Einrichtungen, darunter Lebensmitteldiscounter, die Beuth-Hochschule für Technik Berlin, Schulungszentren[5] und der Polizeiabschnitt 17.[6]
Die Fabrikgebäude ordnen sich in das umliegende Wohngebiet ein, indem sie Straßenflucht und Traufhöhe der Mietshäuser aufnehmen. An der Oudenarder Straße, Groninger Straße und Liebenwalder Straße bilden sie einen geschlossenen Blockrand. Die fünfgeschossigen Fabrikbauten der Jahrhundertwende, entworfen von Hermann Enders, besitzen einen einfachen, auf die Produktion ausgerichteten Aufbau. Die Stahlskelettkonstruktion erlaubte den Bau stützenarmer Fabrikationssäle mit großen Fenstern. Durch die Backsteinverkleidung schuf der Architekt ein einheitliches und ansprechendes Äußeres.[1] Weitere beteiligte Architekten waren Richard Schirop (Gebäude 32, 1910 fertiggestellt) sowie der Regierungsbaumeister Waldemar Pattri (1920 und 1937).[7] Zwischen 1912 und 1914 ließ Bergmann zusätzlich ein von Schirop entworfenes Verwaltungs- und Laborgebäude errichten (Gebäude 31).
Weblinks
- Kathrin Chod, Herbert Schwenk, Hainer Weisspflug: OsramHöfe. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Mitte. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2003, ISBN 3-89542-111-1 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
Einzelnachweise
- Denkmaldatenbank. In: stadtentwicklung.berlin.de. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, abgerufen am 27. August 2016.
- David Wagner: Die Bildungsburg. Der Tagesspiegel, 8. August 2015, abgerufen am 27. August 2016.
- Dilek Güngör: Auf dem ehemaligen Fabrikgelände wurden die ersten Glühlampen Deutschlands produziert: Neue Firmen und Geschäfte in den Osramhöfen. Berliner Zeitung, 9. November 1999, abgerufen am 27. August 2016.
- Unternehmensgeschichte – Unternehmen – OSRAM. (Nicht mehr online verfügbar.) Osram, archiviert vom Original am 19. April 2016; abgerufen am 27. August 2016.
- Osram-Höfe. In: berliner-stadtplan.com. Abgerufen am 27. August 2016.
- Direktion 1 (Nord) – Abschnitt 17. 15. März 2021, abgerufen am 16. März 2021.
- Pattri, W., Regierungsbaumeister. In: Berliner Adreßbuch, 1890, Teil 1, S. 898 (SW, Ritterstraße 41).